Ukraine

Ukrainerinnen in Österreich: Geflüchtet, um zu bleiben

Seit bald zwei Jahren suchen Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich Schutz. Auch Alisa Khokhulya sah ihr Exil monatelang nur als Übergangslösung. Nun sagt sie wie viele Vertriebene: „Wir bleiben.“ Österreich macht es ihnen nicht leicht.

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Der Vater, Kapitän der Küstenwache von Mariupol, einer Hafenstadt in der Oblast Donezk, begriff es als Erster. Am Morgen des 24. Februar 2022 rief er seine Tochter in Cherson an. Er liebe sie über alles, sagte er. Und sie würden einander wahrscheinlich nicht wiedersehen. „Nimm die Kinder, pack das Nötigste ins Auto und verschwinde, bevor es zu spät ist.“ Alisa Khokhulya legte das Handy weg und stellte sich unter die Dusche.

Nie hatte es ihr Vater, ein Soldat mit Leib und Seele, für möglich gehalten, dass Russland die Ukraine angreift. Niemand in der Familie war dafür gerüstet. Als sie das nächste Mal auf das Telefon schaute, trafen Nachrichten aus der gesamten Ukraine ein: „Wir wurden bombardiert!“ „Hier fliegen Bomben!“ „Und hier!“ „Hier auch!“ Es fühlte sich wie das Ende der Welt an. „Nehmt den Schlafanzug, die Hefte und Schulbücher. Ihr habt 20 Minuten Zeit, dann fahren wir“, sagte sie zu ihren Töchtern.

Heute lebt die 37-Jährige in einer kleinen Wohnung in Wien-Hietzing. In der Ecke steht ein roter Koffer. Er gehört ihrem Mann, der auf Frachtschiffen arbeitet und mehrere Monate auf See sein wird. Als in der Ukraine der Krieg ausbrach, war er gerade zwischen China und den USA unterwegs. Ihre Töchter, vier und sieben Jahre alt, sind bei einer Weihnachtsfeier. Alle sind wohlauf. Khokhulyas Vater aber hat den 24. Februar 2022 nicht überlebt.

Alisa Khokhulya

Die aus der Ukraine Vertriebene will in Österreich bleiben.

Alisa Khokhulya ist eine von rund 70.000 ukrainischen Vertriebenen (zwei Drittel davon sind weiblich), die der Krieg nach Österreich brachte. Wie viele hoffte sie, ihr Exil würde nicht lange dauern. Bald wird sich ihre Flucht zum zweiten Mal jähren. Die 37-Jährige hat sich dieses Leben nicht ausgesucht. Doch Österreich ist ein Teil davon geworden, hier ist ihr Zuhause. „Wir bleiben“, sagt sie. Der Satz für Zehntausende: Die ukrainischen Flüchtlinge sind gekommen, um zu bleiben. Wie geht es Khokhulya und ihren Landsleuten hier? Was macht ihnen zu schaffen? Und was hat Österreich mit ihnen vor?

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

war von 1998 bis 2024 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.