Thomas Schmid im U-Ausschuss: Frage-Antwort-Spiel
Für das Verfassen von Drehbüchern für Hollywood-Blockbuster gibt es eine nützliche Empfehlung: „Mit einem Erdbeben beginnen und dann langsam steigern.“ Thomas Schmid, Ex-Generalsekretär im Finanzministerium und Ex-CEO der ÖBAG, beginnt seinen Auftritt vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss mit einem Erdbeben, indem er ankündigt, keine Anfragen zu beantworten. Die Spannung steigert sich in den folgenden 30 Minuten tatsächlich: Was macht Nationalratspräsidentin Doris Bures? Wird Schmid doch noch reden? Hält die Frisur des ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger? Dann die Antiklimax. Nichts geschieht.
Die Abgeordneten sind der Ansicht, Schmid müsse zumindest so auskunftsfreudig sein wie als Hauptbelastungszeuge gegen die ÖVP vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Schmid sieht das anders. Er argumentiert, er würde durch seine Aussagen weitere Strafverfolgungen riskieren. Tatsächlich will er sich wohl den Stress der Befragung ersparen, vor allem durch seine früheren Freunde in der ÖVP, die Schmids Glaubwürdigkeit attackiert hätten.
Was macht der Videoschiedsrichter?
Doris Bures, Vorsitzende des U-Ausschusses, unterbricht die Sitzung für eine Stehung. Im Zentrum des Camineums in der Hofburg, wo der Ausschuss tagt, bilden Abgeordnete, Referenten, Präsidentin, Verfahrensanwältin und Verfahrensrichter ein Rudel. Es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit. Die Situation erinnert an die Stehungen von Fußballern im Strafraum, während das Spiel unterbrochen ist, bis der Videoschiedsrichter das umstrittene Elfer-Foul geklärt hat.
Bures pfeift die Sitzung wieder an. Die Abgeordneten stellen Fragen. Schmid verweigert Antworten. Der Verfahrensrichter hält die Verweigerung für ungerechtfertigt. Die Nationalratspräsidentin kündigt daraufhin die Beantragung einer Beugestrafe vor. Der Vorgang wiederholt sich etwa zwanzigmal, wie in einer Endlosschleife der U-Ausschuss-Matrix.
Straftatbestand ÖVP-Mitgliedschaft?
Bisweilen wird die lähmende Abfolge von Fragen und verweigerten Antworten durch Humor aufgelockert. Der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker fragt Schmid, ob er Mitglied der ÖVP sei. Schmid verweigert die Antwort. Hafenecker sagt: „Die Mitgliedschaft bei der ÖVP ist nicht strafbar.“ Zusatz: „Zumindest derzeit noch nicht.“
Interessant wird es kurz, als der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger als Fragesteller an der Reihe ist. Thomas Schmid kommt gar nicht dazu, die Antwort zu verweigern, weil der Verfahrensrichter die Zulassung der Frage verweigert. Es geht um die Erwin- Pröll-Privatstiftung und das Alois-Mock-Institut. Doch dazu darf nicht gefragt werden, da die Frage „in keinem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand“ steht. So wollte es das Justizministerium.
Nach drei Stunden ist das Frage-Antwort-Spiel beendet. Eigentlich sollte es heute um die angebliche Vorzugsbehandlung für die Großunternehmer René Benko und Siegfried Wolf durch die Finanzbehörden gehen; um das berühmt-berüchtigte Beinschab-Tool; um den Glücksspielkonzern Novomatic; um Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP. Die SPÖ stellte den Tag daher unter das Motto „Schmid packt aus, die ÖVP kann einpacken“. Schmid schwieg, eine Packung für die ÖVP gibt es nicht. Im Gegenteil. Die Volkspartei hat einen argumentativen Etappensieg errungen. Andreas Hanger formuliert es so: Vor der Staatsanwaltschaft habe Schmid ohne Wahrheitspflicht umfangreich ausgesagt. Im U-Ausschuss, wo er unter Wahrheitspflicht steht, hat er geschwiegen. Also: Baron Münchhausen!
Allerdings könnte der U-Ausschuss verlängert werden und Schmid doch noch zu Antworten gezwungen werden. Die Spannung wäre gesteigert. Denn, was man an diesem Tag lernt: Eine Frage ohne Antwort ist eine halbe Sache.