Steiermark-Wahl: Ausgangslage, Ziele und Chancen der Parteien
Ein halbes Jahr vor dem regulären Termin wählen am 24. November die Steirer ihren Landtag. Vorgezogen wurde die Wahl in ÖVP-FPÖ-Zusammenspiel, unter grüner Mitwirkung - und gegen den Willen des bisherigen ÖVP-Partners SPÖ. Holt sich die ÖVP, wie erwartet, Platz 1 zurück, könnte es auch zum Koalitionswechsel kommen.
Schon vor der Wahl 2015 war der Proporz abgeschafft und die Landesregierung "frei" verhandelt worden - aber damals taten die rot-schwarzen "Reformpartner" schon vor der Wahl kund, dass sie zusammenbleiben würden. Was sie trotz herber Verluste auch taten. Franz Voves, der mit der SPÖ noch knapp Platz 1 halten konnte, trat jedoch zurück - und übergab den Landeshauptmannposten an Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Wohl auch, um Schwarz-Blau im Lande zu verhindern - hatte doch die FPÖ mit einem Rekordergebnis zu den beiden Traditionsparteien aufgeschlossen.
Denn in der damaligen Wahl straften die Wähler die "Reformpartner" wegen ihrer teils tiefen Einschnitte ab - und die FPÖ profitierte massiv nicht nur vom Ärger darüber, sondern auch vom damals schon anschwellenden Flüchtlingsstrom.
Heuer haben sich die Vorzeichen geändert: Laut den Meinungsforschern ist es fix, dass die Steiermark wieder wird, was sie die längste Zeit - bis 2005 - war, nämlich schwarz dominiert. Die FPÖ wird nach Ibizagate, Spesenskandal und zuletzt der steirischen "Liederbuchaffäre" den Rekordstand nicht halten können. Die Grünen können mit einem guten Plus rechnen. KPÖ und NEOS müssen zittern, ob sie dem nächsten Landtag angehören. Voraussetzung ist dafür in der Steiermark ein Grundmandat, und das schaffen kleine Parteien am leichtesten im Wahlbezirk Graz und Umgebung.
Ausgangslage, Ziele und Chancen der Parteien, die am 24. November für den steirischen Landtag kandidieren:
SPÖ
Platz 1 zu verteidigen und Schwarz-Blau zu verhindern hat sich SPÖ-Spitzenkandidat Michael Schickhofer (39) für seine erste Wahl als Ziel gesetzt. Im Bemühen, den LH-Sessel zurückzuholen, präsentiert er sich als jung-dynamische Alternative zum ÖVP-Landeschef. Laut den Meinungsforschern muss sich die SPÖ aber darauf einstellen, deutlich hinter der ÖVP Zweite zu werden. Und sich vielleicht auch aus der Landesregierung verabschieden zu müssen, wenn ÖVP und FPÖ zusammengehen. Die Umfragewerte der SPÖ stiegen zwar seit dem Sommer, aber auch zuletzt wurden nur 24 bis 26 Prozent ausgewiesen. Womit Schickhofer seine Ziele zwar nicht erreicht - aber immerhin nicht die für den Falles SPÖ-Ergebnisses wie bei der Nationalratswahl (21,2 Prozent) angekündigten "Konsequenzen" ziehen müsste. An einer solchen Marke war sein Vorgänger gescheitert: 2015 blieb die SPÖ zwar 2015 Erste, aber mit 29,3 Prozent unter den von Franz Voves selbst vorgegebenen 30 Prozent - und damit übergab er den Parteichef an Schickhofer und den Landeshauptmann an die ÖVP. Dabei war die SPÖ unter Voves erfolgreich wie nie zuvor: Der Quereinsteiger holte sich 2005 Platz 1, verteidigte ihn 2010 und 2015. Mit der ÖVP fand er nach gehässigem Hauen und Stechen (angesichts starker Zugewinne der Blauen 2010) den Weg zur harmonischen "Reformpartnerschaft". Deren tief greifende Reformen - u.a. Gemeindezusammenlegungen - missfielen jedoch den Wählern: Nach einem Rekordplus über die (zuletzt 1981 erreichte) 40er-Marke ging es bergab. 2015 rasselten die Regierungsparteien auf den historischen Tiefststand hinunter. Schickhofer wird diese 29,3 Prozent wohl noch unterbieten - und Platz 1 verlieren. Denn die ÖVP eilt unter Bundeschef Sebastian Kurz von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, während Schickhofer auch aus dem Bundespartei scharfer Gegenwind ins Gesicht weht. Bei der Nationalratswahl am 29. September wählte nicht einmal mehr ein Fünftel der Steirer - 19,23 Prozent - rot. Und SPÖ-Kernland war die Steiermark trotz Hochburgen in Industriegebieten ohnehin nie: Für sehr viel mehr als Voves' 41,7 Prozent im Jahr 2005 hatte es nie gereicht, 44,7 Prozent waren 1970 ihr bestes Ergebnis in dem die längste Zeit ÖVP-dominierten Land.
