TikTok Screenshots von syrischen Maklern
Wohnungsmarkt

Wie syrische Makler auf Tiktok mit Billig-Immobilien um Rückkehrer werben

25.000 Dollar für eine Villa in Aleppo? Syrische Makler werben auf TikTok aggressiv für Kaufobjekte zu Spottpreisen. Das Interesse von Austro-Syrern bleibt vorerst aus.

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Eine hochmoderne Wohnung mit fünf Schlafzimmern, zwei Bädern, drei Küchen, Wänden aus Marmor um 22.000 Dollar. Eine Villa mit drei Schlafzimmern, maßgefertigter Küche und riesiger Terrasse um 10.000 Dollar. Ein Haus mit Meerblick und Infinitypool um 15.000 Dollar. Die Kaufpreise für Immobilien in syrischen Großstädten erinnern – zumindest laut TikTok – eher an die Preise für eine Übernachtung in einem Luxushotel als die einer Eigentumswohnung. 

Auf der Kurzvideoplattform TikTok bieten Maklerbüros diese und ähnliche Wohnungen in aufwändig gefilmten Hausführungen an. Die Videos erreichen mehrere hunderttausend User, in den Kommentaren liest man immer wieder von Interessenten. Eine Firmenwebsite haben diese Maklerbüros nicht, kontaktieren kann man sie entweder direkt auf TikTok oder über WhatsApp und Instagram. 

profil schrieb eines dieser TikTok-Maklerbüros an, um zu erfahren, wie erfolgreich der Verkauf der Immobilien zum Spottpreis wirklich ist. Bei der syrischen Diaspora in Österreich hält sich das Interesse laut profil-Recherchen jedenfalls noch in Grenzen.

1000 Euro für einen neuen Start

Während Syrerinnen und Syrer in Europa den Fall des Regimes am 8. Dezember 2024 nach wie vor feiern, erhoffen sich viele österreichische Politiker, dass die Diaspora in ihr Heimatland zurückkehrt. Das Innenministerium möchte freiwillige Rückkehrer mit 1000 Euro für einen „neuen Start“ unterstützen und stoppt vorerst alle laufenden Asylverfahren. Davon betroffen sind rund 7300 Personen. Viele der syrischen Geflüchteten sind wegen Verfolgung durch das Assad-Regime geflüchtet – ein Schutzgrund, der nun wegfallen könnte. 

Zur Erinnerung: Rund 5,1 Millionen Syrerinnen und Syrer mussten seit Beginn des Bürgerkriegs ihre Heimat verlassen – nach Österreich kamen etwa 100.000. Damit machen sie nach Serben und Türken die größte Diaspora aus. 2024 kehrten laut Innenministerium 77 Syrer freiwillig zurück.

Auch wenn einige theoretisch zurück möchten: Eine Rückkehr nach Syrien ist nach wie vor schwer und kompliziert. „Die meisten mussten ihre Wohnungen und Häuser verkaufen, um sich eine Flucht nach Europa zu finanzieren oder haben ihre Häuser verloren, weil diese im Krieg zerstört wurden“, erklärt Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer Österreicher und bekannter Vertreter der syrischen Community in Österreich: „Eine Immobilie zu verkaufen war bisher ohnehin fast unmöglich, da Grundbucheintragungen im Assad-Regime schwer durchzuführen waren und oft verhindert wurden“, fügt er hinzu. Einen Ort, an dem man zurückkehren könnte, haben viele also nicht. 

Da helfen selbst die 1000 Euro für Rückreise-Willige wenig: „Menschen, die hier eine Existenz aufgebaut haben, würden niemals für 1000 Euro zurückkehren“, ist sich Baghajati sicher. Ähnlich sieht man es auch im Büro für Internationale Organisation für Migration (IOM).

Menschen, die hier eine Existenz aufgebaut haben, würden niemals für 1000 Euro zurückkehren. 

Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer Österreicher

Alternative für Rückkehrer

Alternativ würde man sich stattdessen für ein „Go and See“-Visum einsetzen, bei dem syrische Staatsbürger vorläufig zurück in ihr Heimatland können und trotzdem die Chance haben, sicher nach Österreich zurückzukehren. Doch auch in diesem Fall ist nicht damit zu rechnen, dass es viele Interessenten gibt.

