Babler in der Krise: Jetzt spricht der SPÖ-Chef
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Herr Vizekanzler, darf man sich den SPÖ-Vorsitzenden dieser Tage als glücklichen Mann vorstellen?
Andreas Babler
Parteiintern sind wir sehr geschlossen. Wir haben einheitlich entschieden, dieser Regierung beizutreten. Politisch wäre es einfacher gewesen, angesichts der schwierigen Budgetlage in die Opposition zu gehen. Dennoch haben wir uns bewusst entschieden, Regierungsverantwortung zu übernehmen – trotz der schwierigen Situation, in der wir uns befinden.
Um Herbert Kickl nicht die Republik zu überlassen?
Babler
Nein, um das Land aus der Krise zu führen. Dass eine Budgetkonsolidierung nicht populär ist, war uns bewusst. Aber in der DNA der Sozialdemokratie ist die Verantwortung für dieses Land stark verankert. Opposition wäre in so einer Lage einfacher gewesen.
Aber was ist Ihnen in den vergangenen neun Monaten gelungen?
Babler
Etwa die Budgetkonsolidierung. Wir haben im Bund sogar einen kleinen Spielraum erwirtschaftet. Das war nur durch Einsparungen möglich, die für uns alle nicht leicht waren, auch für mich, etwa im Kulturbereich.
Einsparungen zeugen nicht gerade von einer roten Handschrift.
Babler
Sind aber nötig. Zur roten Handschrift: Wir haben als Sozialdemokratie einen echten Paradigmenwechsel durchgesetzt, indem die SPÖ eine Eingriffspolitik in Bereichen durchgesetzt hat, die vor einigen Jahren noch unvorstellbar waren, insbesondere in Hinblick auf die heutigen Koalitionspartner. Die Regierung hat auf unsere Initiative ein Mietpaket für leistbares Wohnen beschlossen. Es gibt Mietpreisdeckel für Altbauwohnungen, Genossenschafts- und Gemeindebauten, jetzt auch eine Preisbremse für ungeregelte Mieten im Neubau und die Verlängerung der Mindestbefristung von drei auf fünf Jahre. Daher werden die Mieten auch erstmals kein Treiber für die Inflation sein.
Wo sehen Sie da einen Paradigmenwechsel?
Babler
Dass Politik endlich wieder eingreift und nicht nur zusieht. Das sieht man auch an unseren Maßnahmen, um die Energiepreise zu senken. Leistbarkeit für die Menschen ist wichtiger als die Dividenden-Einnahmen der Stromkonzerne. Wir stellen die Aktionärsgewinne in den Hintergrund, und schreiben stattdessen das Gemeinwohl in die Satzungen der Konzerne. Die Politik greift wieder ein.
Sie haben also der ÖVP die Marktgläubigkeit ausgetrieben.
Babler
Die Regierung hat ein gemeinsames Ziel und das lautet, die Inflation runterzubringen – bei der Energie, beim Wohnen, bei Lebensmittel, in der Gastronomie.
Was im Vergleich zu Ihrem Mietpreisdeckel die Preise unmittelbar senken würde, wäre eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Diese haben Sie an- und jetzt wieder abgesagt.
Babler
Ich habe immer gesagt, dass das finanzierbar sein muss. Ich möchte nicht dieselben Fehler wie die Vorgänger-Regierung machen und ohne Gegenfinanzierung mit Milliarden herumwerfen.
Die Bürgerinnen und Bürger honorieren die von Ihnen behaupteten Höchstleistungen nicht. In den Umfragen liegen Sie bei 17 Prozent. Bei der Nationalratswahl vergangenes Jahr erreichten Sie 21 Prozent, und das war schon das historisch schlechteste Ergebnis.
