SportsDirect: Unternehmen lässt einen Mitarbeiter überwachen
Herr Dominik ist nervös. Der große, durchtrainierte 42-Jährige zappelt mit den Beinen, wippt auf dem Sessel. "Neulich habe ich in einem Lokal wieder geglaubt, dass mich jemand mit seinem Handy filmt und mein Gespräch mitschneidet“, sagt er. Herr Dominik fühlt sich beschattet, verfolgt und überwacht. Dafür gibt es einen stichhaltigen Grund: Er wurde beschattet, verfolgt und überwacht - und zwar von einem Privatdetektiv, den sein Arbeitgeber engagiert hatte.
Herr Dominik will seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen, aber unbedingt seine Geschichte erzählen. Denn: "Diese Praktiken gehören abgestellt“, sagt er und blättert in der Dokumentation der Detektei. Diese ist eine Beilage im Arbeitsgerichtsprozess, den Herr Dominik gegen seinen Arbeitgeber, die Sporthandelskette SportsDirect, führt. Kommende Woche wird verhandelt, vordergründig geht es um die Frage: Wurde Herr Dominik zu Recht fristlos entlassen? Dahinter steht aber die prinzipielle Frage: Wie weit dürfen Unternehmen bei der Überwachung ihrer Mitarbeiter gehen? Wo endet das legitime Kontrollinteresse, und wo beginnt die schützenswerte Privatsphäre? Ist der Einsatz von Detektiven zulässig? Und: Was dürfen diese Detektive? Konkret: Ist es erlaubt, an Privatautos von Mitarbeitern GPS-Ortungsgeräte anzubringen?
Auf 29 Seiten ist in dem "streng vertraulichen“ Bericht des Detektivs detailliert und mit Fotos untermauert nachzulesen, was Herr Dominik (im Detektivjargon: "die Zielperson, kurz ZP“ genannt) zwischen 28. Oktober 13 Uhr und 2. November 17.36 Uhr unternahm. Manches davon beweist ungewollt, aber eindrucksvoll, dass die Arbeit von Detektiven manchmal auch wesentlich weniger nervenzerfetzend ist als gemeinhin angenommen, etwa:
11.37 Uhr: Die ZP trifft an der Adresse ein und öffnet den Kofferraum.
11.41 Uhr: Die ZP fährt wieder weiter.
11.46 Uhr: Die ZP kreist zwei Mal, um vermutlich einen Parkplatz zu finden.
Mit besonderer Verve und sehr vielen Fotos werden Gasthausbesuche beschrieben. Das hat einen speziellen Hintergrund: Der Detektiv wurde engagiert, um Herrn Dominik genesungswidriges Verhalten nachzuweisen. Das ist kein Einzelfall: Unternehmen haben immer wieder den Verdacht, dass Mitarbeiter ihren Krankenstand nur simulieren und die Zeit ohne Arbeit genüsslich auskosten. Um das zu beweisen, werden gelegentlich Detektive engagiert. So weit, so legitim, denn Krankenstandsmissbrauch wäre in der Tat ein Anlass für eine fristlose Entlassung. Bei Herrn Dominik ist die Sachlage kompliziert: Er hatte Filialen geleitet und war, mit kurzen Unterbrechungen, seit Jänner wegen eines Burn-outs im Krankenstand. Für Anfang November hatte er seinen Wiedereintritt in die Firma angekündigt - unmittelbar davor begann die Überwachung.
29. Oktober, 14.15 Uhr: Die ZP und die Begleitung steigen aus dem Fahrzeug und begeben sich zu Fuß ins nahe gelegene Lokal.
14.25 Uhr: Ein Detektiv folgt der ZP ins Lokal. (…) Eine Zeit lang steht die ZP rechts neben den anderen, um mit den sogenannten "Bierdeckeln“ zu hantieren.
Rechts vor der ZP ist ihr Bierglas abgestellt.
Die ZP trinkt aus dem Bierglas.
Das leere Bierglas ist auf der Theke zu erkennen.
Die ZP trinkt ein weiteres Bier.
