Tojner an Chorherr: „Danke Sie sind grossartig!“
Am 1. Juni 2017 war Lostag für das wohl umstrittenste Immobilienprojekt der jüngeren Geschichte Wiens: Nach jahrelangen Kontroversen stimmte der Gemeinderat über das geplante Hochhaus von Investor Michael Tojner am Heumarkt nahe der Innenstadt ab. Einige Minuten nach 15 Uhr wurde das Ergebnis verkündet: knappe Zustimmung. Eine Dreiviertelstunde später schrieb Tojner von seinem Handy aus jenem Mann eine Nachricht, der nicht unwesentlich zu diesem glücklichen Ausgang beigetragen haben dürfte: der auf Stadtplanung spezialisierte damalige grüne Gemeinderat Christoph Chorherr – ein ausgesprochener Projektbefürworter, der sich in seiner Rede zuvor nochmals ordentlich ins Zeug gelegt hatte. Tojner schrieb nicht viel, aber durchaus vielsagend: „Danke Sie sind grossartig!“ Chorherr antwortete zwei Minuten später: „Das veröffentliche ich jetzt nicht“.
Seit Herbst 2017 ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Es geht um den Verdacht, eine Reihe von Immobilienunternehmern hätte versucht, Chorherr zu kaufen – und zwar durch Spenden an einen karitativen Verein, dessen Obmann der grüne Politiker war. Einer der zahlreichen Beschuldigten ist Tojner, er und alle anderen Betroffenen bestreiten die Vorwürfe vehement.
„Erleichterung“ bei Chorherr
Im Zuge der Ermittlungen wurden elektronische Daten ausgewertet, die bei Tojner und in dessen Firmengruppe in anderem Zusammenhang sichergestellt worden waren. Einer der ausgewerteten Handy-Chats datiert zwei Tage vor der entscheidenden Abstimmung im Gemeinderat. Chorherr zeigte sich gegenüber Tojner irritiert: „Stimmt es, dass Vertrag mit WEV (Anm.: Wiener Eislauf-Verein) noch immer nicht unterschrieben ist?? Lg cc“ Dass der Eislauf-Verein am Heumarkt-Areal bleiben kann, war ein wesentliches Argument der grünen Projektbefürworter. Fürchtete Chorherr, dass dies in letzter Sekunde wegbrechen könnte? Tojner beruhigte: „Heute geplant um 15 uhr“. Chorherr insistierte: „Bitte unbedingt!“ Tojner versuchte nochmals zu kalmieren: „Ist fix und klar“. Doch der grüne Gemeinderat war immer noch nicht ganz zufrieden: „Bitte heut sms, wenn unterschrieben Danke, cc PS: das ist essentiell“. Einige Stunden später gab Tojner Entwarnung: „Vertrag unterzeichnet Mail geschickt an sie“. Chorherr antwortete in der Minute: „Super! Erleichterung“.
Chorherr hatte – nicht zuletzt im innerparteilichen Streit - für das Heumarkt-Projekt sein politisches Gewicht in die Waagschale geworfen. Das mag die von ihm an Tojner kommunizierte „Erleichterung“ erklären. Von einer professionellen Distanz zum Projekt und zum Investor scheint der Chatverkehr jedoch nicht unbedingt zu zeugen. Hätte es ihm als entscheidenden Politiker nicht eigentlich egal sein müssen, ob Tojner eine der Voraussetzungen für das Projekt rechtzeitig erfüllt oder nicht?
Chats und Spenden
Wie die Chats zeigen, blieben Tojner und Chorherr auch nach der Abstimmung im Gemeinderat in direktem Kontakt. Einzelne Chats weisen dabei einen zumindest zeitlichen Zusammenhang mit Spenden an den karitativen Verein „s2arch“ auf, der den Bau und Betrieb zweier Schulen mit dem Namen „Ithuba“ in Südafrika organisierte und mitfinanzierte.
Am 29. Juni 2017 schrieb Chorherr an Tojner: „Just to confirm: So 2. Juli 17.30 bei Ihnen im Büro Lg cc“. Tojner antwortete: „Ja sontag confirmed“. Man hatte demnach bereits vorher einen Termin vereinbart – und zwar immerhin für einen Sonntag. Einen Tag nach diesem Chat, am 30. Juni 2017, langte beim Chorherr-Verein „s2arch“ eine Spende Tojners über 5.000 Euro ein. Ein möglicher Zusammenhang zwischen der Zahlung und dem Heumarkt-Projekt ergibt sich aus dem E-Mail einer Tojner-Mitarbeiterin an ihren Chef vom 2. Juni 2017, dem Tag nach der Abstimmung im Gemeinderat. Darin hieß es unter anderem: „Außerdem wolltest Du bei Widmung ITHUBA 5000 Euro spenden (…). OK?“ – profil berichtete ausführlich.