Babler
Natürlich ist der Blick auf die Umfragen für niemanden erfreulich, also für die gesamte Koalition nicht. Alle Bevölkerungsgruppen spüren die Sparmaßnahmen, alle müssen etwas beitragen, wie es Finanzminister Markus Marterbauer formuliert hat. Das schadet wenig verwunderlich der Stimmung im Land und bildet sich auch in den Umfragen ab. Außerdem gibt es eine sehr große Grundskepsis, ein hohes Maß an Unzufriedenheit, weil sich viele Bürgerinnen und Bürger von Regierenden nicht mehr vertreten fühlen. In Österreich hatten wir die höchsten Teuerungen, und die Regierungen vor uns haben gesagt, da könne man eben nichts machen.
Das heißt, an den schlechten Umfragen der SPÖ ist die vorige Regierung schuld, aber sicher nicht Andreas Babler.
Babler
Es ist nicht die Frage, wer schuld ist, sondern, was Politik zu erbringen hat. Und da vollbringen wir einen Wechsel. Etwas verkürzt gesagt: Wenn die Teuerung runtergeht, werden die Menschen auch wieder Vertrauen zu den Regierenden fassen.
Also haben Sie keinen Anteil an der schwierigen Lage der SPÖ?
Babler
Ich konzentriere mich darauf, sozialdemokratische Politik umzusetzen. Und ich gehe davon aus, dass mündige Menschen es beurteilen können, wann die Dinge besser werden. Wenn wir ein Wirtschaftswachstum zusammenbringen, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, dann werden die Menschen sehen, dass Politik sich um ihre Lebensrealitäten kümmert.
Wachstum ist nicht in Sicht. Das kann die Regierung jetzt auch nicht herbeizaubern.
Babler
Jeder, der einen Grundkurs in Volkswirtschaft absolviert hat, weiß, dass Budgetkonsolidierungen nicht wachstumsfördernd sind. Die SPÖ bekennt sich zum Sparkurs. Das heißt, Wirtschaftswachstum zu generieren, ist aktuell natürlich eine Herausforderung. Aber wir arbeiten daran.
In der Kanzlerfrage liegen Sie bei 14 Prozent. Sogar die Hälfte der SPÖ-Wähler wünscht Sie sich nicht als Regierungschef. Packen Sie da nicht Selbstzweifel?
Babler
Man achtet immer auf die eigene Performance. Ich würde die Daten zur Kanzlerfrage nicht überbewerten, aber natürlich freut einen der Blick darauf nicht.
Gleichzeitig zählt Ihr Finanzminister Markus Marterbauer zu den beliebtesten Politikern. Sie liegen aber eher am unteren Ende.
Babler
Ich habe ja Markus Marterbauer aus guten Gründen zum Finanzminister gemacht, aufgrund der Expertise, die er mitbringt. Und Umfragen ändern sich monatlich.
Es gibt Beispiele in den Niederlanden, in Griechenland, in Frankreich, wo die Sozialdemokratie praktisch nicht mehr vorhanden ist. Hört man sich in der SPÖ um, nimmt man ebenfalls richtiggehend Existenzängste wahr.
Babler
Früher verorteten die Bürger die Kraft für Veränderung mittig-links. Das hat sich in ganz Europa mittlerweile nach rechts verschoben. Der drohende Niedergang der Sozialdemokratie war ja auch einer der Gründe meiner Kandidatur für den Parteivorsitz. Ich wollte bei diesem Konflikt der beiden entgegenstehenden Blöcke nicht länger zusehen. Im Vergleich zu anderen Ländern in Europa haben wir keinen Absturz hingelegt, sondern uns stabilisiert. Aber die Zielsetzung wäre natürlich schon gewesen, stärker zu werden.
Das heißt, Sie rechnen auch nicht mit einer Gegenkandidatur beim Parteitag im März?
Babler
Es zeichnet sich nicht ab, dass es eine weitere Kandidatur gibt.
Dass der Parteivorstand noch jemanden anderen bringt, schließen Sie aus?
Babler
Das sind Statutendiskussionen. Politisch hat der Parteivorstand die Entscheidung im Herbst getroffen.
Wie geht es Ihnen damit, dass Ex-Bundeskanzler und Ex-SPÖ-Vorsitzender Christian Kern von manchen Medien als Alternative zu Ihnen hochgeschrieben wird?