ÖVP
Eine prächtige Ausgangslage für die Wahl hat hingegen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer: Er kann - getragen von der bundesweiten ÖVP-Erfolgswelle - davon ausgehen, die 14 Jahre lang rote Steiermark wieder schwarz zu färben (will er sich doch "keine türkise Krawatte" umbinden). Seine Ansage "Meine Zeit ist beendet, wenn ich nicht Erster werde" war gefahrlos - verheißen ihm die Meinungsforscher doch satte Zugewinne und Platz 1. Schwierig werden könnte für Schützenhöfer jedoch die Koalitionssuche. Er wird wohl (wenn es eine Zweier-Kombi sein soll) zwar zwischen SPÖ und FPÖ wählen können. Aber sein Verhältnis zum SPÖ-Chef ist nicht das beste. Und mit dem FPÖ-Chef hat er zwar eine "ordentliche Gesprächsbasis". Aber die im Wahlkampf aufgebrochene "Liederbuchaffäre" hat eine Koalition mit den Blauen nicht leichter gemacht. Jedenfalls wird Schützenhöfer die ÖVP aus dem 2015 eingefahrenen historischen Tief (28,5 Prozent) herausbringen; in den Umfragen kam die ÖVP auf bis zu 35 Prozent. Das wird ihr erstes Plus seit 2000: Damals legte Waltraud Klasnic um sensationelle 11,05 Prozentpunkte zu - ehe 2005 die ÖVP nicht nur im Stimmenanteil (wie schon 1953), sondern erstmals auch in Mandaten hinter die SPÖ zurückfiel. Schützenhöfer übernahm daraufhin die Partei, schloss ein Übereinkommen mit der SPÖ und begnügte sich mit der Rolle des Landeshauptmann-Stellvertreters. Die blieb ihm auch 2010 noch - aber 2015 stieg er zum Landeshauptmann auf. Dies obwohl auch die ÖVP für die "Reformpartner"-Maßnahmen abgestraft wurde und Zweite blieb. Aber Voves trat zurück und übergab den LH-Sessel Schützenhöfer - auch aus Freundschaft. Die verscherzte sich der ÖVP-Chef jetzt, als er gegen den Willen der SPÖ zusammen mit FPÖ und Grünen den Wahltermin um ein halbes Jahr vorzog - angesichts guter Umfragewerte und des erwarteten Siegs bei der Nationalratswahl. Da legte die ÖVP auch in der Steiermark stark zu, um 7,4 Punkte auf 38,9 Prozent - Erste war sie ohnehin schon 2017. Auch im Landtag kann die ÖVP jetzt wieder mit der dominierenden Rolle rechnen, die sie die längste Zeit hatte. Ergebnisse wie im Westen gab es in der Steiermark jedoch nie: Nur in vier der 17 Wahlen reichte es für eine schwarze Absolute, 53,0 Prozent im Jahr 1945 war der beste Wert.
FPÖ
Beim Wahlziel zurückstecken musste FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek. Angesichts der Turbulenzen im Bund - Stichwort Ibizavideo und Spesenaffäre - und der schweren Einbußen bei der Nationalratswahl hatte der ins Land heimgekehrte Ex-Verteidigungsminister schon davon Abstand genommen, Platz 1 als Devise auszugeben. Und aus "mehr als 20 Prozent" und Platz 2 vor der SPÖ wurden zuletzt - angesichts der neuen "Liederbuchaffäre" - "um die 20 Prozent". Unverändert peilt Kunasek allerdings die Landesregierung. Laut den Meinungsforschern könnten es etwas unter 20 Prozent werden - und Platz 2 wäre eine Überraschung. In seiner ersten Wahl war Kunasek nah dran: Dank Ärger über Gemeindezusammenlegungen sowie aufgrund ihres Anti-Ausländer-Kurses holten die Blauen damals mit dem Rekordplus (16,1 Punkte) ihren Topwert von 26,8 Prozent - und rückte SPÖ und ÖVP nah wie nie zuvor. Auch heuer sahen die Umfragen zunächst nicht allzu schlecht aus - und so stieß Kunasek im August die Vorverlegung der Landtagswahl an. Dass dies vielleicht keine allzu gute Idee war, sah man an der Nationalratswahl: Da rasselte die FPÖ in der Steiermark um fast elf Punkte auf 18,5 Prozent hinunter; auch bei der Vorarlberg-Wahl Mitte Oktober verlor sie fast zehn Prozentpunkte. Selbst wenn die Abstrafung bei der Landtagskür nicht so harsch ausfällt, könnte sich Platz 2 nur ausgehen, wenn es für die SPÖ - die dieses Duell bei der NR-Wahl gewann - sehr schlecht liefe. Allerdings war die Steiermark immer ein gutes Pflaster für die Blauen. Bei der Nationalratswahl 2013 war sie sogar die stärkste Partei im Lande, 2017 noch Zweite. Auf Landtagsebene gab es gleich zu Beginn weit über zehn Prozent für die FPÖ, auch seit 1991 regelmäßig - mit einem Einbruch nur während Schwarz-Blau im Bund. Damals flog die FPÖ mit 4,6 Prozent sogar aus dem Landtag. So drastisch wird es jetzt nicht kommen. Um die Verluste zu begrenzen, setzte Kunasek wieder auf die 2015 bewährte Strategie und warnte beständig vor einem neuen Flüchtlingsstrom. Aber selbst wenn die FPÖ ihre alte Stärke nicht hält, könnte sie die SPÖ aus der Landesregierung verdrängen - wenn die ÖVP es will.
