Stift Klosterneuburg: Bernhard Backovsky kirchenrechtlich „ermahnt“
Größeres Aufsehen sollte offenbar vermieden werden. Die Untersuchung durch einen „unabhängigen Kirchenrechtler“ sei nun abgeschlossen, verlautete das Stift Klosterneuburg am Mittwoch. Und: Langzeit-Propst Bernhard Backovsky handelte sich eine „kirchenrechtliche Monitio (Ermahnung)“ ein.
Die Gründe bleiben vage. Zwar wird auf die „Feststellung von Versäumnissen zur Unterbindung des Vorkommens bzw. der späteren Aufarbeitung von Missbrauchsfällen sowie sexuellen Fehlverhaltens von Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern des Stiftes seitens der damaligen Stiftsleitung“ verwiesen.
Um welche konkreten Versäumnisse es geht, darüber verschweigt sich das Kloster der Augustiner Chorherren – ganz so, als wäre es eine lässliche Kleinigkeit, dass der Propst, der dem vielleicht reichsten Stift in Europa ein Vierteljahrhundert lang vorstand und zum Generalabt der Augustiner Chorherren aufgestiegen war, am Ende seines Wirkens einräumt, nun „klarer und bewusster“ zu sehen, für „meine Versäumnisse aufrichtig um Verzeihung“ bitten muss und sich darüberhinaus „für eine angemessene Zeit aus der Gemeinschaft des Konvents zurückziehen“ muss, um dem „Aufbruch der Stiftsgemeinschaft“ Raum zu geben.
Es ist ein unrühmlicher Abgang und so wenig normal, wie vieles im Stift Klosterneuburg in diesen Monaten und Jahren. Backovskys „Monitio“ ist eine Demontage, die reichlich spät, aber nicht aus heiterem Himmel kommt. In dem Kloster vor den Toren Wiens geht es seit Jahren rund: 2017 hatte profil nach gemeinsamen Recherchen von Johannes Heibel, Gründer der deutschen "Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen e. V." und der "Mainpost"-Reporterin Christine Jeske einen Missbrauchsfall öffentlich gemacht, der zwar lange zurücklag, aber den verantwortungslosen Umgang der Kirche mit Tätern in den eigenen Reihen beispielhaft vor Augen führte.
Der Missbrauchsfall, der den Stein ins Rollen brachte
Ein junger Augustiner Chorherr aus Deutschland hatte 1993 einen minderjährigen Messdiener mit Alkohol beschwipst gemacht und sexuell bedrängt. Novizenmeister und damit für den Ordensnachwuchs zuständig war damals der spätere Propst Bernhard Backovsky. Das Missbrauchsopfer erhielt inzwischen einen Geldbetrag als Geste der Wiedergutmachung.
Der übergriffige Ordensbruder musste 1993 die Gemeinschaft in Klosterneuburg verlassen. Er lebte aber weiter in einer Wohnung in Wien, die dem Stift gehört. 1996 wurde Backovsky zum Propst gewählt. Kurze Zeit später wurde der Ordensmann – profil nannte ihn M., um seine Identität zu schützen – in Rumänien in einer eiligen Zeremonie zum Priester geweiht. Ohne Fürsprecher wäre das kaum möglich gewesen. profil berichtete über Hinweise, der frisch gekürte Propst des Stiftes Klosterneuburg könnte ihm behilflich gewesen sein. Das Stift hatte dies stets vehement bestritten. M. bekam eine Pfarre in Deutschland und verging sich hier an einem Elfjährigen.
Mangelhafte Aufarbeitung
Ende 2017 betraute das Stift Klosterneuburg eine Expertenkommission mit der Aufarbeitung der Akte M. Von ihrem Bericht wurden nur 14 Seiten publik. Fazit: Es hätten sich "strukturelle Mängel" gezeigt; viele Vorwürfe seien nicht nachzuvollziehen; Backovsky treffe persönlich keine Verantwortung. In den Empfehlungen, die dem Kapitelrat der Augustiner-Chorherren ausgehändigt wurden, sahen es die Experten anders. Die im Stift "verantwortlichen Personen haben in der Vergangenheit keinen adäquaten Umgang mit Missbrauchsvorwürfen" gefunden, heißt es hier wörtlich. Damit waren Backovsky und einige andere für den Nachwuchs verantwortliche Chorherren gemeint.
Laut Aussage eines ehemaligen Chorherren, der in Deutschland Pfarrer geworden war, habe Backovsky sich seinerzeit in einem Schreiben für den mutmaßlich pädophil veranlagten M. verwandt. Auch das hat das Stift all die Jahre bestritten. Wie der übergriffige Ordensbruder danach ausgerechnet in der armen rumänischen Diözese, die auch von finanziellen Zuwendungen aus Klosterneuburg lebte, zu unverhofften Priesterweihen kam, ließ sich nie klären. Trotz intensiver Recherchen und Nachfragen.
Unter scharfer Beobachtung von Rom
Im Mai 2020 legte Propst Backovsky sein Amt zurück. Rom schickte einen Visitator und bestellte im Oktober des Vorjahres einen Delegaten für das Kloster. Der deutsche Kurienbischof Josef Clemens soll den Weg aus der Krise weisen. Im Vatikan ist er kein Unbekannter, schließlich war er für 19 Jahre die rechte Hand von Joseph Kardinal Ratzinger, des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation und späteren Papstes Benedikt XVI. Der 74-Jährige reiste seither alle paar Monate in Klosterneuburg an.
Als seine Augen und Ohren vor Ort fungiert Maximilian Fürnsinn, 81, Ex-Abt aus Herzogenburg Darauf allein scheint Clemens sich aber nicht verlassen zu haben. Der Delegat im Auftrag Roms betraute den Justitiar des Bistums Fulda mit erneuten Recherchen. Dieser meldete sich auch bei ehemaligen Chorherren in Deutschland, die damals Ordensbrüder des übergriffigen M. waren. Einer davon war Pfarrer Michael Imlau. Profil besuchte Imlau vor einigen Wochen in Hamburg. Dabei kamen auch offene Fragen in der Missbrauchscausa M. zur Sprache. Und der ominöse Brief Backovskys, dessen Existenz vom Stift stets vehement bestritten worden war.
Imlau erzählte profil, er habe dem Justitiar eidesstattlich erklärt, den Brief seinerzeit mit eigenen Augen gesehen zu haben. Auch der angebliche Empfänger des Schreibens, Pfarrer Ewald Scherr, der ebenfalls zur selben Zeit wie M. im Stift Klosterneuburg war, unterschrieb eine entsprechende eidesstattliche Erklärung, wie er profil auf Nachfrage bestätigte.
Was genau im Bericht des Untersuchungsrichters steht, ist zwar nicht zu erfahren. Man lehnt sich aber vermutlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man aus der jüngsten, dürren Erklärung des Stiftes den Schluss zieht, dass man in Rom – anders als all die Jahre in Klosterneuburg – nicht restlos davon überzeugt ist, dass Langzeit-Propst Backovsky alles richtig gemacht hat. Im Sinne eines echten Neuanfangs wäre der Ordensgemeinschaft zu wünschen, dass zumindest intern wirklich alle Fakten auf den Tisch kommen.