Innenminister Herbert Kickl, Verkehrsminister Norbert Hofer, Bundesparteiobmann Heinz Christian Strache

Strache, Kickl & Hofer: The Good, The Bad and The Friendly

Seit einem Jahr bestimmen die Herren Strache, Kickl und Hofer in Österreich mit. Endlich an der Macht, nutzen sie diese unterschiedlich: Strache genießt, Kickl strapaziert, Hofer vermehrt sie.

Drucken

Schriftgröße

In der FPÖ kursiert ein Jahr nach der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 eine leicht spöttische Lesart der Geschehnisse: Von den angetretenen Spitzenkandidaten seien nur noch zwei übrig - und die säßen in der Regierung. Zwar übersieht man dabei Peter Pilz, aber mit Christian Kern (SPÖ), Matthias Strolz (NEOS) und Ulrike Lunacek (Grüne) sind der Innenpolitik tatsächlich drei Kandidaten abhanden gekommen. Die FPÖ präsentiert sich dagegen als Kraftlackl mit stabilen Umfragewerten. Bei der Wahl vor einem Jahr gaben 1,3 Millionen Österreicher ihre Stimme den Freiheitlichen. Die Blauen kamen damit auf 26 Prozent und lagen um nur 45.000 Stimmen hinter der zweitplatzierten SPÖ (26,9 Prozent). Generalsekretär Herbert Kickl zeigte sich am Wahlabend als glücklicher Mann: "Zufrieden ist ein Hilfsausdruck, für den Zustand, den ich gerade erlebe." Der knapp gescheiterte Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer dachte an die Wähler: "Ihre Hoffnungen zu erfüllen, ist nun unsere Aufgabe." Und Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache brachte das neue blaue Selbstbewusstsein auf den Punkt: "Die FPÖ ist seit heute ein großer politischer Faktor."

Was sich schon am Wahlabend abzeichnete, wurde kurz vor Weihnachten Gewissheit. Die FPÖ trat in eine Koalition unter Führung von Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz ein. Strache stieg zum Vizekanzler und Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport auf. Herbert Kickl wurde Bundesminister für Inneres. Norbert Hofer übernahm das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie.

Seit der Abspaltung des BZÖ durch Jörg Haider 2005 bestimmt das Trio die Geschicke der FPÖ: Strache als Frontmann; Kickl als Organisator; Hofer als Mister Nice. Sie entstammen derselben Generation. Strache ist 1969 geboren, Kickl 1968, Hofer 1971. Drei Männer im - wie man so sagt - besten Alter, die noch einiges vor und vor sich haben. Was sie bisher zustande brachten - und was nicht.

THE GOOD

Heinz-Christian Strache verzichtet seit August aufs Bier. Die Kilos purzeln. Einem Sportminister sollte das Hemd über dem Bauch nicht spannen. Strache war schon bei den Koalitionsverhandlungen klar, dass er ein pflegeleichtes, aber öffentlichkeitswirksames Ressort übernehmen werde. Bereits im April hatte er eine große Reform der hiesigen Sportstrukturen angekündigt. Erste Ergebnisse der neuen "Sportstrategie Austria" versprach er für den Sommer. Bisher blieben diese aus. Strache zu profil: "Mir als Sportminister war die Qualität der Ergebnisse ein Anliegen, auch wenn ich in Kauf nehmen musste, dass sich die Präsentation dadurch verzögerte, da manche Themen intensiver erarbeitet werden mussten." Ende November würden sieben Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse präsentieren.

Aus den Dach- und Fachverbänden sind kritische Stimmen zu hören. So heißt es, die Reform werde allein von Kabinett und Ministerium ohne wirkliche Einbindung der Sportverbände entwickelt. Überdies sei Strache zwar voller Elan angetreten, kenne sich in der Tiefenstruktur des heimischen Sportwesens allerdings noch nicht so recht aus.

Vizekanzler Strache

Umso rascher erfolgen die Auswechslungen in der Sportsektion des Ministeriums. Der langjährige Sektionschef geht, als möglicher Nachfolger gilt Straches stellvertretender Kabinettchef. Die Ministerialbürokratie wächst: Aus den bisherigen fünf Abteilungen der Sportsektion werden sechs. Die Begründung des Sportministeriums: "In der Vergangenheit wurden viele wichtige Kompetenzen weg von der Sektion in andere Sektoren ausgelagert. Diese bisher ausgelagerten Kompetenzen werden nun zurück in die Sektion geholt." Beim Studium der Beilagen zum Bundeshaushalt 2018/2019 fällt auf, dass die Planposten im Sportbereich um bis zu 30 Stellen erhöht werden sollen. Im Sportministerium kommt man auf eine andere Zahl. Dort heißt es: "Um den gesellschaftlichen Stellenwert des Sports in Österreich zu erhöhen, sowie Österreich wieder hin zu einer Sportnation zu entwickeln, war es notwendig, zwölf weitere Planstellen zu schaffen." Die zusätzlichen Posten für den Sportminister Strache stehen freilich im Widerspruch zu den Ankündigungen des Beamtenministers Strache, Personal im öffentlichen Dienst abzubauen und "nur jede zweite oder dritte freiwerdende Stelle nachbesetzen zu wollen".

