Zwei Männer reden miteinander
Sicherheit

Terrorbekämpfung: Neue Befugnisse für Staatsschützer

In Zukunft soll der Verfassungsschutz verschlüsselte Nachrichten überwachen dürfen. profil liegt der Gesetzesentwurf vor.

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Der vereitelte Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert in Wien hat die Diskussionen in der Koalition über die Befugnisse des Staatsschutzes bei der Terrorbekämpfung wieder angeheizt. Schon im schwarz-grünen Regierungsprogramm ist die „Prüfung der Schaffung einer verfassungskonformen Regelung zur Überwachung unter anderem für verschlüsselte Nachrichten im Internet unter Berücksichtigung des VfGH-Entscheids vom Dezember 2019“ festgehalten. Damals hatte der Verfassungsgerichtshof Teile des von der ÖVP-FPÖ-Regierung beschlossenen Sicherheitspakets wieder aufgehoben, darunter eine Änderung in der Strafprozessordnung, die den Einsatz von Spionagesoftware („Bundestrojaner“) bei Ermittlungen vorsah. Die Regelung ging den Verfassungsrichtern damals zu weit.

Allerdings ist die derzeitige rechtliche Situation einigermaßen bizarr. Zur Ausforschung terroristischer Vereinigungen dürfen die Behörden einen großen Lauschangriff auf Verdächtige starten und deren Telefone abhören. Dagegen ist es der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) nicht erlaubt, Nachrichten mitzulesen, die sich mutmaßliche Terroristen über Messenger-Dienste wie WhatsApp, Telegram oder Signal schicken – ein Umstand, den der Leiter der DSN, Omar Haijawi-Pirchner, regelmäßig thematisiert.

Im heurigen April übermittelte das ÖVP-geführte Innenministerium den Grünen einen Entwurf zur Änderung des Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetzes (SNG), das die Befugnisse der DSN regelt. Doch der Koalitionspartner zeigte weder besonderes Interesse noch übertriebene Eile. Zu groß war die Skepsis, dass der Entwurf grundrechts-, datenschutz- und verfassungskonform sei.

Doch nun stimmen auch die Grünen zu, den Gesetzesentwurf des Innenministeriums in Begutachtung zu schicken. „Klar ist, dass wir alles tun müssen, um terroristische Gewalttaten zu verhindern und die Bevölkerung zu schützen“, so die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Innenminister Gerhard Karner zeigt sich erfreut: „Das hätte man schon früher haben können und wäre auch notwendig gewesen. Aber besser jetzt als gar nicht.“

„Einbringen eines Programms in ein Computersystem“

Der Gesetzesentwurf zur Novellierung des SNG liegt profil vor. Konkret geht es um „besondere Bestimmungen für die Ermittlungen“ beim „Verarbeiten personenbezogener Daten auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes“. Bisher dürfen Ermittler bei der erweiterten Gefahrenerforschung laut SNG etwa Verdächtige observieren, verdeckte Ermittlungen führen und Handys lokalisieren. Laut dem Entwurf soll in Zukunft auch die „Überwachung von Nachrichten“ erlaubt sein, wenn dies „zur Vorbeugung eines verfassungsgefährdenden Angriffs, dessen Verwirklichung zumindest mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist“, erforderlich ist; weiters die „Überwachung von Nachrichten, die verschlüsselt gesendet, übermittelt oder empfangen werden, durch Einbringen eines Programms in ein Computersystem eines Betroffenen unter Einsatz technischer Mittel“. 

Vor der Überwachung von Nachrichten muss das DSN beim Bundesverwaltungsgericht eine Bewilligung beantragen und den Rechtsschutzbeauftragten beim Innenministerium mit der Angelegenheit befassen. Dieser darf die Durchführung der Überwachung begleitend kontrollieren.

Doch ist diese Regelung nun verfassungskonform? Ja, sagt die mit dem Entwurf vertraute Professorin für Strafrecht, Ingeborg Zerbes, in der „ZiB 2“, da die Regelung „die Verhinderung allerschwerster Gewalttaten“ betreffe. Zudem seien die Strafverfolgungs- und Polizeibehörden daran gebunden, „nur ganz bestimmte ausgesuchte, ausgetauschte Nachrichten zu überwachen, und nicht alles, was auf einem Handy vorhanden ist“. 

In der Praxis müssten die Ermittler das Handy eines Verdächtigen hacken und eine Spionagesoftware installieren, die präzise die relevanten Nachrichten ausliest. Fraglich ist, was mit so genannten Zufallsfunden passiert, etwa wenn die Ermittler in einem Telegram-Chat eines Terrorverdächtigen Hinweise auf den Diebstahl eines Autos finden – zweifellos eine Straftat, allerdings kein „verfassungsgefährdender Angriff“. Fragen wie diese sollen in der Begutachtungsphase geklärt werden.

 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.