Österreich

Syrischer Familiennachzug: Containerklassen "fix und alternativlos"

Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) kompromisslos: "Sonst bis zu 30 Schüler pro Klasse in ganz Wien."

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"Wir werden die Container verhindern, koste es, was es wolle." Der Elternverein der Mittelschule Kagran in Wien Donaustadt protestiert besonders scharf gegen die Pläne der Stadt, bis September neun Containerklassen am Sportplatz hinter der Schule für 225 Jugendliche aufzustellen. Derzeit beträgt die Schülerzahl an der gesamten Mittelschule 370. Die nächste Demo soll noch größer werden, verstärkt um besorgte Anrainer. Doch auch an den anderen geplanten Standorten in Floridsdorf, Liesing, Simmering und Favoriten steigt die Gegenwehr gegen die jeweils neun geplanten Containerklassen. Nötig werden sie unter anderem wegen des starken Familiennachzugs aus Syrien, wie wir in unserer Coverstory in allen Facetten beschrieben haben. Seit 2023 kommen monatlich 350 Kinder und Jugendliche im Pflichtschulalter nach Wien, das sind umgerechnet 14 neue Klassen pro Monat. Tendenz vorerst gleichbleibend.

Volksschulen mit 29 Kindern trotz Containern

Der Wiener Vize-Bürgermeister und Stadtrat für Bildung, Jugend und Integration, Christoph Wiederkehr (NEOS), wird aber keinen Millimeter von seinen Beschlüssen abrücken, macht er im profil-Interview klar. "Die Standorte sind fix und alternativlos, weil wir sonst die Schülerzahl in Klassen in ganz Wien auf fallweise bis zu 30 erhöhen müssten." In Bezirken wie Favoriten ist das bereits der Fall. An Volksschulen sind für September bis zu 29 Kinder pro Klasse eingeschrieben. Eine Schülerhöchstzahl, die selbst langgediente Lehrer verblüfft. In anderen Bezirken werden an einzelnen Schulstandorten so viele erste Klassen eröffnet, wie noch nie. Trotz der Containerpläne.

In Österreich herrscht Schulpflicht. Das heißt, die syrischen Kinder müssen sofort in Schulen untergebracht werden. Die Kinder und Jugendliche, haben in ihrer kriegsgebeutelten Heimat oder in Flüchtlingslagern zum Teil noch gar keine Schulen besucht. Diese Kinder müssen erst Lernen lernen und in lateinischer Schrift alphabetisiert werden. Sie außerschulisch aufzufangen und langsam auf den Regelunterricht heranzuführen, hat Wiederkehr angedacht. Doch das sei wegen des starren österreichischen Schulrechts nicht umsetzbar gewesen.

Automatisches Wiederholen erhöht Platznot

Nach zwei Monaten in einer Orientierungsklasse starten syrische Kinder in einer Regelklasse und besuchen separate Deutschförderklassen. Sie sind in der Regel als außerordentliche Schüler eingestuft und werden erst benotet, wenn sie das notwendige Deutschniveau erreicht haben. Das heißt aber auch: In der Regel wiederholen sie die Klassen ein, zwei Mal. Dadurch steigt der Platzbedarf zusätzlich, weil entweder weniger Kinder nachrücken können, wenn ein Teil wiederholt. Oder die Schülerzahl pro Klasse hinaufmuss,

Und es steigt die Zahl an Schülern, die deutlich älter sind als der Klassendurchschnitt. Das birgt Frustpotenzial für Jugendliche, Mitschüler und Lehrer. Deswegen kündigt Wiederkehr nun ein Pilotprojekt für eigene Klassen an, in denen Schüler gesammelt werden, die deutlich älter als ihre Schulstufe sind. 

Ein neuer Weg. So wie bereits die Container-Offensive in ganz Wien.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.