Interview
Strache: „Im Nachhinein ist man immer gescheiter"
Heinz-Christian Strache will zurück in die Politik. Zum zweiten Mal. Im Interview spricht er über sein Verhältnis zur FPÖ, die ORF-Chats und sein Treffen mit Jan Marsalek.
Von Daniela Breščaković und Julian Kern
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Auf Facebook schrieben Sie vor drei Wochen: "Wenn ich loslasse, was ich bin, werde ich, was ich sein könnte. Wenn ich loslasse, was ich habe, bekomme ich, was ich brauche." Ging es dabei um Ihre Kandidatur bei der Wien-Wahl? Loslassen können Sie von der Politik offensichtlich nicht.
Heinz-Christian Strache
Das ist ein philosophischer Satz. Beim Loslassen ist es oft so, wenn man etwas gehen lässt, kommt es häufig wieder zurück. 2020 sind wir mit dem Team HC Strache in Wien angetreten und leider gescheitert. Nach Auszählung der Wahlkarten lagen wir bei 3,27 Prozent und haben seitdem versucht, uns besser aufzustellen.
Warum soll das klappen? Auf Facebook schrieben Sie auch: "Träume groß und traue dich zu versagen." Zuversichtlich klingt das nicht.
Strache
Das Leben ist ein permanenter Entwicklungsprozess. Wichtig ist, wenn man hinfällt, dass man wieder aufsteht. Wenn man groß träumt, hat man auch die Chance, etwas zu erreichen. In der Zwischenzeit habe ich die Aussöhnung mit meiner FPÖ-Familie gesucht. Das ist meine Wertegemeinschaft, aus der ich im Dezember 2019 leider ausgeschlossen wurde.
Hat die Aussöhnung geklappt?
Strache
Bis jetzt nicht. Aber die FPÖ ist meine politische Heimat. Obwohl mich der Ausschluss damals ziemlich getroffen hat, wäre es jetzt nach viereinhalb Jahren, nachdem auch viele falsche Vorwürfe aufgeklärt wurden, an der Zeit, wieder zusammenzufinden.
Würde Sie die FPÖ zurücknehmen, wäre das Team HC Geschichte?
Strache
Ich habe immer die Hand ausgestreckt. Ich bleibe in der freiheitlichen Wertegemeinschaft, das ist der vernünftige Weg.
Herbert Kickl und Norbert Hofer haben Sie abmontiert. Was halten Sie von Kickl?
Strache
Er macht einen guten Job. Inhaltlich hat er sicherlich in vielen Bereichen die richtigen Positionen eingenommen und auch ein Alleinstellungsmerkmal. Das kommt ihm eindeutig zugute, neben der großen Frustration über die Bundesregierung. Herbert Kickl hat es geschafft, das Potenzial aus den Umfragen bis dato zu halten. Wichtig ist es, diese Umfragen auch ins Ziel zu bringen.
Halten Sie Kickl für radikal?
Strache
Nennen Sie mir ein Beispiel, wo er zu radikal sein soll.
Die Identitären Bewegung nennt er etwa eine NGO von rechts und "ein unterstützenswertes Projekt". In Deutschland wird die Bewegung vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft.
Strache
Ich kann seine Argumentation und Position verstehen, wenn er sagt, dass das eine NGO von rechts ist. Solange sie sich im rechtsstaatlichen Rahmen befindet, ist das auch in Ordnung und korrekt. Das muss in einer Demokratie legitim sein.
Einig sind Sie sich offenbar auch beim ORF. Sie verfolgten rabiate Pläne mit dem ORF. "Wrabetz weg", "Thür verhindern", "Gabalier auf Ö3" sind ein paar Auszüge Ihrer Chats, die kürzlich im profil erschienen sind. Gleichzeitig haben Sie Rot-Schwarz jahrelang Postenschacher vorgeworfen. Kaum waren Sie in der Regierung, haben Sie sich gleich verhalten.
Strache
Es ist völlig normal eine Meinung zu haben und sie mit Mitstreitern im privaten Rahmen, in diesem Fall per Handy, zu artikulieren. Wir haben immer geschaut, dass die Personen, die wir vorgeschlagen haben, keine Parteimitglieder sind. Philipp Jelinek ist als Bürger auf mich zugekommen und sagte damals zu mir: "Du bist Sportminister, da könnten wir was machen, ich hätte einige Überlegungen."Ich habe ihn dann vorgeschlagen, aber ich weiß nicht mehr wem. Daraufhin ist das Erfolgsformat 'Fit mit Philipp' entstanden. Das ist das Ureigenste, was ein Sportminister machen sollte.
Ich glaube, es ist die Aufgabe eines Politikers, Personen vorzuschlagen, die qualifiziert sind. Das halte ich für legitim.
Sich bei Personalfragen im ORF einzumischen?
Strache
Ich glaube, es ist die Aufgabe eines Politikers, Personen vorzuschlagen, die qualifiziert sind. Das halte ich für legitim.
