Wer verliert, wenn die Ministerien 1,1 Milliarden Euro sparen
Von Max Miller und Clara Peterlik
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6,39 Milliarden Euro muss Österreich heuer einsparen. Immerhin will die schwarz-rot-pinke Regierung ein EU-Defizit-Verfahren vermeiden. Nach der Reduktion der Förderquote der größte Punkt im Sparplan: „Sparen in Ministerien“, Sparziel: 1,1 Milliarden Euro. 15 Prozent der Sachkosten (Ausnahme: Mieten, weil kaum kürzbar) könne man bestimmt einsparen, so der Gedanke. Doch dieses Geld liegt nicht ungenutzt herum. Woher soll die Milliarde also kommen?
Die Budgets der Ministerien setzen sich aus drei großen Bereichen zusammen: Personalkosten, Transferleistungen und Sachkosten. Beim Personal will die Regierung nicht kürzen, und Transferleistungen sind vor allem Förderungen, bei denen der nach Brüssel gemeldete Sparplan bereits 3,66 Milliarden Euro weniger vorsieht. Bleiben vor allem die Sachkosten als Sparposten. Doch was steckt hinter dem Budgetposten, und welche Konsequenzen hätten Kürzungen?
Alexander Pröll, ÖVP-Staatssekretär im Bundeskanzleramt, gibt kleine Hinweise: Im Bundeskanzleramt sollen durch „verstärkten IT-Einsatz“ zehn Millionen Euro pro Jahr gespart werden. Das Bildungsministerium rechnet im eigenen Ressort indes mit zusätzlichen IT-Ausgaben. Pröll kündigt auch an, die Zahl der Kabinettsmitarbeiter zu reduzieren und die Informationstätigkeiten um zehn Prozent zu kürzen.
18,6 Millionen Euro gaben alle Ministerien zusammen im ersten Halbjahr 2024 laut der Medientransparenzdatenbank der RTR für Werbung aus. In der Regel zeigt sich der Staat in der zweiten Jahreshälfte spendabler – vor allem, wenn eine Nationalratswahl ansteht, wie es 2024 der Fall war.
Selbst bei großzügig geschätzten 50 Millionen Euro Werbung pro Jahr bringt eine Kürzung um zehn Prozent nur fünf Millionen Euro im Jahr. Die Gesamtkosten für die Ministerbüros lagen 2022 laut einer SPÖ-Auswertung bei rund 38,4 Millionen Euro. Egal, wie sehr die Regierung hier spart: Für eine Milliarde braucht es mehr.
Heer wohl ausgespart
Eine Auswertung des Arbeiterkammer-nahen „Momentum Instituts“ auf Basis des Budgets 2024 zeigt: Besonders hohe Sachkosten haben die Ministerien für Verteidigung, Justiz, Soziales und Verkehr. Kürzt die Regierung in allen Ressorts gleichmäßig um 15 Prozent, müsste allein das Verteidigungsministerium 166 Millionen Euro einsparen. Das hätte erhebliche Auswirkungen, vor allem auf die Soldatinnen und Soldaten: Zu den größten Sachkosten des Bundesheeres zählen die Lebensmittel zur Verpflegung der Truppe – und das Bundesheer ist nicht für seine Nobelküche bekannt. Dazu kommen Treibstoff, Munition, Heizkosten, aber auch die Gehälter der Grundwehrdiener.
Die Truppe erinnert sich noch an vergangene Sparpakete nach der Finanzkrise unter Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ), als quer durch alle Ministerien 500 Millionen Euro eingespart werden sollten. Das Bundesheer musste damals sogar Benzin rationieren. Das ist heute, in Zeiten des russischen Angriffskrieges auf europäischem Boden, unvorstellbar.
Die Regierung will den Wehr-Etat daher bis 2032 sogar auf zwei Prozent des BIP anheben. 2024 lag er mit knapp unter einem Prozent nicht einmal bei der Hälfte. Tatsächlich betonte Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) im Ministerrat, dass nicht alle Ressorts gleichmäßig belastet würden: Bei der Sicherheit werde jedenfalls nicht gespart. Die Folge: Es gebe derzeit keine Vorgabe zu einem Sparziel und daher noch keinen Sparplan im Verteidigungsministerium, sagt ein Sprecher des Ministeriums.
Kaum sparen ohne Kahlschlag
Wird das Heer vom Sparzwang ausgespart, müssen die anderen Ressorts umso mehr beitragen. Verteilt man die 166 Millionen Euro des Verteidigungsministeriums auf die anderen Ministerien, steigt etwa der Einsparungsbedarf beim Justizministerium von rund 146 auf fast 172 Millionen Euro – in der Justiz müsste dann fast ein Fünftel des gesamten Sachaufwandes eingespart werden.
Das Budget der Justiz wurde unter Ex-Justizministerin Alma Zadić (Grüne) deutlich erhöht. Nun liegt der Anteil der Sachleistungen am Gesamtbudget bei 40 Prozent, vor allem die „Werkleistungen“ stiegen. Darunter fällt alles, wofür die Justiz externe Dienstnehmer beauftragt, neben der eben erst beschlossenen Verteidigerkosten-Rückerstattung etwa Bewährungshilfen, Wiedereingliederungs- und Deradikalisierungsprogramme. Bei der Initiative Derad sind die Sorgen vor Einschnitten groß, auch angesichts steigender Fälle. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) versicherte, dass in zentralen Bereichen wie dem Kampf gegen Extremismus nicht gespart werde. Dieser funktioniert nur mit intensiver Betreuung nach der Haft – und die kostet.