GRÜNE
Auftrieb gebracht hat die Nationalratswahl den Grünen auch in der Steiermark. So gab Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl schließlich - nach einem zuvor schlichten "stärker werden" - letztlich "die Zweistelligkeit knacken" als Wahlziel aus. Das dürfte sich wohl ausgehen, sagen die Meinungsforscher - und auf Nationalratsebene ist es den Grünen im Lande nicht nur heuer (mit 13,0), sondern auch 2013 (10,6) schon gelungen. Bei den Landtagswahlen blieben sie allerdings meist unter den Erwartungen. Der Einzug in die Landesregierung (in der sie derzeit in vier Ländern sitzen) war in der Steiermark nie ein Thema. Und dürfte es auch diesmal mangels Mehrheit nicht werden. Die Meinungsforscher rechnen allerdings mit einem deutlichen Plus - und somit wird Krautwaschl in ihrer ersten Wahl gleich ein Rekordergebnis einfahren. Denn die 6,7 Prozent im Jahr 2015 waren schon die höchste Zustimmung, die die Grünen in der Steiermark je hatten. Zuvor pendelten sie zwischen vier- und fünfeinhalb Prozent. Mit Ausnahme der Wahl 1991 konnten sie sich - nach dem ersten Einzug 1986 - aber immer im Landtag halten, dies vor allem dank ihrer Hochburg Graz, wo sie regelmäßig das nötige Grundmandat holten. Nach dem mäßigen Erfolg 2015 - mit Lambert Schönleitner - setzen die Grünen heuer auf die Umwelt-Vordenkerin und "Öko-Aktivistin" Krautwaschl. Die Autorin des Buches "Plastikfreie Zone" lebt selbst weitgehend plastikfrei - und verkörpert quasi das auch als Landtagswahl-Schwerpunkt erkorene grüne Erfolgsthema Klimaschutz.
KPÖ
Die KPÖ zittert nunmehr schon zum dritten Mal um den Verbleib im Landtag - in dem sie 2005 österreichweit einzigartig ein Comeback feierte. Geschafft hatte dieses "steirische Phänomen" der höchst beliebte Grazer Wohnbaustadtrat Ernst Kaltenegger - mit einem Sensationsergebnis von 6,3 Prozent und dem dritten Platz. Das konnten seine Erben zwar so nicht halten, aber auch mit Nachfolgerin Claudia Klimt-Weithaler gelang es, sowohl 2010 als auch 2015 das Grazer Grundmandat zu verteidigen - und mit 4,4 bzw. zuletzt 4,2 Prozent im Landtag zu bleiben. Auch heuer kämpft Klimt-Weithaler wieder um den Erhalt der zwei Mandate - und die Meinungsforscher halten dies nicht für ausgeschlossen. Bei der Nationalratswahl gab es für die KPÖ in der Steiermark zwar nur 1,3 Prozent - aber das lässt keine Schlüsse auf die Landtagswahl zu. Immerhin stimmt aus Sicht der steirischen KPÖ die Richtung - denn sie legte am 29. September zu, wenn auch nur um 0,2 Prozentpunkte.
NEOS
2015 noch klar - mit nur 2,6 Prozent - gescheitert, können NEOS heuer hoffen, endlich auch den Landtag zu erobern. Da es in der Steiermark keine landesweite Prozent-Hürde gibt, ist dafür ein Grundmandat nötig. Das können NEOS im Wahlkreis Graz und Umgebung schaffen: Bei der Nationalratswahl holten sie dort fast doppelt so viele Stimmen wie für ein Landtags-Mandat nötig sind - und insgesamt legten sie in der Steiermark um 2,1 Punkte auf 7,1 Prozent zu. Den Spitzenkandidaten haben sie ausgewechselt: Mit Physikstudent Nikolaus "Niko" Swatek - der 2017 schon den Grazer Gemeinderat eroberte - setzen die Pinken zum Sprung in ihren sechsten Landtag an. Im Burgenland (das im Jänner wählt), Kärnten und Oberösterreich haben sie es noch nicht geschafft.