Telegram-Front: Wie Corona-Skeptiker den Ukraine-Krieg für sich nutzen wollen

Corona-Skeptiker und Rechtsextreme zeigen immer offener ihre Sympathie für den "starken Führer" Putin. Dessen Krieg gegen die Ukraine könnte das Querdenker-Lager aber spalten.

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Vorvergangenen Samstag am Wiener Heldenplatz: Trillerpfeifen, Trommelschläge und Parolen gegen "Plandemie" und "Impfapartheid". Selbst ernannte "Querdenker" und Corona-Skeptiker hatten sich wieder einmal zu einer Demonstration in der Innenstadt versammelt. Zwischen den üblichen Österreichfahnen blitzte diesmal auch ein Banner in Weiß-Blau-Rot auf: Die russische Flagge wehte gut sichtbar zwischen den Marschierenden.

"Die überwiegende Mehrheit der Bewegung der Corona-Skeptiker steht auf der Seite Putins", sagt Josef Holnburger, Geschäftsführer der in Berlin ansässigen Recherche-Plattform CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie). Holnburger und seine Kollegen, darunter Datenspezialisten, Psychologinnen und Sozialwissenschafter, beobachten die Kanäle der coronaskeptischen Querdenker. Sympathie für Putin wird dort immer offener zur Schau gestellt. Täglich durchforsten die CeMAS-Forscher Telegram-Gruppen nach neuen Entwicklungen und Narrativen, machen sie öffentlich und dekonstruieren Verschwörungserzählungen.

"Die Positionierung für Russland überrascht uns nicht", erklärt Holnburger. Anhänger von Verschwörungsideologien schlagen sich bei neuen Weltgeschehnissen schon aus Prinzip auf eine konträre Linie zu Leitmedien und Regierungspolitik. Der prorussische Nährboden wurde seit Pandemiebeginn gezielt beackert: "Russia Today war bei den wichtigen Corona-Demos immer mit Livestreams präsent", sagt der Experte: "Putin gilt dort wie Trump als starker Führer, der gegen die angebliche Weltverschwörung der westlichen Eliten auftritt."

In Österreichs wichtigsten Querdenker-Foren wird das nur allzu gut sichtbar. Einer der Hauptorganisatoren der heimischen Corona-Demos ist Hannes Brejcha. In seiner privaten Telegram-Gruppe "Fairdenken" gab er in den vergangenen Tagen vor rund 6000 Mitgliedern eine explizit prorussische Stellungnahme ab: "Wir müssen uns gegenüber unserer Regierung durchsetzen, dass die Republiken des Donbass als souveräne Staaten anerkannt werden und die Kiewer Soldateska die stattfindenden Übergriffe gegen die Menschen der Donbassrepubliken einstellt." Argumente, wie sie direkt aus dem Kreml stammen könnten.

Und wohl auch von dort herkommen. Quasi im Minutentakt hagelte es in Brejchas Gruppe Postings pro Russland: "Putin konnte nicht mehr nur zusehen", schreibt einer. "Ich wäre sowieso dafür, dass die Russen einmarschieren und tabula rasa machen" ein anderer. Martin Rutter, Ex-Grünund BZÖ-Politiker und Mitstreiter Brejchas, sieht auch die steigenden Benzinpreise als Teil der westlichen Verschwörung und ruft dazu auf, Bargeld von den Banken abzuheben.

Wie verquer es in den Echokammern der Corona-Skeptiker zugeht, zeigte ein Fake-Beitrag, der am vergangenen Dienstag viral ging. Da meldete sich der deutsche Vertreter der besonders radikalen QAnon-Bewegung, Alexander Quade, mit einer angeblichen Eilmeldung: "Russisches Militär in Wien - der 19. Bezirk wird aufgeräumt", so Quade in einer Telegram-Sprachnachricht. Der "Beweis": ein Handyvideo, das einen Militärkonvoi zeigte. Es handelte sich um französische Militärfahrzeuge, die nach Ungarn fuhren. Richtiggestellt wurde der Beitrag, der laut CeMAS 170.000 Menschen erreichte, freilich nie.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bietet allerlei Nährstoff für Verschwörungstheoretiker, doch am Ende könnte der Konflikt der Querdenker-Bewegung schaden. "Einige bekannte Vertreter versuchen das Thema gar nicht anzusprechen, weil sie wissen, dass es zu Widersprüchen führen könnte oder das Thema Corona aus dem Fokus gerät", sagt Experte Holnburger. Der Wegfall vieler Maßnahmen und das Aussetzen der Impfpflicht machen die Demo-Mobilisierung immer schwieriger. Rechtsextreme wie Martin Sellner oder Gottfried Küssel, stets präsent bei den Corona-Protesten, äußerten sich bisher relativ verhalten. Auch sie fürchten eine Spaltung ihres Lagers. Für das Wochenende hat "Fairdenken" wieder zu Demos aufgerufen. Diesmal geht es "gegen NATO-Beitritt und EU-Wirtschaftskriege". Mit Russlandfahnen ist zu rechnen.