Im Buchungstext der Überweisung wurde auf eine Geburtstagsfeier verwiesen, bei der sich die Jubilare Spenden an „s2arch“ gewünscht hatten. Diese Party hatte allerdings bereits vier Monate zuvor stattgefunden. Ermittlungsergebnissen zufolge dürfte in diesem Zusammenhang jedenfalls niemand so spät gespendet haben wie Tojner. Im Ermittlungsverfahren erklärte Tojner-Anwalt Karl Liebenwein, sein Mandant habe die Zahlung für ein im Zuge der Party ersteigertes Bild geleistet. Die Spende stehe in keinerlei Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit Chorherrs.
„Unsere sache ok“
Anfang Jänner 2018 kam es zu Chats zwischen Tojner und Chorherr, die möglicherweise in Zusammenhang mit einer weiteren Spende stehen könnten. Dies ist umso bemerkenswerter, als zu diesem Zeitpunkt das Ermittlungsverfahren bereits ins Rollen gekommen war. Am 8. Jänner 2018 schrieb Chorherr an Tojner: „Gutes neues Jahr! Die Woche Zeit für kurzes Gespräch? Lg cc“. Tojner antwortete: „Muss noch mit … sprechen Unsere sache ok“. profil nennt den von Tojner im Chat erwähnten Namen aus medienrechtlichen Überlegungen vorerst nicht. Es handelt sich um einen Unternehmer, der mit Tojner gemeinsame Geschäfte macht.
Drei Tage später, am 11. Jänner 2018, schrieb Tojner an Chorherr und verwies auf die bewusste Person: „… gesprochen Alles ok Nur sie müssen ihm das schulprojekt kurz erklären Damit im fall der fälle alles erklären“. Reichlich kryptisch. Tojner übermittelte Chorherr eine elektronische Visitenkarte des genannten Unternehmers. Der Politiker antwortete: „Danke! Ich werd ihn treffen. Lg c“.
Zufall oder nicht: Eine gute Woche später, am 19. Jänner, langte beim Verein „s2arch“ eine Spende der Firma des bewussten Unternehmers über 30.000 Euro ein. Hat Tojner mit dem Wissen Chorherrs eine verdeckte Spende eingefädelt? Und sollte der Unternehmer vorab entsprechend über das Projekt informiert werden, damit er „im Fall der Fälle“ erklären konnte, die Unterstützungszahlung wäre aus eigenem Antrieb erfolgt?
„Haltlose Unterstellungen“
Lange bevor die Chats ausgewertet wurden, hat das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung den Unternehmer als Zeugen unter Wahrheitspflicht einvernommen und gefragt, was ihn zur Spende veranlasst habe. Die Antwort lautete im Wesentlichen: „Ich finde, was ich aus den Zeitungen kenne, die Arbeit von Herrn Chorherr sehr gut.“ Auch anderweitig will er über Chorherr und den Verein nur Gutes gehört haben. Der Mann gab sehr wohl zu Protokoll, Chorherr „einmal auch persönlich zu diesem Projekt befragt“ zu haben. Wahrscheinlich habe er auch mit Tojner über „Ithuba“ gesprochen. Dass die Spende von Tojner eingefädelt wurde – was eine Deutungsmöglichkeit der nun vorliegenden Chats wäre -, sagte der Unternehmer nicht. Hat er die volle Wahrheit ausgesagt?
Auf profil-Anfrage wies der Mann die „haltlosen Unterstellungen“ zwar „auf das Schärfste“ zurück. Detailfragen – konkret zur möglichen Rolle Tojners – ließ er allerdings unbeantwortet. Allgemein betonte er, die Unterstützung des Vereins „s2arch“ sei „aus persönlicher Überzeugung und im Einklang mit meinem privaten Engagement für viele andere Hilfsprojekte dieser Art in Afrika“ erfolgt. Er habe diese „in keinem wie immer gearteten Konnex“ zu einer Funktion von Christoph Chorherr oder anderer öffentlichen Stellen geleistet. Der Unternehmer wies auch darauf hin, dass Chorherr ab Jänner 2018 nicht mehr Obmann von „s2arch“ gewesen sei.
