Österreich

SPÖ-Chefs: Am roten Teppich bergab

Begeistert begrüßt – aber bald viel kritisiert: Früher galt es als Domäne der ÖVP, heute demontiert die SPÖ ihre Parteichefs in Serie. Auch Andreas Babler plagt sich mit den eigenen Genossen, statt Wahlkampf führen zu können. Hinter den Dauerquerelen stehen Grundsatzkonflikte.

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Zumindest in der kleinen Parallelwelt der Presseaussendungen ist die rote Welt noch in Ordnung. Da überschlägt sich die SPÖ geradezu mit Aktivitäten und mit forschen Forderungen, verlangt an einem Tag etwa energisch „Atomwaffen endlich abzuschaffen“, das „Schulstartgeld wieder auszuzahlen“, keine „Schnellschüsse in Sicherheitsfragen“ zu machen, eine „Kinderbildungsoffensive zu starten“, und setzt noch in drohendem Unterton die Warnung hintennach: „Mit Blau-Schwarz sind Superreiche im Schlaraffenland.“ Derartig hyperaktiv-offensiv legt die SPÖ ihren Intensivwahlkampf aber nur im Paralleluniversum der Presseaussendungen an – und die liest kaum jemand.

Auf der großen Politbühne hingegen stolpert die SPÖ, die eigentlich antreten wollte, das Kanzleramt wiederzuerobern, durch eine bemerkenswerte Pleiten-, Pech- und Pannenserie. Das Wahlkampfprogramm, geplant als verheißungsvolle rote Wundertüte, wird verspätet fertig – und alle Inhalte gehen prompt in der geharnischten Kritik von Doris Bures, immerhin als Nummer 2 ein Schwergewicht der Partei, unter. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger muss nach einer hochnotpeinlichen Freunderlwirtschaft-Lügen-Affäre zum Rücktritt gedrängt werden.

Kurz: Parteichef Andreas Babler hat mehr Schwierigkeiten mit der eigenen Partei als mit der politischen Konkurrenz. Er ist der nächste in einer langen Reihe von Parteivorsitzenden, der scheibchenweise von den eigenen Genossinnen und Genossen demontiert wird.

SPÖ-Chef Andreas Babler

Früher war die ÖVP berühmt-berüchtigt dafür, genüsslich ihre Obmänner zu demontieren. Heute hat sie nach dem Höhenflug unter Sebastian Kurz zwar ein dickes Minus bei der Nationalratswahl eingepreist – steht aber ziemlich geschlossen hinter ihrer Nummer 1, Karl Nehammer. Die SPÖ hingegen galt einmal als Meisterin in der Disziplin, zumindest in Wahlkämpfen jede Kritik hinunterzuschlucken und energisch die Wahlkampfmaschine anzuwerfen. Die Zeit ist vorbei, die SPÖ präsentiert sich in der entscheidenden Wahlkampfphase als zerstrittener Haufen, nicht als geeinte Partei.

Dabei war alles ganz anders geplant gewesen. Als der hemdsärmelige Babler im Sommer 2023 die SPÖ übernahm, verbreitete er Leidenschaft und Kampfgeist und schaffte es, so etwas wie Aufbruchsstimmung in der darniederliegenden SPÖ zu erzeugen. Kantiger, lauter, linker sei die SPÖ mit ihm, damit könne man „gut gelaunt in den Straßenwahlkampf starten und auch Nichtwähler ansprechen“, schwärmte SPÖ-Frauenchefin Eva Maria Holzleitner damals fast enthusiastisch. Und sogar die deutsche „Zeit“ feierte ihn als Hoffnungsträger, der „Strategiedebatten in ganz Europa beleben“ könne, weil er „klima- und klassenbewusst zugleich“ sei.

Es waren nur kurze Wochen der leisen Euphorie, die schnell verpuffte. Seither versinkt die SPÖ wieder in der Dauerschleife der Selbstzerfleischung – wie schon unter Bablers Vorgängern. Das wurzelt in mehreren ungelösten Grundsatzkonflikten.

Hauptsache regieren gegen Hauptsache links

Der 9. Jänner 2024 markiert einen Schlüsseltag in den roten Querelen.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin