Strache: „Wehrschütz würde gerne als Unterhaltungschef im ORF ausmisten“
Christian Wehrschütz ist ein preisgekrönter Journalist. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine berichtet er als Korrespondent aus dem Kriegsgebiet, seine Balkan-Expertise ist unumstritten. Wehrschütz gilt als FPÖ-nahe: Von 1987 bis 1990 war er Chefredakteur der blauen Parteizeitung „Neue Freie Zeitung”. 2002 trat er aus der FPÖ aus, nach eigenen Angaben, weil die Partei seine Erwartungen nicht erfüllt habe.
Wie eng zumindest die Partei Wehrschütz verbunden blieb, zeigen neue Chats aus dem Jahr 2018 und 2019, die profil vorliegen. Vor allem Heinz-Christian Strache, damals FPÖ-Chef und Vizekanzler, engagierte sich in einer FPÖ-internen Whatsapp-Gruppe für den Auslandskorrespondenten:
Landesstudiodirektor, Auslandskorrespontent in Russland und ein eigenes Talkformat würden Wehrschütz interessieren, schreibt Strache im Juni 2018. Ein „reiner Administrationsjob” wie der Chef der Auslandskorrespondenten im ORF, sei dem Journalisten indes zu wenig, so Strache:
Strache stellte den Kontakt von Christian Wehrschütz in die Gruppe und schrieb weiter:
Nur einen Tag später antwortete der damalige Leiter des blauen „Freundeskreises” im ORF-Stiftungsrat und dankte Strache für den Kontakt: Man unterstütze Wehrschütz „logischerweise”, erklärte der FPÖ-Mann und versprach, sich einen Termin mit dem ORF-Journalisten auszumachen.
Die Freiheitlichen ließen laut der Chats auch im neuen Jahr nicht locker. Der damalige blaue Stiftungsratsvorsitzende Norbert Steger berichtete Ende Jänner 2019 über eine Mail an den damaligen Verteidigungsminister und heutigen blauen Spitzenkandidaten für die steirische Landtagswahl im Herbst, Mario Kunasek, in der er die freiheitliche Unterstützung für Wehrschütz unterstreicht:
Warum setzte sich der frühere FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache derart für Wehrschütz ein? Und warum war es für die FPÖ offenbar “selbstverständlich”, den ORF-Redakteur zu unterstützen? Anfragen von profil an Heinz-Christian Strache und Norbert Steger blieben bislang unbeantwortet.
Anfang März 2019 berichtete Strache der blauen Gruppe, dass Wehrschütz “gerne als Unterhaltungschef im ORF ausmisten” würde, sollte er nicht Direktor des oberösterreichischen Landesstudios werden:
Es wurde keine der drei Optionen, die blauen Pläne zum ORF-Umbau wurden durch die Veröffentlichung des Ibiza-Videos am 17. Mai 2019 unterbrochen. Wehrschütz blieb Auslandskorrespondent in der Ukraine, führte kein eigenes Talkformat wie “Inside Brüssel” und leitete kein Landesstudio.
Auf profil-Anfrage erklärt der ORF-Redakteur, er habe sich Anfang 2019 auf gar keine Stelle beworben, “somit sind all diese ‘Sandkastenspiele’ ein Thema, das Sie mit Norbert Steger erörtern müssen”. Zudem habe ihn der damalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im Frühjahr 2021 gefragt, ob er als ORF-Korrespondent nach Moskau gehen wolle, so Wehrschütz: Nach reiflicher Überlegung habe ich abgelehnt, weil ich nicht bereit war, die Ukraine und den Balkan aufzugeben. Wie richtig diese Entscheidung war, hat die Entwicklung seit Februar 2022 gezeigt. Erörtert habe ich diese Frage nur mit meiner Familie. Die FPÖ oder/und Herr Strache spielten dabei keine Rolle.“
ORF-Redaktionsrat: „Schlag ins Gesicht“
Der ORF-Redaktionsrat hat bereits Stellung genommen: „Die Chats zeigen ein trauriges Sittenbild, wie wenig politische Parteien - allen voran die FPÖ - von unabhängigem Journalismus halten“, schreibt das Gremium unter Führung von Eco-Moderator Dieter Bornemann. Der ORF solle offenbar von parteigenehmen Leuten geführt oder zusammengestutzt werden, heißt es weiter: „Das war in Zeiten der FPÖ-Regierungsbeteiligung so und das ist auch heute noch so, wie zahlreiche öffentliche Stellungnahmen der FPÖ in letzter Zeit belegen.“ Zudem bedauert der Redaktionsrat, „dass es immer wieder Leute gibt, die sich bei Parteien anbiedern und sich dadurch eine Karriere im ORF erhoffen. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Journalistinnen und Journalisten im ORF, die für kritische, objektive und unabhängige Berichterstattung stehen.“
Auch aus der ORF-Pressestelle heißt es: „Aus den nun veröffentlichten, sechs Jahre alten Chats geht hervor, dass darin primär über ORF-Mitarbeiter:innen gesprochen wird und nicht mit ihnen. Einmal mehr zeigt sich, dass politische Wünsche, die in den Chats geäußert werden, vom ORF nicht erfüllt wurden. Weder solche der Politik noch von einzelnen Mitarbeitern.“
Für Yannick Shetty, Neos-Fraktionschef in den laufenden Untersuchungsausschüssen, zeigen die neuen Chat einmal mehr, dass die Medienpolitik der FPÖ „demokratiegefährdend“ sei. Es gehe den Freiheitlichen nur darum, „blaue Leute in wichtige Positionen zu hieven“ und unliebsame und kritische Journalistinnen und Journalisten „auszumisten“. Das sei „Postenschacher in Reinkultur“, so Shetty.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim verurteilt die „Attacken der FPÖ gegen unabhängige Medien“ in einer Aussendung scharf: „Die FPÖ tritt alles kurz und klein, was nicht in ihr autoritäres Weltbild passt. Demokratie, Menschenrechte, Pressefreiheit – nichts ist vor dem Angriff der Blauen sicher. Die FPÖ plant die Orbanisierung Österreichs und möchte aus unserem Land ein Gefängnis machen“
„Wieder einmal wird offensichtlich: Die FPÖ ist eine Gefahr für die Demokratie in Österreich“, kommentiert die grüne Fraktionschefin Meri Disoski: „Mit dem Ziel, kritische Berichterstattung gegen die eigene Partei zu verhindern, würden die Freiheitlichen am liebsten die gesamte Medienlandschaft kontrollieren.“
Die Stellungnahmen des ORF-Redaktionsrats und der ORF-Pressestelle sowie die Statements der Parteien wurden im Nachhinein ergänzt.