SPÖ & ÖVP: Ziemlich beste Feinde
Eine ganz normale Woche in der Koalition kann so aussehen: Der ÖVP stößt die "Inszenierung“ von SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern sauer auf. Für Kanzleramtsminister Thomas Drozda ist der Regierungspartner eine "Übung in Zen-Buddhismus“. Innenminister Wolfgang Sobotka moniert, Kern "verwechsle das Florett mit der Keule“. ÖVP-Generalsekretär Werner Amon findet, "Kern spielt die Gouvernante“. Kern selbst urgiert "Umgangsformen“. Derartige normale Wochen häufen sich seit Anfang Februar, als die Regierung auf der Kippe stand und sich dann doch auf ein neues Arbeitsprogramm einigte. Der viel beschworene Neustart glückte nur kurz, seither setzt es wieder Dauerattacken. Ziel-1-Gebiet der ÖVP mit 25 Angriffen seit Anfang Februar ist Kern; als ziemlich bester Feind der SPÖ firmiert Wolfgang Sobotka.
Das zeitigt Wirkung: 58 Prozent halten den Neustart der Regierung in der profil-Umfrage für nicht oder sicher nicht gelungen. Dennoch verlangt mit 70 Prozent eine überwältigende Mehrheit, die Koalition solle bis Herbst 2018 weiterarbeiten und keine Neuwahlen herbeiführen. Das wird knifflig, hapert es doch nicht nur am Atmosphärischen, auch inhaltlich geht es seit der Einigung auf ein neues Programm nur zäh voran. Immerhin kamen die schier endlosen Gespräche über die Schulautonomie am Freitag zu einem Ergebnis. Die Verhandlungen über die Kürzung der Familienbeihilfe für EU-Ausländer hingegen stocken, ebenso wie jene über ein neues Versammlungsrecht (Stichwort: Auftrittsverbot für ausländische Politiker und Demonstrationsrecht) und den Mindestlohn von 1500 Euro. Bei der Abschaffung der sogenannten kalten Progression im Steuersystem sind sich SPÖ und ÖVP zwar im Prinzip einig, das Finanzministerium pocht aber auf eine stärkere Entlastung von höheren Einkommen.
Kern in Kanzlerfrage klar voran
Wem nützt der Dauerzwist? SPÖ-Chef Christian Kern verliert in der fiktiven Kanzlerfrage zwar leicht, liegt aber mit sehr deutlichem Abstand auf Platz eins, FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache ist abgehängt, der Rest sowieso. Würde sich das ändern, sollte Sebastian Kurz für die ÖVP antreten? Viele Konjunktive, eine Antwort: aller Wahrscheinlichkeit nach ja. 22 Prozent geben an, unter Kurz die ÖVP sicher wählen zu wollen, mehr als ebenso viele sagen: eher ja. Ein beachtlicher Wert, der das Potenzial von Kurz zeigt.
In der Sonntagsfrage schwächelt die FPÖ weiter, SPÖ und ÖVP verringern den Abstand. Woran liegt das? Auf die Frage von Unique-Research für profil, ob SPÖ und ÖVP mit ihrer restriktiven Politik in Flüchtlings- und Zuwanderungsfragen der FPÖ das Wasser abgraben, antwortet rund die Hälfte der Befragten mit Ja. Spannend hier die Detailanalyse: Vor allem SPÖ- und ÖVP-Anhänger vertreten diese Meinung.
Mit Gewissheit lässt sich sagen: Das Rennen um Platz eins ist völlig offen.
Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 12 vom 20.3.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.