Spesen, Posten und Finanzen: Die blauen Kämpfe mit dem Gesetz
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Die Folgen des Ibiza-Videos verfolgen die FPÖ noch immer. Zwar hat sich die Partei rasch von ihrem früheren Chef Heinz-Christian Strache und ihrem ehemaligen Klubobmann Johann Gudenus distanziert, rechtlich hängt der Partei aber noch vieles nach. Regelmäßig tauchen seit 2019 außerdem neue Skandale aus der FPÖ auf. Ein Überblick.
Lukrative Vereine
Im Ibiza-Video erklärte der damalige FPÖ-Chef Strache, wie man über Vereine Spenden an die Partei am Rechnungshof vorbeischleusen könnte. Gesprächsprotokolle vom Handy des Ex-FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein legen nahe, dass der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl bei der Architektur der parteinahen Vereine involviert gewesen sein könnte. Kickl streitet das ab. Strafrechtliche Ermittlungen zu den Vereinskonstruktionen wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Abgetauschte Posten
Der größte Ermittlungsakt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) behandelt die Causa Casinos – und alle weiteren Ermittlungsstränge wie die Umfragen-Affäre des türkisenen Finanzministeriums. Ausgang der Ermittlungen war der Verdacht, dass es im Gegenzug für die Bestellung des FPÖ-Mannes Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria eine Absprache zwischen FPÖ und dem Glücksspielkonzern Novomatic zu Glücksspiellizenzen gegeben haben soll. Die Ermittlungen laufen, alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.
Teure Spesen
Das Ibiza-Video führte noch nicht zum Bruch zwischen Strache und der FPÖ. Erst als dem Ex-Parteichef vorgeworfen wurde, private Rechnungen auf Parteikosten beglichen zu haben, stürzte die FPÖ in Umfragen ab – und schloss Strache aus. Die Ermittlungen in der Spesen-Affäre laufen, alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Die FPÖ wird in der Causa zwar als Opfer geführt, wehrte sich zuletzt aber erfolgreich dagegen, dass die Staatsanwaltschaft umfassend Einsicht in ihre Finanzen nimmt, wie der Standard berichtete.
Verratene Geheimnisse
Bereits zu Zeiten der türkis-blauen Regierung hatte die FPÖ mit der Hausdurchsuchung im früheren Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) für Aufsehen gesorgt. Ermittelt wird nun aber gegen Ex-Beamte mit FPÖ-Nähe: So soll der ehemalige Generalsekretär von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) 2018 einem ehemaligen Beamten des BVT geheime Dokumente zum Nervengift „Novitschok“ zugesteckt haben. Der frühere FPÖ-Abgeordnete Jenewein soll ebendiesem BVT-Beamten erklärt haben, wie man dem BVT-U-Ausschuss fernbleiben kann – und von ihm geheime Informationen erhalten haben. Gegen Jenewein wird wegen des Verdachts der Anstiftung zum Amtsmissbrauch ermittelt. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Für kurzzeitige Aufregung in der Partei sorgte, dass bei einer Hausdurchsuchung beim früheren Kickl-Vertrauten Jennewein der Entwurf einer Anzeige gegen die Wiener FPÖ gefunden wurde.
Grazer Gier
In Österreichs zweitgrößter Stadt ist die FPÖ an einem Finanzskandal zerbrochen: Mindestens 700.000 Euro an Förderungen sollen in der FPÖ-Graz missbraucht worden sein, mehr als eine Million Euro ist für die Partei nicht mehr zuordenbar. Gegen ehemalige Mitglieder der Grazer FPÖ wird nun wegen des Verdachts des Förderungsmissbrauchs, der Veruntreuung und der Untreue ermittelt. Beschuldigt sind unter anderem Ex-Vizebürgermeister Mario Eustacchio und der frühere Verteidigungsminister und FPÖ-Landesparteiobmann Mario Kunasek. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Aufgrund der Causa haben sich Teile des Grazer FPÖ-Gemeinderatsklubs abgespalten und gehen gegen die Landespartei vor.
Falsche Förderung
Der Verdacht des Missbrauchs von EU-Fördergeldern lenkte die Aufmerksamkeit der Ermittler im Juli 2022 auf die „Agentur für europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung“ (AEI). Der Verdacht: Untreue. Im Aufsichtsrat saßen freiheitliche Funktionäre und schlagende Burschenschafter. Die Geschäftsführerin hatte allerdings ÖVP-Nähe. AEI hat mittlerweile Konkurs angemeldet. Die Ermittlungen laufen, alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.
Gefälschte Nachweise
Während der Corona-Pandemie stellte sich die FPÖ klar gegen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Manche Funktionäre sollen dabei auch Gesetze gebrochen haben. Ein ehemaliger Spitzenpolitiker der FPÖ soll etwa Abnehmer falscher Covid-19-Impfnachweise gewesen sein. Gegen Generalsekretär Christian Hafenecker wird aufgrund gefälschter Covid-Testzertifikate ermittelt. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Herbert Kickl wurde immer wieder wegen Missachtung der Maskenpflicht angezeigt, alle Verfahren wurden allerdings eingestellt beziehungsweise wehrte sich der FPÖ-Chef erfolgreich gegen Verwaltungsstrafen.
Wiederholte Wiederbetätigung
Immer wieder geraten Mitglieder der FPÖ in Konflikt mit dem Verbotsgesetz. Zurzeit wird etwa gegen den Organisator des Akademikerballes, den Wiener FPÖ-Landtagsabgeordneten Udo Guggenbichler, wegen des Verdachts der Wiederbetätigung ermittelt. Auch bei Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit der Grazer Finanzaffäre wurden Datenträger mit nationalsozialistischem Bezug sichergestellt, die einem früheren Parteimitarbeiter und einem Ex-FPÖ-Gemeinderat zugeordnet wurden. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.
Überschrittene Grenzen
Die Freiheitlichen sind bekannt für derbe Bierzeltreden und Verbalattacken unter der Gürtellinie. Manches davon schrammt an der Grenze zum Strafrecht: Ermittlungen gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl wegen einer Beleidigung des Bundespräsidenten wurden nur deshalb nicht aufgenommen, weil das Staatsoberhaupt dafür keinen Anlass sah. Niederösterreichs Zweiter Landtagspräsident Gottfried Waldhäusl (FPÖ) wurde nach Ankündigungen als Asyllandesrat mehrfach wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs angezeigt, fremdenfeindliche Aussagen brachten ihm außerdem Anzeigen wegen des Verdachts der Verhetzung ein. Einige Ermittlungen wurden eingestellt, in einer Amtsmissbrauchs-Causa wurde Waldhäusl in erster Instanz freigesprochen, andere Fälle werden noch untersucht. Waldhäusl bestreitet die Vorwürfe. Die Immunität von FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz wurde – gegen den Protest der FPÖ – im November 2021 aufgehoben, damit die Staatsanwaltschaft klären kann, ob er nach dem Fall der getöteten 13-jährigen Leonie Hetze betrieben hat. Schnedlitz weist den Vorwurf zurück.
Geheime Absprachen
Keine strafrechtlichen Folgen hatte für die FPÖ ein geheimer Sideletter, in denen die Verhandler von ÖVP und FPÖ politische Postenbesetzungen festhielten – auch dort nicht, wo die Regierung eigentlich nichts mitzureden hätte. Publik wurden die Nebenabsprachen durch FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth, der sie der Staatsanwaltschaft als Beweisstück zur möglichen Falschaussage durch Sebastian Kurz vorlegte. Kurze Zeit später wurden auch türkis-grüne Nebenabsprachen publik.