Österreich

Verstärkter Antisemitismus als Folge der Krise

Jung, eingewandert, schlecht gebildet, Glaube an Verschwörungstheorien: Diese Parameter tragen laut aktuellem Antisemitismus-Bericht am häufigsten zum Anstieg der Judenfeindlichkeit in Österreich bei.

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“Antisemitismus ist der Spiegel der Gesellschaft”, erklärte Thomas Stern, Projektkoordinator des aktuellen Antisemitismus-Berichtes am Dienstag im Parlament. Der Vergleich zu den vergangenen Jahren  zeigt, dass Antisemitismus in Österreich zwar während der Corona-Pandemie zurückging, mittlerweile das Niveau von 2018 aber wieder erreicht und teilweise sogar übertroffen wurde. “Wir haben ein Antisemitismus-Problem in Österreich”, so Stern.

Besonders stark ausgeprägt sei das in der Gruppe der befragten Migranten aus der Türkei oder aus arabischsprachigen Ländern, auch in der zweiten und dritten Generation. Zwei Drittel sind laut Bericht der Ansicht, dass sich “Jüdinnen und Juden in Bezug auf den Umgang mit Palästinensern nicht anders verhalten, als Deutsche gegenüber Juden im Zweiten Weltkrieg”. 36 Prozent seien laut Studie “manifest antisemitisch” eingestellt. Gar 40 Prozent sehen “den Holocaust als übertrieben dargestellt”.

Krisen befeuern Antisemitismus

Gerade die Corona-Pandemie habe laut Wolfgang Sobotka, der die Studie gemeinsam mit Eva Zeglovits (IFES) und eben Thomas Stern, (Braintrust) präsentierte, den Glauben an Verschwörungstheorien befeuert. Je mehr die Befragten an Verschwörungsmythen glauben, desto stärker seien sie auch antisemitisch eingestellt. Das treffe laut Studie auch dann zu, wenn jene Mythen per se nichts mit Jüdinnen und Juden zu tun haben. Besonders stark ist dieser Verschwörungsantisemitismus bei Migrantinnen und Migranten ausgeprägt. 

Beim sogenannten Verschwörungsantisemitismus erhalten Verschwörungsmythen, die die Existenz weltweiter jüdischer Netzwerke unterstellen, die höchste Zustimmung (36 Prozent). Ebenso sieht knapp jeder fünfte Befragte “Jüdische Eliten in internationalen Konzernen hinter den aktuellen Preissteigerungen”. 

Bildung und TikTok als Schlüssel 

Verschwörungsmythen wirken bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich stärker auf antisemitische Haltungen. Der Einfluss der Schulbildung sei laut Studie deshalb essentiell. Vor allem männliche Jugendliche ohne Matura im städtischen Raum fallen durch eine stärker ausgeprägte antisemitische Haltung auf.  

Wird Antisemitismus im Unterricht thematisiert, mindert dies laut Studie stets die Ablehnung gegenüber antesimitischen Haltungen. Besonders wirksam seien demnach vor allem Berichte und Interviews über Zeitzeuginnen und Zeugen sowie Gespräche über den Nahostkonflikt. 

Um junge Menschen aber auch abseits der Schule zu erreichen, werden Soziale Medien immer mehr zur Aufklärungsplattformen. So erzählt die 84-Jährige Holocaust-Überlebende Tova Friedman (mit Hilfe ihres Enkelsohnes) ihre Geschichte der Verfolgung auf der App; spricht in den Kurzclips über ihr Leben und das Leid im jüdischen Ghetto und wie sie physisch und psychisch die Gräuel des Vernichtungslagers Auschwitz überlebte. Ein Vorzeigeprojekt, das auch während der Wiener Antisemitismus-Konferenz international als Vorbild dafür dienen soll, jungen Menschen die Zeitzeugenberichte auch abseits der Schule näher zu bringen. 

Antisemitismus-Bericht

Zum dritten Mal - nach 2018 und 2020 - erhob IFES im Auftrag des Parlaments die Einstellung gegenüber Jüdinnen und Juden. Für die aktuelle Studie wurden von Mitte Oktober bis Ende November des vergangenen Jahres 2.000 Personen ab 16 Jahren telefonisch und online befragt. Auch diesmal wurde die Gesamtstichprobe aufgestockt, indem fast 1.000 in Österreich lebende Menschen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund in einer eigenen Stichprobe berücksichtigt wurden.

 

Maximilian Mayerhofer

Maximilian Mayerhofer

war bis Mai 2023 Online-Redakteur bei profil. Davor war er beim TV-Sender PULS 4 tätig.