SPÖ: Doskozil gewinnt Mitgliederbefragung knapp mit 34 Prozent
Untergriffe, Indiskretionen, Lagerbildung. Das Rennen um den SPÖ-Vorsitz lief denkbar chaotisch. Doch immerhin einen Funken an Restdisziplin haben sich die Sozialdemokraten offenbar bewahrt: Denn die Ergebnisse der Mitgliederbefragung sickerten nicht vorab durch. 148.000 Parteimitglieder waren aufgerufen, sich zwischen der amtierenden Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner und ihren beiden Herausforderern zu entscheiden: Dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler.
Nun steht das Ergebnis fest, es wurde von der Leiterin der Wahlkommission, Michaela Grubesa, im Wiener Novotel im Zehnten Bezirk verlesen. Über 100.000 Mitglieder haben abgestimmt, die Wahlbeteiligung lag bei über 70 Prozent. Und das Votum fiel denkbar knapp aus: 33,68 Prozent votierten für Doskozil, 31,51 Prozent für Babler und 31,35 Prozent für Rendi-Wagner.
Rendi-Wagner hatte angekündigt, dass sie sich aus der Politik zurückziehen wird, sollte sie nicht Erste werden. Anders Andreas Babler: Er betonte wiederholt, er wolle sich auf dem Parteitag einer Stichwahl stellen. Fraglich ist allerdings, ob Babler von der Wahlkommission als zweiter Kandidat beim Bundesparteitag am 3. Juni in Linz zugelassen wird.
Der Poker scheint sich für Hans Peter Doskozil ausgezahlt zu haben. Der burgenländische Landeshauptmann nötigte die SPÖ quasi zu einer Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz und die Basis entschied sich tatsächlich für ihn. Noch ist aber eine Hürde am Weg zu Vorsitz und Spitzenkandidatur zu überwinden, droht ihm doch eine Gegenkandidatur Andreas Bablers beim Parteitag kommende Woche.
Doskozil - er wird heuer 53 - hat nicht die klassische Ochsentour durch die Partei gemacht, sondern bei der richtigen Gelegenheit zugegriffen, als es um den politischen Aufstieg ging. Im Süden des Burgenlands aufgewachsen trat er nach der Matura der Polizei bei und arbeitete sich dort bis zum Landespolizeidirektor seines Heimatbundeslandes hoch, wobei hierfür eine zwischenzeitliche Tätigkeit als Büroleiter des damaligen Landeshauptmanns Hans Niessls durchaus hilfreich gewesen sein dürfte.
Doskozils Fleiß war schon damals bekannt. Neben seinem Dienst bei der Exekutive absolvierte er berufsbegleitend ein Jus-Studium, kommunalpolitisch war er im Gemeinderat seiner Heimatgemeinde Grafenschachen aktiv. Doskozils erste große politische Stunde war mit einer Tragödie verbunden, dem Tod dutzender Flüchtlinge in einem Lastwagen auf der A4. Der Landespolizeidirektor agierte betroffen wie umsichtig und schaffte sich über die eigenen Bundesland-Grenzen hinweg Anerkennung. Dies galt umso mehr, als er unmittelbar danach den Flüchtlingsstrom 2015 in Nickelsdorf souverän managte.
Dass Doskozil somit zu einem Vertreter der viel zitierten "Willkommenskultur" geschrieben wurde, wirkt heute einigermaßen kurios. Der Landeshauptmann firmiert mittlerweile parteiintern als Rechtsausleger in Sachen Zuwanderung und macht etwa ein rigides Staatsbürgerschaftsrecht im innerparteilichen Wahlkampf zu einem seiner Schwerpunktthemen.
Werner Faymann war auf Doskozil in der Flüchtlingskrise aufmerksam geworden und holte ihn als Verteidigungsminister in seine Bundesregierung. Der Neo-Ressortchef fremdelte mit seiner neuen Rolle keine Sekunde und schaffte sich im Ministerium schnell Freunde, umso mehr als er für das Heer mehr Geld herausholte und auch für dessen Image so einiges tat.
Als sich die SPÖ aus der Regierung verabschieden musste, ging es zurück in die Heimat. Niessl kürte Doskozil zu seinem Kronprinzen. Den Umweg als Landesrat über das Finanzressort hatte er noch zu überstehen, ehe ihn die Landespartei 2018 zuerst an ihre Spitze und im Frühling darauf in den Landeshauptmann-Sessel hob. Dieser schon paktierte Wechsel holte ihn damals auch aus dem Rennen um Christian Kerns Nachfolge als SPÖ-Vorsitzender. Dass er seither in regelmäßigen Abständen gegen Pamela Rendi-Wagner polemisierte und Kurs-Korrekturen einforderte, sahen viele als Hinweis, dass Doskozil eigentlich schon damals die Parteiführung ergattern hätte wollen.
Doskozil tröstete sich nolens volens mit der Rolle im eigenen Land und ging es forsch an. Anstellung pflegender Angehöriger, Energieautarkie, Mindestlohn, höchste Ärztegehälter usf. Der Landeshauptmann schaffte es, Schlagzeilen im und für das Burgenland zu machen. An diesem Programm für das Burgenland soll nun gleich das ganze Land genesen, war dann auch der Sub-Text der Doskozil-Kampagne um den Parteivorsitz.
Gegenwind war ihm schon bisher reichlich egal, auch wenn er aus den eigenen Reihen kam, wie die Gewerkschaft in Sachen Mindestlohn oder bezüglich seiner Forderung nach Abschaffung der Österreichischen Gesundheitskasse zu spüren bekam. Erst in den vergangenen Wochen machte er Richtung der Gewerkschaft wieder etwas freundlichere Nasenlöcher, während Doskozil den Streit mit der Wiener Landespartei eher kultivierte, ist doch Wien-Bashing in der SPÖ derzeit durchaus en vogue. Dies könnte freilich beim Parteitag mit der delegiertenstarken Stadtpartei noch zum Problem werden.
Doskozil wird enormes Selbstbewusstsein nachgesagt, umso mehr seit er 2020 im Burgenland die absolute Mehrheit bei den Wahlen abholte. Gegenwind hat man in seinem Umfeld nicht allzu gerne. Die Bevölkerung scheint das zumindest im Burgenland eher wenig zu kümmern, auch die Commerzialbank-Affäre überstand Doskozil letztlich unbeschadet. Viel mehr gefällt es den Burgenländern, dass man etwa mit der "Schlagernacht" und Alfons Haider als Generalintendant etwas Glamour ins Land bekommen hat. Dass Doskozil aus dem rigiden Coronakurs der Bundespartei das ein- oder andere Mal ausscherte, wird ihm auch nicht geschadet haben.
So gemütlich würde es im Bund für den mit einer Deutschen verheirateten Vater von zwei Kindern aus einer früheren Ehe nicht werden, sollte er den SPÖ-Vorsitz am Parteitag erklimmen. Neben der Befriedung der eigenen Partei würde es auch noch gelten, den Wähler zu überzeugen. Dass Umfragen nahe legen, mit ihm an der Spitze am besten in andere Wähler-Lager wirken zu können, war möglicherweise sein entscheidendes Atout bei der Befragung. Seine Stimmprobleme aufgrund mehrerer Kehlkopf-Operationen haben die eigene Basis offenkundig nicht gestört.