15.23 Uhr: Die ZP verlässt alleine das Lokal und begibt sich zu ihrem Fahrzeug.
Durfte Herr Dominik das? Das wird im Arbeitsgerichtsprozess der Arzt beurteilen. Nicht bei jeder Krankheit wird Bettruhe verordnet, im Gegenteil: Manchmal kann Stubenhocken sogar kontraproduktiv sein. Markus Schapler, der Rechtsschutzsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, der Herrn Dominik vertritt, hat eine klare Meinung: "Bei Burn-out muss man unter die Leute und soll sich nicht verkriechen - schon gar nicht, wenn der Krankenstand kurz vor dem Ende steht. Niemand kann quasi direkt aus dem Bett wieder in die Arbeit einsteigen.“
Herr Dominik bekam jedenfalls Anfang November, prompt nach seinem Wiedereintritt in die Firma, die fristlose Entlassung auf den Tisch.
Mit ähnlicher Akribie wurde ein Halloweenfest beobachtet (siehe Faksimile), zu dem Herr Dominik seine Kinder gebracht hatte. Der Besuch im Gesundheitszentrum der Wiener Gebietskrankenkasse hingegen erschien den Detektiven offenbar weniger spannend - er wird recht lapidar abgehandelt. Dabei ist der Besuch entscheidend: Herr Dominik ließ sich dort auch offiziell wieder gesundschreiben. Dafür werden die Schwierigkeiten des Detektiv-Daseins erörtert:
Da die ZP aufmerksam ist und ihr nicht ständig unmittelbar gefolgt werden kann, ohne aufzufallen, wurde etwas Abstand zur ZP gehalten. Durch verkehrsbedingte Umstände (Baustellenverkehr) wird die ZP aus den Augen verloren.
Derartige Kalamitäten hatten die Detektive allerdings offenbar vorausgesehen. Denn gleich am Anfang des Überwachungsprotokolls findet sich für den ersten Tag der Eintrag:
Ein GPS Gerät wird am Zielfahrzeug Mitsubishi schwarz angebracht.
Für Gewerkschaftssekretär Schapler ist die Sachlage hier sonnenklar: "Ein GPS heimlich auf einem Privatauto anzubringen, ist eindeutig rechtswidrig. Wir werden Schadenersatzansprüche prüfen.“ Er hat, gerade wegen des Zeitpunkts der Überwachung, den Verdacht, "dass SportsDirect nur Vorwände sucht, Mitarbeiter loszuwerden“. In der Tat fiel das Unternehmen (ehemals Sports Eybl) seit der Übernahme durch britische Eigentümer durch eigenwillige Aktionen auf: So waren im vergangenen Herbst eigene Mitarbeiterhosen geplant - und zwar ohne Hosentaschen, offenbar, um Diebstählen vorzubeugen. Nur die Managerhosen hätten auch Taschen gehabt. Diese Dienstkleidung kam nach Protesten des Betriebsrats nicht, der schlechte Ruf blieb.
Ein GPS heimlich auf einem Privatauto anzubringen, ist eindeutig illegal
Thomas Bittermann, der Österreich-Geschäftsführer von SportsDirect, will zum Einsatz des GPS-Gerätes nur sagen: "Wir geben zu anhängigen Verfahren generell keine Kommentare ab. Einzig eine allgemeine Bemerkung: Was machen Sie als Dienstgeberin mit einem Arbeitnehmer, der ein Jahr in Krankenstand ist - und Sie Hinweise erhalten, dass der Arbeitnehmer es sich dabei recht gut gehen lässt?“
Rechtfertigt das aber, das Auto des Mitarbeiters mit einem GPS auszustatten? Der betroffene Privatdetektiv beantwortet diese Frage eindeutig mit Ja: "Es ist für den Überwachten ein geringerer Einbruch in die Privatsphäre, wenn ich sein Auto drei Tage mit dem GPS-Sender versehe - sonst wäre der Observationszeitraum wesentlich länger und intensiver.“ Zusatz: "Natürlich ist die Beobachtung mit dem GPS auch kostengünstiger.“ Letzter Satz: "Wenn ein Gericht entscheiden sollte, dass der Einsatz von GPS illegal ist, werden wir es natürlich nicht mehr einsetzen.“
Das wird Herrn Dominik allerdings nicht mehr viel helfen.