Zwei Männer stehen nebeneinander: Alexander Van der Bellen und Herbert Kickl
Parlament

Empfangsboykott: FPÖ brüskiert den Bundespräsidenten

Alexander Van der Bellen lud die Abgeordneten zum Empfang nach der Angelobung. Die FPÖ blieb ihm geschlossen fern.

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Die konstituierende Sitzung eines neu gewählten Nationalrats ist für jeden Bundespräsidenten ein Pflichttermin. Daher nahm auch Alexander Van der Bellen am Donnerstag um 12.30 Uhr in der mittleren Loge im ersten Rang des Plenarsaals im Wiener Parlament seinen Platz ein. Zu seiner Linken saß seine Gattin Doris Schmidauer, zu seiner Rechten Parlamentsdirektor Harald Dossi. Nach der Angelobung der 183 Abgeordneten applaudierte das Staatsoberhaupt und verfolgte sodann die etwa einstündigen Redebeiträge vor der Wahl des Nationalratspräsidenten. Mehrfach fiel dabei auch Van der Bellens Name. Am Dienstag hatte der Bundespräsident ÖVP-Obmann Karl Nehammer mit der Bildung einer Bundesregierung beauftragt und damit den Chef der stärksten Partei, Herbert Kickl, übergangen.

In seiner Wortmeldung in der konstituierende Sitzung übte Kickl daran Kritik. Originalzitat: „Die Kluft zwischen der Politik auf der einen Seite und der Bevölkerung auf der anderen Seite zu schließen, anstatt sie immer weiter aufzureißen, sollte für jeden politischen Verantwortungsträger bei jeder einzelnen Entscheidung das Maß der Dinge sein, von der Staatsspitze beginnend.“ Die blauen Abgeordneten applaudierten an dieser Stelle demonstrativ. Karl Nehammer, der auch als Abgeordneter angelobt wurde, konterte unmittelbar nach Kickl am Rednerpult. Es gehöre zum „demokratischen Verständnis“, Entscheidungen wie jene des Bundespräsidenten zu akzeptieren, „die sich danach richten, wo Mehrheiten gefunden werden können“.

Prüfling Rosenkranz, Professor Van der Bellen

Nach dem Ende der Auftaktsitzung der neuen Gesetzgebungsperiode Donnerstagabend setzten die FPÖ-Abgeordneten ein besonderes Zeichen des Protests. Für 18 Uhr hatte der Bundespräsident die Abgeordneten zu einem Empfang in den Zeremoniensaal der Hofburg geladen, um mit Sekt, Bier und Wasser auf ihre Angelobung anzustoßen. Auch Brötchen wurden gereicht. Da die Parlamentssitzung länger als geplant gedauert hatte, begann der Empfang mit Verspätung. Allein: Die FPÖ boykottierte die Veranstaltung geschlossen. Nur der neue, erstmals von der FPÖ gestellte Nationalratspräsident machte seine Aufwartung: Walter Rosenkranz.

Dieser konnte allerdings Sympathiepunkte bei den Abgeordneten der anderen Fraktionen einheimsen. Erst sprach der Bundespräsident, gratulierte den Abgeordneten und erzählte von seiner eigenen Zeit im Parlament. Dann schilderte Rosenkranz in einer kurzen Rede seine besonderen Beziehung zum Staatsoberhaupt. Als Jus-Student an der Universität Wien habe er eine Prüfung aus Volkswirtschaft beim Universitätsprofessor Van der Bellen abgelegt. Seine Leistung sei „befriedigend“ ausgefallen.

Aus dem FPÖ-Klub heißt es gegenüber profil, es sei jedem Abgeordneten freigestellt gewesen, der Einladung des Bundespräsidenten Folge zu leisten. Die FPÖ sei durch den Nationalratspräsidenten höchstrangig vertreten gewesen. 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.