Schon in seiner Rede im März 2023 hat Karl Nehammer Österreich zum Autoland erklärt. Oberösterreich ist neben der Steiermark aufgrund seiner Automobilindustrie das Kfz-Bundesland schlechthin. Ist das nicht retro?
Thomas Stelzer
Oberösterreich ist ein Pendlerland, Autos werden gebraucht, um das tägliche Leben zu organisieren. Ich bin froh, dass wir stark im Automotiv-Bereich sind. Im BMW-Motorenwerk in Steyr sind die Entwicklung und Fertigung der E-Antriebe angesiedelt. Die Autohersteller denken aber schon an neue Technologien, das müssen wir unterstützen.
Besteht die Dienstwagenflotte des Landes Oberösterreich aus BMW-Fahrzeugen?
Thomas Stelzer
Aus verschiedenen Marken, das läuft über Ausschreibungen. Aber mein Dienstwagen ist ein BMW. Natürlich will ich zeigen, dass wir stolz sind auf dieses Werk.
Haben Sie im Fuhrpark des Landes auch chinesische Autos?
Thomas Stelzer
Noch nicht, aber Anbieter chinesischer Autos beteiligen sich an Ausschreibungen. Wenn es rechtlich geht, bin ich aber dafür, europäische Hersteller zu nehmen.
Der Kanzler will eine „Europe-first“-Initiative starten, um europäische Unternehmen gegenüber asiatischen zu stärken. Das ist nicht gerade Marktwirtschaftsdenken.
Thomas Stelzer
Solche Initiativen wären nicht notwendig, wenn alle Staaten für eine freie Marktwirtschaft eintreten würden, und nicht wie China staatlich eingreifen.
Auch in Oberösterreich sind chinesische Investoren willkommen. Der Leitbetrieb FACC, der Komponenten für den Flugzeugbau herstellt, hat einen chinesischer Kernaktionär.
Thomas Stelzer
Es ist ein wichtiges Unternehmen für das Land. Unter den chinesischen Eigentümern hat FACC am Standort Oberösterreich investiert. Es läuft gut.
Auch die Migration ist in Nehammer Rede ein großes Thema. Der Bundeskanzler ortet Zuwanderung ins österreichische Sozialsystem? Gibt es diese?
Thomas Stelzer
Während der Flüchtlingskrisen war zu sehen, dass ein paar wenige europäische Länder, darunter Österreich, große Lasten übernehmen mussten, weil so viele Flüchtlinge zu ihnen kamen. Daher muss man hier restriktiv sein.
Auch das Innenministerium ist schon sehr lang in ÖVP-Hand. Offenbar hat der Kampf gegen irreguläre Migration nicht funktioniert, auch nicht unter einem Innenminister Nehammer.
Thomas Stelzer
Das hat mit dem Asylwesen in der EU zu tun, das nicht ausreichend gut gemanagt wird. Allerdings gab es in letzter Zeit Durchbrüche. Das konsequente Auftreten von Bundeskanzler Nehammer und Innenminister Gerhard Karner in Brüssel war ein wichtiger Beitrag.
Wollen Sie Migranten auch erst fünf Jahre nach der Zuwanderung Zugang zu Sozialleistungen ermöglichen?
Thomas Stelzer
Ich halte das für eine gute Idee. Um echte Flüchtlinge müssen wir uns kümmern und zwar so lange, bis diese Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren können.
Sind Sie wie Nehammer auch dafür, Flüchtlinge mit Sach- statt Geldleistungen zu unterstützen?
Thomas Stelzer
Prinzipiell ja, da muss man sich im Detail anschauen, wie es wirkt. Man darf aber nicht nur auf die Situation bei Flüchtlingen schauen. Eine gesteuerte Wirtschaftsmigration ist weiterhin notwendig.
Die Rot-Weiß-Rot-Card soll diese bewerkstelligen, funktioniert aber auch seit Langem nicht.
Thomas Stelzer
Im Vorjahr haben wir einen deutlichen Zuwachs bei Rot-Weiß-Rot-Cards registriert. Die Suche der Unternehmen nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird uns noch lange begleiten.
Karl Nehammer widmet sich in seiner Rede dem Gendern. Wie wird denn in der oberösterreichischen Landesverwaltung gegendert?
Thomas Stelzer
Wir haben einen Ratgeber für den öffentlichen Dienst. In den meisten Fällen wird die weibliche und männliche Form benutzt wie „Bürgerinnen und Bürger“. Das ist die einfachste und beste Variante. Sprache funktioniert nur gemeinsam, man sollte daher nicht extrem viele neue Formen einführen.
Ist das Gendern tatsächlich so ein Thema oder nur eine Phantomdebatte der ÖVP? Sind Sie je darauf angesprochen wurden?
Thomas Stelzer
Durchaus. Wir versuchen, das mit Hausverstand zu regeln.
Was heißt denn „Hausverstand“? Kann man das in drei Sätzen umreißen?
Thomas Stelzer
Dass die Regeln, die wir für unser Zusammenleben brauchen, einfach sind; dass sie von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert werden und nicht zu einer Art Geheimwissenschaft werden.
Wie oft essen Sie Fleisch?
Thomas Stelzer
Stelzer: Regelmäßig.
Schnitzel, Autoland, Kritik am Gendern, Härte gegenüber Migranten. Mit der Rede von Karl Nehammer rückt die ÖVP weiter nach rechts, weg aus der Mitte.
Thomas Stelzer
Was soll an einem Schnitzel rechts sein? Mit unseren Werten bewegen wir uns als Volkspartei in der Mitte der Gesellschaft. Politik ist dann gut, wenn sie auf Fragen, die die Bürgerinnen und Bürger bewegen, Antworten gibt. Karl Nehammer tut das.