Die Reform des Sportwesens ist eine leichte Übung im Vergleich zum geplanten neuen Dienst- und Besoldungsrecht für die 132.000 Staatsbeamten. Erste Erfahrung im Umgang mit der hartgesottenen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst wird Strache bei den am 22. Oktober startenden Lohn- und Gehaltsverhandlungen sammeln. GÖD-Chef Norbert Schnedl: "Für uns ist klar, dass alle Kolleginnen und Kollegen vom Wirtschaftsaufschwung profitieren müssen. Das heißt, es muss für alle ein deutliches und nachhaltiges Lohnplus geben."

Dank seines stressfreien Ressorts bleibt Strache genug Zeit zur Selbst- und Parteivermarktung. Man merkt dem FPÖ-Chef an, wie gern er nach 13 Jahren Brachialopposition den Good Guy spielt; dass es ihm Genugtuung verschafft, wenn er von Prominenz und Semi-Prominenz aus Kultur und Sport nach jahrelanger Distanz auf einmal hofiert wird. Ohne Geld kein Sport - und das Geld (137 Millionen Euro Förderung) hat jetzt Strache.

THE BAD

Herbert Kickl wird am 19. Oktober 50 Jahre alt. Größere Festlichkeiten sind nicht geplant. Als FPÖ-Generalsekretär wurde Kickl als strategisches Genie gehandelt. Als Innenminister ist er aufgrund der Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) in der Defensive. Der erhoffte PR-Erfolg um die Polizeirösser wurde zur Pferdeposse. Mit seinem Lieblingsthema "Ausländer" hat er noch nicht gepunktet. Ein Fehlstart. Ein kluger Kopf kann ein mittelmäßiger Minister sein. Die Leitung des Innenministeriums ist einer der anspruchsvollsten Jobs der Republik - und Kickl hatte bisher keine Führungserfahrung. Denn im Gegensatz zu ÖVP und SPÖ ist die FPÖ eine Kleinstorganisation, ihr Generalsekretär kein Parteimanager, sondern bloß Chef über eine Handvoll Mitarbeiter.

Als Minister wird Kickl zum Opfer von zwei dominanten Charaktereigenschaften: tiefes Misstrauen und spöttische Aggressivität. Schon als Generalsekretär witterte er in den anderen Parteien (und den Medien) vor allem Gegner, wobei er die größeren Kontrahenten in der ÖVP und nicht in der SPÖ sah. Nach der Wahl galt Kickl als Skeptiker einer Zusammenarbeit mit der Volkspartei. In den Verhandlungen schwand allerdings sein Misstrauen. Bei der Übernahme des Innenministeriums muss es wieder zugenommen haben. Denn im BMI herrschten nicht die Türkisen des Sebastian Kurz, sondern Tiefschwarze aus der Lehrwerkstatt des früheren Landeshauptmanns von Niederösterreich, Erwin Pröll. Von dem mittlerweile berühmt-berüchtigten Konvolut, in dem Vorwürfe gegen ein angebliches ÖVP-Netzwerk im Innenministerium und im BVT erhoben werden, erlangte Kickl schon als FPÖ-Oppositionspolitiker Kenntnis. Als Innenminister waren er und sein oberster Beamter, Generalsekretär Peter Goldgruber, allzu rasch bereit, die Vorwürfe zu glauben. Beide erwiesen sich in der Folge als ahnungslos in der Feinmechanik der Macht: Statt missliebige Beamte wie BVT-Chef Peter Gridling in aller Ruhe ins Abseits zu administrieren, ließen sie im Verfassungsschutz die Kavallerie einreiten.

Innenminister Kickl

Allerdings darf Kickl darauf hoffen, dass die BVT-Affäre für die breite Öffentlichkeit schlicht zu kompliziert ist. Eher wird ihm der aggressive Spott zum Verhängnis, den er auch regelmäßig im Parlament zeigt. Als Oppositionspolitiker entsprach es seiner Job-Description, politische Gegner vom Rednerpult aus zu verhöhnen. Der Wechsel ins Exekutivfach ist schon stilistisch nicht geglückt. Keinem SPÖ-Minister wäre es auf der Regierungsbank eingefallen, selbst bei der schärfsten Rede des FPÖ-Abgeordneten Kickl Grimassen zu schneiden oder abfällige Handbewegungen zu machen.