Warum haben Sie, nachdem die Chats veröffentlicht wurden, nicht auf die Anfrage von profil reagiert?
Strache
Weil ich nicht auf alle Anfragen reagiere, da habe ich beruflich Besseres zu tun.
Kommen wir zu einem anderen aktuellen Thema: dem Spionagefall rund um Egisto Ott. Wie gut kennen Sie Ott?
Strache
Gar nicht. Ich kenne auch seinen ehemaligen Vorgesetzten Martin Weiss nicht, der offenbar auch Thema in den Ermittlungen ist. Das ist eine unglaubliche Geschichte, wenn man sich ansieht, welche Verbindungen diese Herrschaften offenbar mit Jan Marsalek hatten. Auch im Zusammenhang mit den Handys, die in die Donau gefallen sind.
Laut Johann Gudenus sollen Sie zu Marsalek sehr wohl Kontakt gehabt und ihn ab Ende 2017 mehrfach getroffen haben.
Strache
Nein, das ist falsch. Gudenus hat mir Marsalek im Jahr 2017 ohne, dass wir einen Termin vereinbart hatten, in mein Büro gebracht. Er hat angerufen und gesagt, dass er unbedingt mit mir sprechen muss, weil er einen Vorstand aus einer DAX-Firma hat, den er mir vorstellen möchte. Dann ist er ins Büro gekommen und hat mir Marsalek vorgestellt.
Worum ging es im Gespräch?
Strache
Marsalek hat mir sein Projekt erklärt, wonach er an der Südgrenze Libyens die EU unterstützen will, damit dort Grenzen gesichert werden und Flüchtlinge, die über die Südgrenze Libyens hereinkommen, in Aufnahmezentren kommen und dann eine Berufsausbildung erhalten. Ich habe mir das angehört und gedacht, gut, wenn die EU das unterstützt. Aber das war ja gar nicht der Fall, wie ich im Nachhinein erfahren habe. Ich kann bis heute nicht nachvollziehen, welchen Sinn dieses Gespräch hatte, außer, dass Gudenus – offenbar im Auftrag vom Marsalek – gesagt hat, dass der mich kennenlernen möchte.
Danach gab es keine weiteren Termine mit Marsalek?
Strache
Nein, es gab keine weiteren Termine.
Bleiben wir bei Russland. Seit zwei Jahren führt das Land Krieg gegen die Ukraine. Bereuen Sie es im Nachhinein, dass die FPÖ mit Ihnen als Parteichef einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei "Einiges Russland" unterzeichnet hat?
Strache
Die Partei hat ihn ja beendet. Ich glaube, im Nachhinein ist man immer gescheiter.
Gleichzeitig hat das keine andere Partei so offen zur Schau gestellt, wenn wir uns an das Foto von Norbert Hofer, Harald Vilimsky, Johann Gudenus und Ihnen erinnern.
Strache
Wir waren dort, um eine Vereinbarung für einen laufenden Gedankenaustausch unter Abgeordneten zu unterschreiben. Wir hatten dort unser Treffen und waren in der Duma.
Obwohl auch die Krim zu diesem Zeitpunkt schon von Russland annektiert war.
Strache
Wie man heute hört, haben Strategen schon allfällige Friedensmöglichkeiten besprochen. Da könnte die Krim möglicherweise in Zukunft ein Teil Russlands sein.
In Russland lebt mittlerweile die ehemalige Außenministerin Karin Kneissl, die auf Telegram von einem schönen Leben unter Putins Diktatur spricht. War es ein Fehler, sie zu nominieren?
Strache
Ich halte Karin Kneissl für eine unglaublich intelligente Person, die eine tolle, diplomatische Ausbildung hat. Nach dem Rücktritt hat man ihr aber jede Lebensgrundlage genommen: Auftrittsverbot an allen Universitäten, offenbar wollte man ihr von geheimdienstlicher Seite den Mietvertrag in Frankreich kündigen, sie soll keine Bankkonten mehr bekommen haben... Das alles hat dazu geführt, dass sie Europa verlassen und ein Angebot in Russland bekommen hat. Ich hätte das nicht gemacht an Ihrer Stelle.
Hat Kneissl österreichische Interessen verraten?
Strache
Nein, mit Sicherheit nicht. Es ist legitimes Recht, egal wo man ein Berufsangebot bekommt, dieses anzunehmen.
Aber Russland ist eine Autokratie.
Strache
Ich glaube, dass sie die Entscheidung, dort zu leben, aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände getroffen hat.
Kneissl spielt auch in den Chats eine Rolle. Darin geht es um Sicherheitskosten für ihre Hochzeit. Hat die FPÖ mitgezahlt?
Strache
Ich weiß nur, dass ich mich dafür eingesetzt habe, weil wahnsinnig viele freiheitliche Mitglieder bei der Hochzeit dabei waren und natürlich auch extra Kosten entstanden sind, die meiner Ansicht nach nicht ihr allein aufzubürden gewesen sind. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das übernommen wird. Ob das passiert ist, weiß ich nicht.
