Investigativ

Strafen drohen: Die ÖVP und ihr Problem mit dem Seniorenbund

Das Bundesverwaltungsgericht muss entscheiden: Ist der Seniorenbund eine Parteiorganisation oder nicht? Die Antwort könnte für die ÖVP teuer werden. profil und „Kronen Zeitung“ liegen neue Indizien vor.

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„Wer die Jungen hat, hat die Zukunft, wer die Alten hat, hat die Mehrheit.“ Auf dieses Motto des früheren Seniorenbund-Chefs Andreas Khol hofft die ÖVP im Herbst. Hätten bei der EU-Wahl nur Menschen über 60 gewählt, wäre die Volkspartei vor den Freiheitlichen gelegen.

Mit der Power der Pensionisten will die ÖVP auch bei der Nationalratswahl reüssieren.

Dabei helfen soll der bestens organisierte Seniorenbund, der laut Eigenangaben immerhin 300.000 Mitglieder hinter sich versammelt – das entspricht knapp fünf Prozent aller Wahlberechtigten im Land. Wenig Wunder, dass sich die aktuelle Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec gute Chancen auf einen Platz ganz vorne auf der ÖVP-Bundesliste ausrechnen darf.

Kniff hilft, Finanzen zu verschleiern

Angenehmer Nebeneffekt für die ÖVP: Der Seniorenbund könnte der Partei indirekt dabei helfen, die Wahlkampfkostenobergrenze von 8,66 Millionen einzuhalten. Denn nur ein geringer Teil der Ausgaben des Seniorenbundes scheint im Rechenschaftsbericht der ÖVP auf, den alle Parteien einmal jährlich an den Rechnungshof schicken müssen.

Möglich wird das durch einen Kniff. Keine Sorge, es wird nur kurz kompliziert. Es gibt nämlich nicht nur einen Seniorenbund, sondern zwei: Da wäre einmal die offizielle Teilorganisation der ÖVP und andererseits ein Seniorenbund-Verein, der nichts mit der Partei zu tun haben will. 

Diese Aufsplittung praktiziert die ÖVP in allen neun Bundesländern. Bemerkenswert: In beiden Seniorenbünden haben im Wesentlichen dieselben Personen das Sagen.

Rechtliches Problem

Der Seniorenbund bestätigt auf Anfrage von profil und der „Kronen Zeitung“: „Die wirtschaftliche Gebarung sämtlicher ÖVP-Senioren-Teilorganisationen ist im jeweiligen ÖVP-Rechenschaftsbericht ausgewiesen. Die Gebarung der getrennten gemeinnützigen Vereine mangels darauf bezogener Rechtsgrundlage nicht.“

Allerdings bestreitet der Seniorenbund vehement, dass es sich dabei um eine Umgehungskonstruktion handelt, um der Öffentlichkeit seine Finanzen nicht offenlegen zu müssen.

Das Problem ist nur: Der Rechnungshof und der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat sehen das anders. Sie befanden Anfang 2023: Beide Seniorenbünde sind der ÖVP zuzurechnen und alle Finanzen im Rechenschaftsbericht zu veröffentlichen.

Der Fall liegt nach einer Beschwerde der ÖVP seit über einem Jahr beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und schwebt wie ein Damoklesschwert über der Volkspartei. Aufgeflogen war die Doppelstruktur, nachdem mehrere Seniorenbund-Vereine insgesamt 2,5 Millionen Euro an Corona-Förderungen aus dem Fonds für Non-Profit-Organisationen erhalten hatten – obwohl der Fonds dezidiert nicht für Parteiorganisationen gedacht war. Inzwischen wurde das Geld zurückbezahlt.

Wie viel ÖVP steckt im Seniorenbund?

profil und die „Krone“ stießen bei ihren Recherchen auf weitere Hinweise, die darauf hindeuten, dass Seniorenbund eins und Seniorenbund zwei enger miteinander verzahnt sind, als es die ÖVP der Öffentlichkeit weismachen will.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv. Derzeit in Karenz.