Erst Obmann, dann Berater
Tatsächlich legte Chorherr im Jänner 2018 die Vereinsobmannschaft zurück. Sein Nachfolger scheint im Vereinsregister per 12. Jänner 2018 in dieser Funktion auf – somit knapp nach den zitierten Chats und knapp vor dem Eingang der Spende. Aussagen im Ermittlungsverfahren haben allerdings auch ergeben, dass Chorherr weiterhin als Gast an Vorstandssitzung teilnahm. Chorherr selbst sagte, er habe den Verein unentgeltlich beraten.
Tojner griff übrigens persönlich ein zweites Mal zugunsten von „s2arch“ in die Tasche: Im Mai 2018 spendete er 35.000 Euro. Was auch immer Chorherr zu diesem Zeitpunkt noch für eine Rolle im Verein hatte – politisch im Gemeinderat war er jedenfalls nach wie vor tätig.
„Keinerlei Pflichtwidrigkeiten“
Chorherrs Anwalt Richard Soyer wollte auf profil-Anfrage nicht auf Details eingehen und verwies auf eine frühere – allgemein gehaltene - Antwort. Fest steht, dass Chorherr im Mai 2021 eine Diversion beantragt hat: eine Verfahrenserledigung, bei der ein Beschuldigter zwar eine gewisse Verantwortung übernimmt und üblicherweise mit einer Zahlung davonkommt, die aber kein strafrechtliches Schuldeingeständnis darstellt. Darin hieß es, Chorherr erkenne an, „dass seine Tätigkeit als Amtsträger zeitgleich mit seiner Vereinsobmannschaft aufgrund der an den Verein ergangenen Spenden vor dem Hintergrund der geltenden Korruptionsbestimmungen ein Fehler war.“ Soyer meinte, das Ermittlungsverfahren habe „klar ergeben“, dass Chorherr „keinerlei Pflichtwidrigkeiten“ vorzuwerfen seien.
„Ordnungsgemäßes Widmungsverfahren“
Tojner-Anwalt Liebenwein teilte mit Blick auf den Eislaufverein-Chat mit, dass es für die geplante Umwidmung wesentlich gewesen sei, die Unterzeichnung der diesbezüglichen Verträge – wie in einem städtebaulichen Vertrag vorgegeben – umzusetzen: „Genau dies ist Inhalt der angeführten Kommunikation mit dem damaligen Planungssprecher der stadtregierenden Grünen, Christoph Chorherr. Es war das einzige Interesse, die Vorgaben des kooperativen städtebaulichen Expertinnenverfahrens und des städtebaulichen Vertrages umzusetzen.“
Was die Spenden an „s2arch“ betrifft, gibt profil die Stellungnahme Liebenweins vollständig wieder:
Unser Mandant hat die von ihm geleisteten Spenden an den Verein s2arch zu keinem Zeitpunkt der Ermittlungen in Abrede gestellt und sieht unverändert in dessen Projekten mehr als sinnhafte und unterstützenswerte Hilfsprojekte für Menschen in Afrika. Mit dem Beginn der Ermittlungen des laufenden Verfahrens im Jahr 2017 haben sich die Spendenaufkommen für den Verein s2arch reduziert, weshalb unser Mandant unverändert aus seiner Sicht die soziale Verpflichtung gesehen hat, dass Projekt gerade in dieser Zeit zu unterstützen und auch weitere Unterstützer zu finden. Es ist daher besonders befremdlich, welche Interpretation Sie dieser Haltung geben und dies auch noch kriminalisieren, obwohl sogar die ermittelnden Behörden feststellen, dass die Spenden 2018 in keinem Zusammenhang mit einem Widmungsverfahren der Stadt Wien stehen (siehe den Ihnen vorliegenden Akteninhalt). Dies gilt natürlich auch für alle anderen Spenden!
(Anmerkung: profil liegt ein Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2020 vor, in dem nicht nur die Tojner-Spende von 5.000 Euro im Juni 2017, sondern auch jene über 35.000 Euro im Mai 2018 als Teil der Verdachtslage angesehen wird.)
Die Behauptung, unser Mandant hätte dadurch ungebührliche Vorteile zugewandt oder zuwenden wollen, ist geradezu absurd. Dem diesbezüglich krampfhaften Versuch, zwischen dem ordnungsgemäß durchgeführten Widmungsverfahren betreffend das Projekt „Heumarkt Neu“ und den Unterstützungen eines Hilfsprojekts einen Konnex herzustellen und dem sozialen Engagement unseres Mandanten eine versuchte Beeinflussung von Amtsträgern zu unterstellen, treten wir entschieden entgegen! Es wurde für ein sozial gutes Projekt gespendet und dies unter Wahrung sämtlicher rechtlicher Vorgaben, die im Zusammenhang mit den ordnungsgemäß und ohne jegliche Beeinflussung durchgeführten Umwidmungsverfahren gegeben sind.