Dass ein BMI-Mitarbeiter jüngst in einem Rundschreiben anregte, einzelne Medien in der Pressearbeit zu benachteiligen, war sogar der ÖVP zu viel. Auch die Anprangerung von Journalisten des "Falter" und der "Presse" auf der offiziellen Website des BMI sorgte für Irritationen beim Koalitionspartner. Sollte Kickl als Innenminister zurücktreten, würde dies bei manchem ÖVP-Vertreter allerdings noch größere Unruhe auslösen. Denn dann hätte Kickl unter Umständen genug Zeit und negative Energie, um die Koalitionsarbeit ernsthaft zu erschweren.

THE FRIENDLY

Norbert Hofer ist jetzt Pilot. Vor einigen Woche flog er in einer Cessna eigenhändig nach Bozen zu einer Veranstaltung der Südtiroler Freiheitlichen. Hört man sich in der ÖVP und in Wirtschaftskreisen um, fallen fast nur lobende Worte. Hofer gilt als verlässlicher Partner. Die Hausherren im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie werden in der Öffentlichkeit seit jeher unterschätzt. Dabei sind sie überaus einflussreich. Sie verwalten ein Milliardenbudget und vergeben Inseraten-Millionen. Sie gestalten Forschungs- und Industriepolitik. Sie bauen Straßen, bestimmen, wo es in der ÖBB langgeht und wie die digitale Zukunft aussieht. Wenn Norbert Hofer es will, gilt auf den Autobahnen Tempo 140. Kaum ein anderer Minister sitzt an so vielen sprichwörtlichen Schalthebeln der Macht. Dabei agiert Hofer -im krassen Gegensatz zu Herbert Kickl -im Stillen. Ohne Getöse wechselte er Posten in Management und Aufsichtsrat von ÖBB und Asfinag aus. Mit dem Infrastrukturminister gebe es eine "gute Zusammenarbeit", sagt Bahn-Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä.

Seit 2005 ist Hofer stellvertretender Parteichef der FPÖ. Als Minister denkt er die Partei immer mit. Die partielle Anhebung des Tempolimits ist ein Signal an die von der FPÖ dominierte männliche Zielgruppe. Und wenn Not am Mann ist, checkt er einem FPÖ-Kameraden wie dem gescheiterten Kandidaten für das Bundesverwaltungsgericht, Hubert Keyl, einen Leitungsposten im BMVIT. Allerdings soll es auch Hofer gewesen sein, der - im Gegensatz zu Strache - Keyls Verzicht auf den Richterposten forcierte, nachdem ein Leserbrief publik geworden war, in dem Keyl Franz Jägerstätters Seligsprechung kritisiert hatte.

Verkehrsminister Norbert Hofer

Gemeinsam mit ÖVP-Minister Gernot Blümel koordiniert Hofer die Regierungsarbeit. Hofer achtet dabei genau auf die Machtbalance wie derzeit bei der Reform der ÖBIB (Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH), die die Staatsanteile an Telekom Austria, Post und OMV verwaltet. Dem Wunsch der ÖVP, die ÖBIB in eine Aktiengesellschaft mit nur einem Vorstand umzuwandeln, wurde nicht so schnell entsprochen. Ohne Gegenleistung keine Zustimmung. Allerdings zeigen die Freiheitlichen auch Verständnis für die Sachzwänge der ÖVP, vor allem in EU-Fragen. Wenn Kanzler Kurz die FPÖ nach Kritik von Brüsseler Spitzenpolitikern nicht wirklich verteidigt, bleiben die Blauen ungerührt. Unter Schwarz-Blau I wurden in solchen Fällen noch öffentliche Solidaritätsbekundungen vom schwarzen Kanzler eingefordert.

Norbert Hofer zog es wahrscheinlich am intensivsten in die Regierung. Strache und Kickl hätten sich mit der Oppositionsroutine wohl noch länger abgefunden. Die Kunst, ein freundliches Gesicht auch bei unfreundlichen Aussagen zu machen, hat sich Hofer aus dem Bundespräsidenten-Wahlkampf bewahrt. Mit für ihn angenehmen Folgen: Im APA-OGM-Vertrauensindex (Umfrage-Saldo aus "Habe Vertrauen zu " und "Habe kein Vertrauen zu ") liegt Hofer knapp vor seinem Chef Strache. Herbert Kickl hat deutlich schlechtere Werte. Anders als seine Parteifreunde muss Kickl seinem Naturell nach wahrscheinlich gar nicht geliebt werden - auch eine Art blauer Arbeitsteilung.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.