Ein Flugabwehrraketensystem
Blau-schwarze Verhandlungsprotokolle

Kapitel Verteidigung: 13 Monate Zivildienst und „ob das Wort Sky Shield im Regierungsprogramm steht“

FPÖ und ÖVP wollen beide eine Raketenabwehr. Auch auf Kooperationen mit anderen Ländern einigte man sich – aber nicht auf Sky Shield. Blauer Vorschlag: Zivil- und Grundwehrdienst sollen verlängert werden.

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Im Wahlkampf wurde Sky Shield zur großen Gewissensfrage der österreichischen Sicherheitspolitik hochstilisiert. Die FPÖ warnte vor einem Bruch der Neutralität und einem NATO-Beitritt durch die Hintertür, sollte Österreich dem Raketenschutzschirm-Projekt angehören. Die ÖVP erklärte daraufhin die Partei und ihren Obmann, Herbert Kickl, zum Sicherheitsrisiko. Denn nur wenn sich Österreich dem Schutzschirm anschließe und bei der Raketenabwehr kooperiere, könne die Bevölkerung bestmöglich geschützt werden. 

Im Verhandlungsprotokoll zwischen den beiden Parteien, das profil vorliegt, lassen sich aber viel banalere Gedankengänge nachlesen. Rot markiert steht im Kapitel Landesverteidigung und Sport: „Geht um die Frage, ob das Wort „Sky Shield“ im Regierungsprogramm steht.“

Kurz zur Erklärung: Um Drohnen oder Raketen abzuschießen, die in den eigenen Luftraum eindringen, braucht das Militär Raketenabwehrsysteme. Im Idealfall besitzt das Verteidigungsministerium solche Abwehrsysteme mit verschiedener Reichweite. Wenn ein feindliches Fluggerät also tief fliegt, ist eine Raketenabwehr mit einer Reichweite von 15 Kilometern gefragt. So etwas besitzt das Bundesheer auch. Österreich bräuchte aber auch ein Abwehrsystem mittlerer Reichweite, die ÖVP hatte sich auch für ein Abwehrsystem von großer Reichweite stark gemacht. Laut Protokoll wollte sie auch die FPÖ davon überzeugen. Offenbar erfolglos. 

Grundsätzlich haben sich die Verhandler zu einem Grundsatzbekenntnis zu Luftraumüberwachung, Luftraumverteidigung und Systemlückenschlüsse“ geeinigt. Aber was bedeutet das konkret? 

Auftrag an den Generalstab

Die FPÖ bleibt, wie in dem Dokument nachzulesen ist, bei ihrem Nein zu Sky Shield. Die bisherigen (rechtlich nicht bindenden) Vereinbarungen sollen aufgekündigt werden. Der Generalstab wird beauftragt, neutralitätskonforme Alternativen auszuarbeiten“, heißt es. Die Zeilen sind allerdings rot markiert. Und das bedeutet: keine Einigung.

Allerdings: Sowohl Juristen als auch Militärexperten haben stets betont, dass Sky Shield mit der Neutralität sehr wohl vereinbar ist. Selbst Robert Brieger, jetzt höchstrangiger EU-Militär und zuvor Generalstabschef unter FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek, wirbt für das Projekt. Es ist handelt sich nicht um eine Initiative der NATO oder der EU, sondern von Deutschland. 2022 startete das Land die Initiative, um mit mehreren anderen europäischen Ländern bei der Beschaffung von Raketenabwehrsystemen, der Ausbildung des Personals und dem Austausch der Radardaten zu kooperieren. 21 Staaten sind dabei, die meisten davon gehören auch der NATO an, aber neben Österreich ist bisher auch die neutrale Schweiz dabei. Für die Luftabwehr per se trägt jedes Land selbst die Verantwortung. 

Offenbar haben die Freiheitlichen prinzipiellen Kooperationen bereits zugesagt: Es spricht nichts gegen gemeinsame Beschaffungs- und Ausbildungskooperationen mit anderen Staaten, heißt es in dem Dokument, aber der Betrieb der bodengebundenen Luftabwehr hat – auch bereits in Friedenszeiten – eigenständig, also nationalstaatlich zu erfolgen.“ Das wäre genau der Vorgang, der auch bei Sky Shield vorgesehen wäre. Nur mit einem Punkt hat die FPÖ nach wie vor ein Problem: „Eine Weitergabe von Daten zum Zwecke der bodengebundenen Luftabwehr an Mitgliedsländer der European Sky Shield Initiative (ESSI) darf nicht erfolgen.“ Schon jetzt teilen Österreich und andere (Nachbar)-Länder Daten über den Luftraum aus, denn für die Sicherheit ist wichtig, welche Fluggeräte sich in welcher Geschwindigkeit Richtung Österreich bewegen. Diesen Vorgang will die FPÖ aber nicht intensivieren. 

Scheitert das Ja der FPÖ zu Sky Shield am Ende nur an dem Datenaustausch? Oder geht es mittlerweile um das Prinzip, dass die zwei Wörter schlicht nicht im Regierungsprogramm vorkommen dürfen? Prinzipiell wäre eine Raketenabwehr ohne Kooperation möglich. Aber, Experten warnen: Sie könnte für Österreich teuer kommen und im Ernstfall, sollte es keinen Datenaustausch geben, auch weniger effektiv sein. 

13 Monate Zivildienst 

Auch in anderen Punkten in dem Kapitel Landesverteidigung haben ÖVP und FPÖ noch Gesprächsbedarf:  Laut dem Dokument wollen die Freiheitlichen den Grundwehrdienst ab dem Jahr 2027 von sechs auf zehn Monate verlängern. Damit würde die Grundausbildung acht Monate lang dauern, dazu müssten die jungen Männer immer wieder für Übungen zurückkommen. Das würde den Präsenzdienst insgesamt verlängern: Parallel dazu wird mit Beginn des Jahres 2027 die Dauer des Zivildienstes auf 13 Monate angehoben und zusätzlich eine 1-monatige ‚Übungsverpflichtung‘ für Zivildiener eingeführt.“ Auch diese Passage ist rot markiert, genauso wie eine andere Maßnahme: Der Papa-Monat, der für Präsenzdiener ermöglicht wurde, sollte wieder gestrichen werden.

Zukunft der Eurofighter? 

Neben der geplanten Raketenabwehr am Boden wird der Luftraum auch mit Fliegern geschützt. Sie steigen zum Beispiel auf, wenn ein unidentifizierbares Flugobjekt über Österreich unterwegs ist. Derzeit steckt das Ministerium gerade mitten in den Beschaffungsprozess von sogenannten Advanced Jet Trainern. Das sind Flieger, die neben den Eurofightern für die Luftraumüberwachung und Ausbildung der Pilotinnen und Piloten eingesetzt werden sollen. Österreich hatte lange neben den Eurofightern einen zweiten Flieger-Typus im Einsatz, bis er aus altersbedingt ausgemustert werden musste. Ein Ersatz wurde lange hinausgezögert. Laut dem Papier ist die FPÖ allerdings gegen den Kauf dieser Advanced Jet Trainer und für die „Beibehaltung des derzeitigen Ein-Flotten-Systems der aktiven Luftraumüberwachung“. Damit wären weiterhin alleine die Eurofighter im Einsatz. Aber auch ihre Zukunft müsste altersbedingt bald entschieden werden. Darauf konnten sich die Parteien immerhin einigen: „Der Entscheidungsprozess über die Nachfolge des Abfangjägers ist aufgrund seines Alters und seiner technischen Obsoleszenzen so rasch als möglich zu starten.“

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.