Zu Ihnen persönlich. Am 11. Jänner haben Sie zu rauchen aufgehört. Wie läuft es bis jetzt?
Strache
Das war ein Versuch, der nur ein paar Wochen angehalten hat. Im Februar hat es einen traurigen Umstand gegeben, das Ableben meiner Mutter. Am Begräbnis habe ich dann leider Gottes den Rückfall gehabt. Aber ich weiß zumindest, dass ich es schaffen kann, und ich werde es wieder versuchen.
Ein anderer Laster ist Ihre Liebe zu "Clash of Clans". Sie sollen dafür bis zu 3000 Euro pro Monat ausgegeben haben – bezahlt mit der FPÖ-Kreditkarte. Spielen Sie das Spiel immer noch?
Strache
Diese Behauptung ist falsch. Ich habe weniger und alles privat bezahlt und ja, ich spiele das Spiel noch manchmal mit meinem großen Sohn.
Jetzt wollen Sie wieder in die Politik. Wer soll den Wahlkampf finanzieren? Auf Facebook schrieben Sie, Sie seien am "Rand des Ruins", haben um Spenden gebeten. Wie viel Geld ist da eingegangen?
Strache
Ja, ich habe einen Spendenaufruf gemacht. Das war nach dem Urteil der ersten Instanz, wo ich nicht rechtskräftig schuldig gesprochen wurde und vier Wochen Zeit hatte, den Einspruch finanziell sicherzustellen. In dieser Phase hat die WKStA meine letzten Ersparnisse – also rund 70.000 Euro – eingefroren. Ich war auf einmal zahlungsunfähig. Dank einiger Einzelspender konnte ich ein Gutachten und auch die Anwaltskosten in der Frist sicherstellen. Damit ist dann auch der Einspruch erfolgt und letztlich haben wir einen rechtskräftigen Freispruch erhalten.
…und dann kam die Scheidung. Haben Sie Schulden?
Strache
Seit viereinhalb Jahren, angesichts der gesamten Kosten, die man für Anwälte aufzubringen hat, war das natürlich eine existenzielle Belastung. Das geht sich ohne Schulden nicht aus. Das Traurige ist, dass man selbst, wenn man alle Verfahren gewinnt, keinen Kostenersatz bekommt.
Ist das Geld der Grund, weshalb Sie wieder in die Politik wollen?
Strache
Nein, ich habe das Ziel, mit meinen wirtschaftlichen Tätigkeiten so viel zu verdienen, dass ich von politischen Geldern nicht abhängig bin. Selbst mit einem politischen Gehalt können Sie die Kosten, die ich in den viereinhalb Jahren hatte, nicht decken.
Ex-Kanzler Sebastian Kurz wurde wegen Falschaussage im U-Ausschuss verurteilt. Weitere Ermittlungen, etwa in der Inseratenaffäre laufen. War die türkis-blaue Regierung korrupt?
Strache
Das ist ja keine rechtskräftige Verurteilung, die mit Korruption zu tun hat, sondern mit einer Begrifflichkeit. Meiner Meinung nach war diese Regierung nicht korrupt. Ich weiß natürlich nicht, was die ÖVP im Hintergrund da oder dort noch gemacht hat.
Wann haben Sie das letzte Mal mit Kurz gesprochen?
Strache
Es gab einen unternehmerischen Schnittpunkt, über den ich aber auch gar nicht reden darf aufgrund der Vertraulichkeit. Es gab ein Unternehmensprojekt, wo ein Unternehmer den Kontakt zu ihm gesucht hat.
Und Sie haben vermittelt?
Strache
Ich habe den Kontakt hergestellt, ja.
Womit rechnen Sie nach der kommenden Nationalratswahl? Wird die ÖVP Kickl zum Kanzler machen?
Strache
Ich habe den Eindruck, dass sich alle anderen Parteien gegen Herbert Kickl stellen werden. Dass die ÖVP versucht, den zweiten Platz vor der SPÖ zu erreichen und dann eine ÖVP-SPÖ-Koalition zimmert, vielleicht mit den Neos als drittem Partner.
Ihr ehemaliger Leibwächter hat behauptet, sie würden Glücksbringer tragen, wie ein Urin-Amulett und eine geweihte Messingschale. Auch bei der Wien-Wahl 2025?
Strache
Ich habe diese Glücksbringer nicht verwendet, das ist eine falsche Behauptung. Ich habe auch keine Reißnägel in den Schuhen oder sonst etwas in der Unterhose. Ich bin jemand, der gern mit Meditation arbeitet oder Yoga macht. Ich setze mich auch mit der stoizistischen Philosophie auseinander.
Haben Sie eine Lieblings-Yogaübung?
Strache
Nein, aber die buddhistische Metta-Meditation gefällt mir sehr gut. Es spricht mich sehr an, dass man dort mit seinem Inneren in eine Aufarbeitung geht.
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Daniela Breščaković
ist seit April 2024 Innenpolitik-Redakteurin bei profil. War davor bei der „Kleinen Zeitung“.
Julian Kern
ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.