Man könnte das auch als Populismus bezeichnen, wenn man dem Volk vor allem aufs Maul schaut.
Thomas Stelzer
Für das Volk da zu sein, ist kein Populismus. Man darf sich aber auch nicht als Obergscheitl aufführen, der den Menschen erklärt, wie sie leben sollen.
Alles, was Nehammer in seinem Österreichplan präsentiert, ist eine inhaltliche Absage an den grünen Regierungspartner.
Thomas Stelzer
Der Bundesparteiobmann der ÖVP präsentiert Lösungsvorschläge für die großen Probleme der Zeit, das ist das eine. Das andere ist das Regierungsprogramm der schwarz-grünen Koalition, das in weiten Teilen erfolgreich umgesetzt wurde.
Ihre Bilanz der schwarz-grünen Regierungsarbeit ist also positiv?
Thomas Stelzer
Die Regierung hat in schwierigen Zeiten viel umgesetzt, vom Pandemie-Management bis zur Steuerreform. Natürlich gibt es auch viel Wirbel. Was mir am Wiener Parkett nicht gefällt, ist das ständige Aufeinander-Losgehen und die aggressive Stimmung.
Auch innerhalb der Koalition?
Thomas Stelzer
Das ist unabhängig von Parteien. Die Leute wenden sich ab.
Nehammers Rede kann auch als Einladung an die FPÖ zur Zusammenarbeit verstanden werden. Die inhaltliche Schnittmenge zwischen Schwarz und Blau ist groß.
Thomas Stelzer
Erst wird gewählt, und danach wird man sehen, mit wem man Lösungen finden kann.
Wäre die FPÖ ein Partner? In Oberösterreich hat die ÖVP seit 2015 Jahren ein Arbeitsübereinkommen mit den Freiheitlichen.
Thomas Stelzer
Wir müssen uns auf die Nationalratswahl konzentrieren. Die Partnersuche folgt danach. In Oberösterreich funktioniert die Zusammenarbeit mit der hiesigen FPÖ sehr gut.
Ist es nicht eine Selbsttäuschung von Ihnen, der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, dass es regionale FPÖs gibt, in Oberösterreich etwa die FPÖ von Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner. Tatsächlich gibt es nur eine FPÖ, und ihr Obmann heißt Herbert Kickl.
Thomas Stelzer
In Oberösterreich haben wir uns mit der FPÖ auf ein gemeinsames Programm geeinigt und arbeiten mit den verantwortlichen freiheitlichen Kollegen seit einigen Jahren gut zusammen.
Was unterscheidet die Haimbuchner-FPÖ von der Kickl-FPÖ im Bund?
Thomas Stelzer
Es ist ein Unterschied im persönlichen Zuschnitt. Was den FPÖ-Bundesparteiobmann betrifft, gibt es eine klare Haltung der ÖVP.
Wenn Herbert Kickl bei Reden in Oberösterreich gegen den Bundeskanzler und die ÖVP flegelt, sitzt Manfred Haimbuchner in der ersten Reihe und klatscht:
Thomas Stelzer
Kickls Verhalten ist auch der Grund, warum ihn die ÖVP als Partner ablehnt. Für mich zählt, was wir im Land machen.
Es bleibt dabei: Die ÖVP wird Kickl nicht zum Bundeskanzler machen?
Thomas Stelzer
Karl Nehammer hat sich klar positioniert.
Würde die ÖVP einen Vizekanzler Kickl akzeptieren?
Thomas Stelzer
Nehammers Aussage ist klar.
Wann wählen wir? Sie gelten als Gegner von vorgezogenen Wahlen.
Thomas Stelzer
Mein Zugang ist, dass man die Periode, für die man gewählt ist, auch abdient.
Warum liegt die ÖVP dermaßen schlecht in den Umfragen?
Thomas Stelzer
Weil es ein europäisches Phänomen ist, dass den Regierenden viel Skepsis entgegenschlägt. Es wird viel erwartet, gleichzeitig entlädt sich viel Kritik. Ein Regierungschef muss daher mit Ruhe klare Ansagen liefern.
Die Krise ist auch hausgemacht. Die U-Ausschüsse und Gerichtsverhandlungen schaden der ÖVP.
Thomas Stelzer
Natürlich. Nehammer hat einen ordentlichen Rucksack zu tragen. Umso bemerkenswerter ist es, wie gut er seine Aufgabe macht.
Wer sind denn die „normalen Menschen“, von denen der Bundeskanzler so gern spricht?
Thomas Stelzer
Das sind diejenigen, die mit ihren Familien ihr eigenes Leben gestalten und möglichst viel erreichen wollen. Die aber auch bereit sind, sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Die sich sagen: Ich lebe gern hier und tue etwas für meine Heimat.
Bei der Eröffnungsfeier zur europäischen Kulturhauptstadt Bad Ischl wurde von einer Gruppe nackter Darsteller der so genannte „Pudertanz“ aufgeführt. Dies hat viel öffentlichen Wirbel verursacht. Wie hat Ihnen als Kulturreferent der Landesregierung diese Einlage gefallen?
Thomas Stelzer
Es ist nicht die Aufgabe der Politik, den Oberintendanten zu spielen. Es gilt die Freiheit der Kunst. Mir persönlich muss ja nicht alles gefallen.
Die FPÖ nannte den Pudertanz „einen obszönen Schaulauf der linksalternativen Kulturschickeria“.
Thomas Stelzer
Kunst bedeutet auch, sich weiterzuentwickeln und auf Diskussionen einzulassen. Da müssen verschiedene Sichtweisen erlaubt sein.