Verteidigungsminister: „Die ungeschminkte Wahrheit“
profil: Herr Bundesminister, steht das Bundesheer wirklich vor der Pleite, wie Sie in ihrem Tagesbefehl zu Amtsantritt warnten? Starlinger: Definitiv! Wenn Sie von Ihrem Unternehmen wissen, dass im Jahr 2021 Ihre Fixkosten nicht mehr durch Ihr Budget gedeckt sind, würden Sie im Zivilbereich von einer Pleite sprechen. profil: Sie haben schon 2013 vor einer Pleite gewarnt. Sind Sie zu alarmistisch? Starlinger: Ich habe schon in meiner Diplomarbeit im Jahr 2000 auf den dramatischen Zustand des Heeres hingewiesen. profil: Aber die Pleite ist nie eingetreten. Starlinger: Es ist gelungen, sie durch verschiedene Sonderfinanzierungspakete hinauszuzögern. Aber auch das hat ein Ende. Einen Heeres-LKW können Sie 20 Jahre fahren, dann stecken Sie noch ein wenig Geld hinein, dann können Sie ihn 30 Jahre fahren. Aber irgendwann geht es nicht mehr. An diesem Punkt sind wir angelangt. Wir können uns nicht einmal mehr die Pickerl leisten.
Ich höre von den Soldatinnen und Soldaten, dass sie sich freuen, dass jemand die ungeschminkte Wahrheit sagt.
profil: War die von Ihnen ursprünglich angekündigte Absage der Leistungsschauen zum Nationalfeiertag nicht reine Effekthascherei? Da ging es um zwei Millionen Euro. Starlinger: In einem Gespräch mit dem Finanzminister haben wir uns darauf geeinigt, die Leistungsschau unter Berücksichtigung des Kostenaspektes durchzuführen. Wichtig war mir dabei, dass die geplanten Maßnahmen im Bereich der Erhöhung der Mobilität der Truppe fortgeführt werden und konkrete Schritte zur besseren Ausstattung der Miliz gesetzt werden. profil: Haben es Ihre Vorgänger im Amt des Verteidigungsministers verabsäumt, die drohende Pleite des Heeres zu thematisieren? Starlinger: Als Soldat laviere ich nicht lange herum, sondern rede Klartext. Ich höre von den Soldatinnen und Soldaten, dass sie sich freuen, dass jemand die ungeschminkte Wahrheit sagt. profil: Kann das Heer noch einen umfassenden Katastrophenschutz garantieren? Starlinger: Denken wir an das Hochwasser 2002 zurück. Damals hatten wir über 12.000 Soldaten im Einsatz. Das ginge heute nicht mehr in diesem Ausmaß.
profil: Wo konkret wollen Sie die von Ihnen genannten 47 Millionen Euro für 2019 einsparen? Starlinger: Wir erstellen gerade eine Liste der möglichen Einsparungsmaßnahmen und werden diese priorisieren. So wird es für die neuen Tarnuniformen keine weiteren Bestellungen geben. Kleinvieh macht auch Mist. Außerdem versuchen wir, den Betrag von 47 Millionen weiter zu reduzieren. Dazu wurden die aktuelle Budgetsituation gemeinsam mit dem Finanzministerium analysiert und mögliche Handlungsfelder festgelegt. profil: Sind weitere Kasernenschließungen ein Thema? Starlinger: Wenn ich die Bedrohungslage analysiere, sind keine Standorte des Bundesheeres infrage zu stellen. Das gilt auch für kleine Kompanie-Kasernen wie jene in Tamsweg. Diese Kaserne ist ein klassisches Beispiel für eine Sicherheitsinsel in der Region, die ich etwa bei Black-outs brauche. Wenn dort auch Feuerwehr und Rettung vertreten sind, teilen sich die Kosten auf. Der Salzburger Landeshauptmann hat seine Gesprächsbereitschaft für diesbezügliche Investitionen bereits angekündigt. profil: Die Vorgängerregierung hat 300 Millionen für 15 neue Hubschrauber versprochen. Geht sich das aus? Starlinger: Sie sagen es, das ist ein Versprechen, das erst im künftigen Budget abgebildet werden muss. Drei Black-Hawk-Helikopter wurden bereits bestellt. Die Entscheidung der Nachfolge für die Alouette III ist offen und wird durch den nächsten Minister getroffen. Wir analysieren Kaufpreis, Erhaltungs- und Ausbildungskosten und bereiten die entsprechenden Unterlagen vor.
Es gab eine eindeutige Entscheidung des Volkes für die Wehrpflicht, und der ist zu entsprechen.
profil: Sie haben sich einst für ein Berufsheer und gegen die Wehrpflicht ausgesprochen. War das ein Fehler? Starlinger: Es gab eine eindeutige Entscheidung des Volkes für die Wehrpflicht, und der ist zu entsprechen. Allerdings braucht es auch dazu die notwendigen Ressourcen. profil: Soll der Assistenzeinsatz an der Grenze beendet werden? Starlinger: Das ist primär eine politische Entscheidung. Festzuhalten ist, dass der Einsatz an der Grenze mit Ausbildungseinschränkungen verbunden ist und die Soldaten danach nur bedingt in der Miliz verwendbar sind. profil: Soll der Grundwehrdienst wieder von sechs auf acht Monate verlängert werden? Starlinger: Auch das ist eine politische Entscheidung. profil: Sie sind Politiker. Starlinger: Aber so eine Entscheidung muss von einer breiten Mehrheit im Parlament getragen werden.
profil: Sie sagten vor Jahren, sechs Monate Grundwehrdienst seien „absolut“ zu kurz. Starlinger: Ich bin für Ehrlichkeit. Wir werden die Auswirkungen darstellen, wenn Soldaten nur sechs Monate ausgebildet werden und dann ohne Übungen Einsatzaufgaben im Rahmen einer Mobilmachung übernehmen müssen. profil: Werden weitere Auslandsmissionen wie im Kosovo zurückgefahren? Starlinger: 60.000 Euro kostet ein Soldat. Wenn die Regierung 1000 Soldaten im Ausland will, muss sie 60 Millionen Euro bereitstellen. Bei 40 Millionen gehen sich nur etwa 660 Soldaten aus. profil: Die Regierung sind Sie. Starlinger: Aber wir sind keine Budgetverhandler. profil: Wenn die neue Regierung angelobt ist, ziehen Sie wieder Ihre Uniform an? Starlinger: Die Uniform trage ich jetzt schon bei Truppenbesuchen. Aber ja, dann kehre ich zurück in die Hofburg und übergebe guten Gewissens dem neuen Minister ein Haus, in dem alles klar beurteilt wurde.