Babler
Ich habe in machen Medien bereits von vielen verschiedenen angeblichen Alternativkandidaten zu mir gelesen. Ich habe erst kürzlich mit Christian Kern telefoniert, der die Gerüchte auch als absoluten Blödsinn bezeichnet hat.
Haben Sie eine Schmerzgrenze für die Wiederwahl?
Babler
Meine Schmerzgrenze ist die hohe Teuerung. Ich habe also jetzt gerade andere Sorgen, nämlich die wirtschaftlichen und budgetären Herausforderungen, vor denen unser Land steht.
Sie fühlen sich unbestritten als starker Mann der SPÖ?
Babler
Ich spüre in der Partei eine große Zustimmung. Ich habe ein gutes Team, das viel Expertise in die Regierung einbringt. Das ist wichtig für die Sozialdemokratie. Ich habe mit meinem Team vereinbart, dass wir uns neben unseren Amtsgeschäften auch um die Parteiorganisationen kümmern und uns regelmäßig mit Bezirksfunktionären treffen.
Sie nehmen wirklich Zustimmung in der Partei wahr?
Babler
Ja, wir haben eine gute Stimmung, wenn wir in den unterschiedlichsten Parteistrukturen zusammentreffen. Auch meine Kolleginnen und Kollegen in der Regierung berichten, dass die Stimmung sehr gut ist, wenn sie im Land unterwegs sind.
Der Boulevard hat Sie praktisch abgeschrieben. Er schießt aus allen Rohren. Da witzelt die „Kronen Zeitung“ über Spitzenfunktionäre im „BMW“, was für „Babler muss weg“ stünde. „Heute“ will Sie mit Storys wie „Hier spricht Babler Englisch“ vorführen. Und „oe24“ berichtet über Ihre Ablöse durch Kern. Empfinden Sie das als Kampagne?
Babler
Ich bin schon sehr bedacht darauf, das nicht so zu kommentieren.
Weil Sie Angst haben vor dem Boulevard?
Babler
Nein, ich habe keine Angst. Es soll aber nicht der Minister entscheiden, was gute oder schlechte Berichterstattung ist. Ich bemühe mich gerade, eine geordnete Medienförderung aufzustellen. Das ist mein Bestreben als Medienminister. Wir haben alle in Österreich keine guten Erfahrungen gemacht mit einer Politik, die sehr willkürlich über Inserate Politik gemacht hat. Ich will Medien eine treffsichere und nachvollziehbare Grundlage geben, wie sie von der öffentlichen Hand unterstützt werden. Auf die sie sich verlassen können. Mit klaren Qualitätskriterien. Dass es darauf die von ihnen genannten Reaktionen einiger Medien gibt, bringt mich nicht aus dem Konzept.
Wenn Sie mehr auf Qualität setzen, bekommt der Boulevard weniger?
Babler
Ich will hier nicht vorgreifen.
Auch die ÖVP hat schlechte Umfragewerte. Werden beide Parteien so lange durchhalten, bis sie die erhofften Lorbeeren für ihre Reformen ernten?
Babler
Man kann der Regierung sicher nicht ihr Arbeitspensum zum Vorwurf machen. Es ist enorm viel weitergegangen. Der Kampf gegen die Teuerung und die Budgetkonsolidierung gehen aber nicht von heute auf morgen.
Wir schauen von Ihrem Büro in der SPÖ-Parteizentrale aus auf das Wiener Rathaus. Um die Finanzen des roten Wien steht es besonders schlimm, und das von Bürgermeister Michael Ludwig vorgelegte Sparpaket ist beispiellos. Das muss Ihnen im roten Herzen weh tun.
Babler
Wien übernimmt viele Aufgaben für den Rest Österreichs mit. Vom Kulturangebot, das auch andere nutzen, bis zu den Spitälern. Auch deswegen hat es Wien schwerer. Die Kosten steigen in allen Bereichen, besonders für die Gemeinden. Deswegen müssen wir uns alle gemeinsam anstrengen, den Budgetplan einzuhalten.
