profil-Morgenpost

Unser Gegengift gegen Fake News zur Ukraine und Corona: Fakten

Können Faktenchecks etwas bewirken? Wir bei profil meinen: Ja. Eine Zwischenbilanz nach dem ersten halben Jahr faktiv.

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Angesichts von russischer Kriegspropaganda zum Angriffskrieg in der Ukraine, angesichts wildester Verschwörungstheorien zu Corona und einer wachsenden Zahl an digitalen Propagandamedien könnte man vor dem postfaktischen Zeitalter kapitulieren. Wir bei profil haben uns für einen anderen Weg entschieden: Seit ziemlich genau einem halben Jahr setzen wir Fake News und Desinformation etwas entgegen.

Das vierköpfige Team von faktiv, dem Faktencheck von profil, hat seit dem Launch im Oktober des Vorjahres knapp 50 Behauptungen von (Ex-)Bundeskanzlern, Parteien, Lobbygruppen und Alternativmedien geprüft – und in den überwiegenden Fällen Falschaussagen oder Irreführungen identifiziert. Aber bringt das auch was oder sind Verschwörungsgläubige ohnehin nicht mehr mit Fakten zu erreichen? Zeit für eine Zwischenbilanz.

Grund zur Hoffnung geben Sie, liebe Leserinnen und Leser. Nicht nur, weil Sie unsere Faktenchecks inzwischen über eine Million Mal angeklickt haben – sondern weil auch immer mehr von Ihnen unseren „Hinweis geben“-Button entdecken und uns fragwürdige Behauptungen schicken, die wir prüfen mögen. Bitte weiter so, und zwar hier! „Hallo, wollt ihr euch mal die Behauptung des ServusTV-Intendanten (Ferdinand Wegscheider, Anm.), dass die ‚Gen-Impfstoffe‘ abgelaufen seien und jetzt ‚einfach still und heimlich umetikettiert‘ würden, anschauen?“, schrieb eine Leserin Ende November an das faktiv-Team. Faktencheckerin Katharina Zwins griff diesen Hinweis auf und falsifizierte die Aussagen – nachzulesen im Faktencheck „Wegscheider von ServusTV: Mit Fake News gegen die Impfung“. Ähnliche Bitten erreichten uns über Twitter und Facebook.

Das Beispiel ServusTV zeigt übrigens auch, welche Wirkung die Faktenchecks von faktiv entfalten können: Der Presseclub Concordia brachte im Dezember eine Sachverhaltsdarstellung bei der Medienbehörde KommAustria gegen den Sender ein, der immer wieder mit unbelegten und falschen Behauptungen zum Coronavirus auffiel. Der Presseclub Concordia meint: ServusTV würde gegen das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (AMD-G) verstoßen, denn dieses schreibt vor, dass „Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen [sind]“. In seiner Begründung, warum der Sender diesen Grundsätzen wiederspreche, stützt sich der Presseclub unter anderem auch auf den faktiv-Faktencheck.

Es stimmt schon, einen radikalisierten Verschwörungstheoretiker wird kaum ein Faktencheck zum Umdenken bewegen – aber Zögerliche und Mitlesende können damit erreicht werden. Und die Checks sind, das wissen wir von vielen Rückmeldungen, eine gern genutzte Argumentationshilfe im Bekanntenkreis. Dafür haben wir uns noch etwas einfallen lassen: In einer vierteiligen Videoserie erklärt profil-Kolumnistin und Digitalexpertin Ingrid Brodnig, warum jede und jeder von uns auf Fake News hereinfallen kann. Und wie man Falschbehauptungen am besten enttarnt.

Es gibt sogar Hinweise dafür, dass Faktenchecks die politische Kultur verbessern können: In einer US-Studie wurden wahlkämpfende Politiker in mehrere Gruppen geteilt. Jene Politiker, die im Vorfeld darüber informiert wurden, dass alle ihre Aussagen einem Faktencheck unterzogen werden, setzten signifikant seltener Falschbehauptungen ab.

In Österreich hat sich dieser Effekt noch nicht gezeigt. Aber wir haben ja auch erst begonnen.

Jakob Winter

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.