Großes Interesse an Kaufobjekten, woher ist nicht bekannt

Bei dem Maklerbüro aus Idlib scheint das Interesse von Syrern aus dem Ausland dennoch groß zu sein. Als profil fragt, ob es konkrete Zahlen bezüglich verkaufter Objekte gäbe, schickt das Büro bloß einen Screenshot mit über dreihundert Nachrichtenanfragen. Sie stammen von Syrern, die im Ausland leben, aber zurückkehren wollen, erklärt das Büro. Aus welchen Staaten genau, wissen sie selbst nicht. „Alles Menschen, deren alte Häuser zerstört wurden oder die sie verkaufen mussten.“ Wem die luxuriösen Immobilien alle gehören? „Auch Syrern, Privatpersonen“, antwortet das Büro. Ins Detail möchte man nicht gehen, auch nicht, wenn es um die Anzahl der bereits verkauften Objekte geht. 

Laut der Wirtschaftsdelegation der WKO in Jordanien, die auch für Syrien zuständig sind, gibt es allerdings noch keine Zahlen bezüglich eines „Immobilienbooms“ seit dem Ende des Assad-Regimes. Baghajati vermutet jedoch, dass viele Auslandssyrer aus dem Libanon und der Türkei wieder zurückkehren und in Immobilien investieren. 

Neues Urlaubsland statt alter Heimat

Angebote wie die von dem Maklerbüro aus Idlib wirken auf Mohammad Taisir suspekt. Er ist Besitzer des syrischen Süßigkeitenladen „Dilies“ am Brunnenmarkt im 16. Wiener Gemeindebezirk. Wer bereits einmal am Brunnenmarkt war, hat das Geschäft des 57-Jährigen Syrers wahrscheinlich schon gesehen. Die Fassade schmücken große Fotografien unterschiedlicher Baklava-Variationen, besonders auffällig ist jedoch der gigantische, goldene Schriftzug „Dilies Sweets“, der einmal auf Syrisch und einmal auf Lateinisch über dem Eingang hängt. Taisir betreibt das Geschäft am Brunnenmarkt gemeinsam mit seinem Sohn. 2014 sind sie nach Österreich geflüchtet, seit 2021 betreiben sie ihren Süßwarenladen. Beide haben zwar noch nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, zurück nach Syrien zu ziehen, können sich trotzdem nicht vorstellen. Dasselbe gilt auch für ihre Freunde aus der Diaspora: „Die Syrer hier warten ab, bis es Gesetze, eine Regierung und Infrastruktur gibt, bevor sie sich darüber erst Gedanken machen“, erzählt er profil. Viele würden sich nach der Heimat sehnen, für die meisten käme aber eher ein Heimaturlaub in Frage. 

Mohammad Taisir, Besitzer des Süßwarenladens Dilies

Mohammad Taisir (57)

Besitzt seit 2021 den Süßwarenladen Dilies Sweets am Brunnenmarkt und kann sich nicht mehr vorstellen, zurück nach Syrien zu ziehen.

TikTok-Abzocker?

Auch Mohammad Taisir ist auf Wohnungsanzeigen gestoßen, wie sie von dem Makler aus Idlib veröffentlicht wurden. Zusammen mit seinen Freunden hat er zudem TikTok-Anzeigen für Autos entdeckt. „Oft ist es aber so, dass man den Händler kontaktiert und er dir dann einen ganz anderen, viel höheren Preis nennt, als den, mit dem er geworben hat“, so der 57-Jährige. Einige Betrüger würden den syrischen Optimismus und das Heimweh ausnutzen. Vor allem bei Immobilien wäre der Austro-Syrer sehr vorsichtig: „Es kann sein, dass diese Kaufverträge unseriös sind, oder, dass eine neue Regierung dir dann nicht einmal erlaubt, in dem Haus zu wohnen, weil es die neu aufgestellten Berechtigungen nicht erfüllt.“

Mohammad Taisir ist nicht der einzige Syrer, der sich lieber nicht zu früh über die Befreiung Syriens von Assad freut. profil sprach mit mehreren Syrern in Wien. Von ihnen kannte niemand jemanden, der sich dort eine Immobilie kaufen möchte. „Für mich ist Wien mittlerweile meine Heimat“, erzählt ein Gastronom aus Ottakring im Gespräch: „Man muss einfach abwarten und schauen, was unten passiert. Da gibt es derzeit noch keine ordentliche Infrastruktur, es herrschen keine Gesetze, keine Regeln.“ Viele Syrer sind gekommen, um zu bleiben. Daran ändern auch angebliche Schnäppchen-Villen und Rückkehr-Boni nichts.

Mitarbeit: Clara Peterlik

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.