Verschwörungstheoretiker dominieren FPÖ-Bauernprotest in Wien
Hannes Brejcha genießt das Bad in der Menge. Er schüttelt dutzende Hände, sagt davor Sätze wie: „Ja, wen haben wir denn da?“ und gibt Medienvertretern und YouTubern bereitwillig Interviews. Brejcha steht im Mittelpunkt der Bauernkundgebung am Wiener Ballhausplatz. Der Haken ist nur: Brejcha ist gar kein Landwirt, bekannt wurde er als eine der zentralen Figuren der Wiener Corona-Demos in den Jahren 2021 und 2022. Und so haben seine Interviewantworten auch wenig mit der Lebensrealität der Bauern zu tun. Er bedient verschwörungstheoretische Erzählungen über die Weltgesundheitsorganisation WHO, den angelich-drohenden „Great Reset“ und die „Plandemie“.
Bei der Bauernkundgebung – zu der die FPÖ aufgerufen hat – spielen diese Themen eine große Rolle. Der erste Versuch der Freiheitlichen, die deutschen Bauernproteste zu importieren, geht in der Gemengelage fast unter. Ungefähr die Hälfte der rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tragen Buttons oder andere Utensilien bei sich, mit der sie ihren Widerstand gegen Impfpflicht, Kindesmisshandlungen, die NATO oder die EU zur Schau trugen. Es ist eine Art Klassentreffen der Maßnahmenkritiker.
Die Bauern am Rande
Um die Bauern geht es viel weniger. Zwar spricht FPÖ-Agrarsprecher Peter Schmiedlechner in seiner Rede darüber, dass er zwar im Nationalrat sitze, aber mit Leib und Seele Bauer sei. Der Niederösterreicher redet über die steigenden Anforderungen für die Landwirte, den Weizenimport aus der Ukraine, der die Preise nach unten treibe und den „Green Deal“ der EU, der zwar wenig zum Klimaschutz beitrage, den Bauern aber neue, bürokratische Hürden beschere. Das Publikum klatscht artig, Brejcha lässt in einem Gespräch den Satz fallen, dass die Bauern ja nur ein Randthema seien.
Schmiedlechner – der Anfang der Woche eine Demonstration in Deutschland mit fast 10.000 Teilnehmern besucht hat – will die Veranstaltung nicht als gescheitert beschreiben, im Gegenteil: „Für das erste bin ich sehr zufrieden“, sagt er in einem Interview. Und betonte, dass der ÖVP-Bauernbund eine größere Mobilisierung schwer gemacht habe, dieser habe gegen den Protest klein gehalten. Profil berichtete bereits über die Haltung des Bauernbundes, der sich dafür ausgesprochen hat, „seine Meinung in den zuständigen Gremien zu vertreten, als auf der Straße zu diskutieren.“
„Es fällt jetzt allen leichter, uns als Blaue zu diskreditieren“
Immerhin: Elf Traktoren sind zum Ballhausplatz gekommen, sie parken am Rande der Kundgebung, ringsherum versammeln sich etwa 30 Bauern. Ein junger Niederösterreicher, der anonym bleiben will, sagt: „Die Politik setzt sich aktiv über die Bauern hinweg.“ Außerdem könne man von den Erträgen der eigenen Arbeit kaum noch leben, den eigenen Stundenlohn wolle er sich gar nicht ausrechnen.
Ein zweiter, burgenländischer Bauer, der seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen will, beschwert sich über Konsumententäuschung bei der Herkunftskennzeichnung: „Da wird Weizen aus Osteuropa importiert, dann in Österreich gemahlen und dann steht auf der Mehlpackung, dass es österreichische Ware ist. Das kann nicht sein.“ Bei ihm zu Hause würden sich im Wirtshaus und im Lagerhaus alle beklagen, sogar die Funktionäre des Bauernbundes. „Aber sie trauen sich nicht, zu kommen.“
Mit der FPÖ-Vereinnahmung haben die beiden keine Freude. Der Niederösterreicher sage, dass er keine besondere Nähe zu den Freiheitlichen habe, oft gehe er nicht zur Wahl. Der Burgenländer hat bis vor wenigen Tagen Agrarsprecher Schmiedlechner gar nicht gekannt, aber: „Es fällt jetzt allen im Ort leichter, uns als Blaue zu diskreditieren. Aber es kann so nicht weiter gehen, wir müssen auf die Straße gehen.“