Streit um SPÖ-Vorsitz: Wer jetzt seinen Job verlieren könnte
Nicht nur für die drei Kandidaten der roten Mitgliederbefragung geht es um alles. Auch die Zukunft von mehreren prominenten Parteifunktionären wird mitentscheiden. Wer jetzt zittern muss.
Der Streit um die SPÖ-Spitze steuert auf seinen Höhepunkt zu - und nicht nur für Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler steht einiges auf dem Spiel. Wichtige Player in der Partei haben sich in den vergangenen Wochen aus der Deckung gewagt und auf eine Seite geschlagen. Neue Seilschaften wurden geschlossen und mit alten Gewissheiten wurde gebrochen. Wer allerdings auf den falschen Kandidaten gesetzt hat, dem droht nach dem Votum der parteiinterne Abstieg.
Die zwei Herausforderer
Rendi-Wagners Herausforderer Doskozil und Babler können der Entscheidung vergleichsweise gelassen entgegenfiebern: Selbst wenn sie verlieren, sind sie in ihren bisherigen Ämtern unumstritten. Doskozil würde bei einem Sieg Rendi-Wagners einfach burgenländischer Landeshauptmann bleiben und Babler Bürgermeister von Traiskirchen und Bundesrat.
Christian Deutsch
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch wird von vielen in der Partei für den schlechten Zustand der SPÖ verantwortlich gemacht. Auch der chaotische Ablauf der Mitgliederbefragung geht auf seine Kappe. Immer wieder forderten rote Ländervertreter, dass Deutsch abgelöst wird. Nun könnte es tatsächlich soweit kommen: Denn wenn Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler die Mitgliederbefragung gewinnen, ist der 61-Jährige gebürtige Linzer seinen Job los (lesen Sie weiter: “Das letzte Gefecht des Christian Deutsch”). Darauf haben sich der burgenländische Landeshauptmann und der Traiskirchner Bürgermeister bereits festgelegt. Sollte Pamela Rendi-Wagner weiter im Amt bleiben und die Sozialdemokratie in die nächste Nationalratswahl (voraussichtlich im Herbst 2024) führen, muss Deutsch nicht nur die Kampagnenfähigkeit der SPÖ wiederherstellen, sondern auch die abtrünnigen Landesorganisationen auf Linie bringen, die - wie etwa die SPÖ Niederösterreich - relativ offen im Doskozil-Lager waren. Um Deutsch aus der Schusslinie zu nehmen, könnte ihm ein zweiter Bundesgeschäftsführer an die Seite gestellt werden.
Pamela Rendi-Wagner
Pamela Rendi-Wagner ist keine klassische Berufspolitikerin. Und das könnte ihr jetzt zum Vorteil werden. Die studierte Tropenmedizinerin (lesen Sie weiter: “Richtige/falsche Frau am richtigen/falschen Platz?”) trat erst kurz vor ihrer Angelobung zur Gesundheits- und Frauenministerin im Frühjahr 2017 der SPÖ bei und folgte 2019 Christian Kern als erste Frau an der Spitze der SPÖ (2020 sprachen ihr 71 Prozent der SPÖ-Mitglieder das Vertrauen aus). Im Zuge der aktuellen Mitgliederbefragung gab sie bekannt, sich komplett aus der Politik zurückziehen zu wollen, sollte sie nicht Erste werden. Für die amtierende SPÖ-Vorsitzende - und ihr engstes Umfeld im Parlamentsklub und der Parteizentrale - geht es hingegen um alles oder nichts. Verliert sie, war es das mit der politischen Karriere. Auch ihr engstes Umfeld im SPÖ-Klub und in der Parteizentrale muss sich dann wohl ein neues Betätigungsfeld suchen.
Max Lercher
“Jetzt ist es Zeit für Klarheit!”, schrieb SPÖ-Nationalrat Max Lercher Anfang April über seine Beweggründe, Hans Peter Doskozil im Rennen um den Parteivorsitz unterstützen zu wollen. Denn nur Doskozil habe das Zeug, eine Neuauflage von Schwarz-Blau nach der nächsten Nationalratswahl zu verhindern. Immerhin wurde der Steirer von Rendi-Wagner abmontiert, der davor als Bundesgeschäftsführer unter Christian Kern tätig war. Lercher ging im SPÖ-internen Wahlkampf “all in”: Für Doskozil hat der 36-Jährige gemeinsam mit dem burgenländischen Landesgeschäftsführer Roland Fürst die “Freundschaftstour” von Doskozil geplant. Im Falle seines Sieges von Doskozil könnte Lercher Klubobmann im Nationalrat oder Bundesgeschäftsführer werden. Wenn es Doskozil aber nicht wird, hat das auch für Lercher Folgen: Er hat bereits angekündigt, dass er für sich “persönliche Konsequenzen” ziehen würde und sagte etwas kryptisch, dass er nicht mehr kandidieren werde. Unklar ist, ob damit nur die Bundesebene oder auch seine steirische Heimat gemeint war. Denkbar ist, dass Lercher im Falle einer Doskozil-Niederlage zurück in die Landespolitik geht - schließlich wird dort in den kommenden Jahren ein neuer Landesparteichef gefragt sein. Der amtierende steirische SPÖ-Chef Anton Lang ist immerhin bereits 63 Jahre alt.
Julia Herr
Während um die Neu(Ausrichtung) für die nächste Nationalratswahl innerhalb der SPÖ noch gerungen wird, steht eine Siegerin des Führungsstreits bereits fest. Julia Herr, ehemalige Partei-Rebellin (man denkt an ihren Auftritt zum EU-Wahlkampf), erste Chefin der Sozialistischen Jugend (SJ) und aktuelle Umweltsprecherin im Nationalrat, hat sich längst als Zukunftshoffnung ins Spiel gebracht (lesen Sie weiter: “Die Frau, die alle im Team wollen”). Denn während Rendi-Wagner, Doskozil und Babler aktuell wenig Gemeinsames finden, können sie sich alle auf Frau Herr einigen und halten sich mit Vorschusslorbeeren nicht zurück. Heißt: Egal wer die SPÖ in Zukunft führt, die 30-Jährige wird eine Menge mitzureden haben. Und eines hat die Jungpolitikerin schon richtig gemacht. Aus dem offenen Schlagabtausch auf großer Bühne hat sich die gebürtige Burgenländerin gekonnt herausgehalten - auch wenn sie sich für den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler ausgesprochen hat. Geschadet hat ihr das bisher nicht. Denn Rendi-Wagner (sie nennt Herr „jung, engagiert, fleißig“) und Doskozil wissen nur zu gut, dass man Genossinnen wie Herr braucht. Denn Junge sind in der Traditionspartei noch immer Mangelware.