Auch bevor ein Urteil gefällt wird, benötigt die Justiz externe Dienstnehmer: „Sachkosten bei Gericht entstehen vor allem für Dolmetscher und Sachverständige“, sagt der Präsident der Richtervereinigung Gernot Kanduth: „Wenn man da einspart, wirkt sich das extrem auf den Rechtsstaat aus. Denn dann fehlt ein Element einer gerechten Urteilsfindung.“ Und im Bereich der Staatsanwaltschaften hatte man eigentlich gehofft, die Zeiten nach dem Sparpaket der 2010er-Jahre hinter sich gelassen zu haben, als Staats-
anwältinnen und Staatsanwälte Textmarker selbst kaufen mussten, weil das Ministerium die Kosten nicht mehr tragen konnte.
Wo die neue Regierung den Sparstift genau ansetzen will, ist unklar. „Da die Erstellung eines neuen Budgets noch nicht abgeschlossen ist, können konkrete Maßnahmen noch nicht im Detail genannt werden“, heißt es auf profil-Anfrage stellvertretend für eine Reihe an Ministerien aus dem Bundeskanzleramt.
„Aktuell werden in allen Ressorts die Zahlen erhoben und jeder Cent zweimal umgedreht, um diese Sparvorgabe zu erfüllen.“
Stellungnahme aus Justiz-, Finanz- und Kulturministerium
Das Sparen habe jedenfalls bereits begonnen, denn derzeit wird das Budget aus 2024 nur fortgeführt. Für das Milliarden-Ziel reicht das nicht. „Aktuell werden in allen Ressorts die Zahlen erhoben und jeder Cent zweimal umgedreht, um diese Sparvorgabe zu erfüllen“, antworten Justiz-, Finanz- und Kulturministerium gleichlautend.
Botschaften könnten geschlossen werden
Tatsächlich wird die Verwaltung an vielen schmerzhaften Stellen schrauben müssen, um dem Ziel zumindest nahezukommen. Das dürfte auch das heimische Botschaftsnetz zu spüren bekommen. Das Außenministerium verfügt mit 6,7 Millionen zwar grundsätzlich über das niedrigste Budget aller Ministerien, allerdings mit einem relativ hohen Sachaufwand, der fast ein Viertel des Budgets ausmacht und damit auch einen verhältnismäßig hohen Spardruck ergibt. Allein in den Botschaften kommen die Sachkosten ohne Mieten auf 109 Millionen Euro. Die Energiekosten schlagen durch, Einsparungen könnte es bei der Wohnungsfinanzierung im Ausland geben.
In der Vergangenheit wurden aus Spargründen kleine Botschaften nach Wien geholt oder auch geschlossen. Das Außenministerium bestätigt derzeit keine konkreten Pläne, seine Möglichkeiten sind aber beschränkt: „Eine Vielzahl der Ausgaben des Außenministeriums sind Fixkosten“, heißt es auf profil-Anfrage.
Sparorder draußen
Auf größere Einsparungen müssen sich auch das Gesundheits- und Sozial- sowie das Verkehrsministerium einstellen. Hier schwankten krisenbedingt die Sachkosten erheblich. Die Zahlen der tatsächlichen Ausgaben 2024 zeigen, dass das Sachaufwand-Budget nur zu 92 Prozent ausgeschöpft wurde. Das lag an höher eingeplanten Covidmaßnahmen und könnte den Ministerien etwas Spielraum verschaffen.
Dass doch beim Personal gespart werden könnte, zeigt die Polizei. Die rund 7200 Polizistinnen und Polizisten in Wien leisteten laut Landespolizeidirektion 2024 2,18 Millionen Überstunden. Das soll drastisch sinken, obwohl man ohne Überstunden damit kämpft, den Normbetrieb aufrechtzuerhalten. Andererseits wurden bisher Überstunden für Auftritte der Polizeikapellen an Wochenenden bezahlt. Das soll sich ändern, auch Auslandsauftritte und das Polizeimusikfestival 2026 werden abgesagt. Früheren Einsparungen bei Kapellen, etwa im Heer, folgten laute Proteste.
In einigen Ministerien haben vereinzelte befristet Beschäftigte den Hinweis bekommen, dass sie wohl nicht verlängert werden. Die Zahl der Leiharbeiter stieg in den letzten Jahren beträchtlich an, auch um Pensionierungen auszugleichen. Doch Leiharbeit zählt zu den Sachkosten, und Kürzungen lösen hier weniger Widerstand aus als in der Beamtenschaft. Das Sparpotenzial schwankt: Im Bildungsressort sind derzeit nur drei Leihbedienstete beschäftigt. Expertise von außen holen sich Ministerien zudem über Leih- und Werkverträge. Studienautorinnen und -autoren dürften also deutlich weniger Aufträge erhalten. Die eingesparten Staatsausgaben spüren auch die Firmen.
Ohnehin sind die fetten Zeiten in den Ministerien vorbei. Bei größeren Besprechungen gibt es meist Filterkaffee, Kuchen werden privat gekauft. Vielleicht bald auch wieder Textmarker.

Max Miller
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.

Clara Peterlik
ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.