Niemand hat Wien gezwungen, beispielsweise subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen deutlich mehr Geld auszuzahlen als die anderen Bundesländer. Das hat die Kosten für die Sozialhilfe in die Höhe getrieben.
Babler
Ich werde jetzt sicher nicht über einzelne Ausgaben der Länder diskutieren. Ich will auch nicht näher auf die schwierige Budgetsituation von Bundesländern wie Niederösterreich eingehen. Wir müssen in der Föderalismusdebatte schauen, wer was am besten kann, damit für die Bürger am meisten rauskommt. Die Reform der Gesundheitspolitik zum Beispiel wollen wir aus Sicht der Patienten anlegen.
Dann dürfen wir an Ihr Wahlkampfversprechen erinnern, die Wartezeit auf einen Facharzt-Termin auf 14 Tage zu begrenzen. Davon ist keine Rede mehr. Vielleicht liegt die Schwäche der SPÖ mitunter auch daran.
Babler
Und ich erinnere an völlig unrealistische Wahlkampfansagen anderer Parteien wie eine Senkung von Gewinnsteuern. Wir hätten unsere Pläne mit unserem Steuermodell finanzieren können. Wir sind aber nicht in einer Alleinregierung.
Mit Vermögensteuern, die Sie nicht durchgebracht haben.
Babler
Da gab es einen starken polit-medialen Spin dagegen. Das Thema der Verteilungsgerechtigkeit wurde vom Flüchtlingsthema überlagert.
Eine härtere Flüchtlingspolitik sehen aber auch in Ihrer Partei viele als prioritär an. Das geht so weit, dass sich mehrere Landesparteien an die FPÖ annähern.
Babler
Wer?
Die Kärntner SPÖ schließt eine Koalition auf Landesebene nicht aus.
Babler
In der Bundespartei ist die Beschlusslage völlig klar: Keine Koalition mit der FPÖ.
Und mit dieser Position gehen Sie auch fix in die nächste Wahl?
Babler
Ja, aber die nächste Wahl ist 2029.
Gehen Sie davon aus, dann wieder Spitzenkandidat zu sein?
Babler
Ich arbeite jetzt und führe keine Was-Wäre-Wenn-Debatten.
Sie sind jetzt Kultur-, Medien-, Wohnbau-, Sportminister, Vizekanzler und Parteichef. Mit vielen Pflichtterminen. Kommt die Partei, die wegen der Umfragen verunsichert ist, zu kurz?
Babler
Ich bin richtig viel unterwegs und mache, so denke ich, mehr Parteitermine als so manche meiner Vorgänger. Sie werden auch im Kulturbereich nicht hören, dass ich zu wenig unterwegs bin. Im Gegenteil: Ich höre bei manchen Veranstaltungen, dass ich der erste Kulturminister bin, der bei ihnen vorbeischaut.
Soll der Song-Contest in Österreich abgesagt werden, wenn Israel ausgeschlossen wird?
Babler
Ich will mich da nicht einmischen. Das ist eine Entscheidung unabhängiger Medien in der Europäischen Rundfunkunion. Da tun Politiker gut daran, sich rauszuhalten.
Plant Sportminister Babler einen Skiurlaub?
Babler
Das wird zeitlich schwierig, aber ich versuche es unterzubringen.
Der Nationalsport Skifahren wird zum Luxusgut. Wann kommt der Preisdeckel für Liftkarten?
Babler
Ich habe die Nummer eines bekannten Skilift-Vertreters, der im Nationalrat sitzt. Den Vorschlag können Sie ihm gerne übermitteln.
Werden Sie den Opernball besuchen?
Babler
Mit dieser Frage habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt.
Das ist eigentlich ein Pflichttermin für Sie als Vizekanzler und Repräsentant der Kulturnation.
Babler
Ich werde zeitgerecht entscheiden. Es gibt viele Pflichttermine.
Haben Sie schon einmal einen Frack getragen?
Babler
Smoking ja, Frack nicht.
Gernot Bauer
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.
Clemens Neuhold
ist seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor „Wiener Zeitung“, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.