Klaudia Tanner. Die Ministerin plant, Teile ihres Ressorts in die Bundesländer zu verlegen.
Bundesheer

Verteidigungsministerium will Dienststellen in Bundesländer verlegen

Das Bundesheer wartet auf die versprochenen Milliarden. Die Neutralitätsdebatte wird verweigert. Wie krisenfest ist Klaudia Tanner?

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Für kurze Zeit musste man befürchten, dass das Bundesheer seine Chefin verliert. Nach Elisabeth Köstingers Rücktritt blühten Spekulationen, Klaudia Tanner könnte ihr als Landwirtschaftsministerin folgen. Immerhin war sie vor ihrer Beförderung zur Verteidigungsministerin Direktorin im ÖVP-NÖ-Bauernbund gewesen. Tanner dementierte – und der Job ging der schwarz-türkisen Machtlogik folgend ohnehin an den Tiroler Norbert Totschnig.

Der Abschied der Verteidigungsministerin wäre auch zur Unzeit erfolgt, nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine. Vor einem Jahr hatte Tanner einen großen Umbau in ihrem Ressort und im Bundesheer initiiert. Im April beschloss der Ministerrat die Strukturreform, die eine schlankere Organisation  bringen soll. Die Umsetzung startete allerdings mit einer Blamage. Laut Tanners Plänen hätten aus fünf Sektionen im Verteidigungsministerium (BMLV) drei sogenannte Generaldirektionen werden sollen. Wie jüngst die Austria Presse Agentur berichtete, müssen diese drei Direktionen aus rechtlichen Gründen weiterhin „Sektionen“ heißen. Denn das Bundesministeriengesetz hält in seinem Paragraf 7 dezidiert fest: „Die Bundesministerien gliedern sich in Sektionen, diese wieder in Abteilungen.“ Auch der Generalstab kann nicht in „Generaldirektion für Landesverteidigung“ umbenannt werden. 

In Zukunft besteht das BMLV aus einer Sektion für Verteidigungspolitik (etwa Recht, Diplomatie, Kommunikation), der Präsidialsektion (Personal, Budget) und dem Generalstab, dem acht Direktionen unterstellt sind, in denen die Fachbereiche der Truppe geführt werden. So ganz sicher dürfte man sich im Ministerium aber nicht sein. In zwei Jahren soll die neue Organisationsstruktur evaluiert und gegebenenfalls korrigiert werden. 

Die Reform bringt einen neuen Organisationsplan für das Personal, der derzeit vom zuständigen Beamtenministerium von Vizekanzler Werner Kogler geprüft wird. Einige Spitzenjobs wurden bereits ausgeschrieben – und vergeben. So ist mit der Führung der Sektion Verteidigungspolitik nun Arnold Kammel betraut, der frühere Kabinettschef von Klaudia Tanner. Als Favorit für den Posten des nächsten Generalstabschefs gilt Generalmajor Rudolf Striedinger, ein enger Tanner-Vertrauter und Co-Leiter der Corona-Krisenkoordination Gecko. 

Formal wurde die Reform per Weisung der Ministerin am 1. Mai in Kraft gesetzt. Bei der Umsetzung droht eine Verzögerung, wie profil aus Ressortkreisen zugetragen wurde. Denn anders als erwartet sind für den Umbau Änderungen im Wehrgesetz notwendig. Ein Entwurf und die dazugehörigen Erläuterungen liegen profil vor. Und diese dürften in Politik und Ministerialbürokratie Wirbel verursachen. Denn Tanner plant nichts anderes als eine Aushebelung der Verfassungsbestimmungen zur obersten Verwaltung. Artikel 5, Absatz 1 der Bundesverfassung normiert, dass Wien Bundeshauptstadt und Sitz der obersten Organe des Bundes, also der Ministerien, zu sein hat. Auch der Verfassungsgerichtshof stellte mehrfach fest, dass Dienststellen von Ministerien jedenfalls in Wien einzurichten sind. Eine Dekonzentration eines Ministeriums wäre mit der Verfassung unvereinbar. Doch genau dies hat Tanner nun vor.

In den Erläuterungen zur geplanten Änderung des Wehrgesetzes steht: „Eine strikte Beschränkung der Zentralstelle des Verteidigungsressorts auf Wien ist jedoch unzweckmäßig und widerspricht aktuellen Bestrebungen für eine verstärkte Nutzung einer modernen Büroorganisation und -kommunikation.“ Daher soll „eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für eine Dislozierung einzelner Organisationseinheiten des Bundesministeriums für Landesverteidigung geschaffen werden“. Diese Rechtsgrundlage findet sich im Entwurf zur Änderung des Wehrgesetzes. Dort heißt es: „Nach Maßgabe militärischer Interessen dürfen Teile des für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesministeriums außerhalb Wiens eingerichtet werden.“ 

Allerdings hat die Sache einen großen Haken. Um das Wehrgesetz ändern zu können, ohne dass dies Artikel 5 der Bundesverfassung widerspricht, benötigt Tanner eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat, über welche die ÖVP-Grünen-Koalition nicht verfügt. Doch dürfte wohl keine der drei Oppositionsparteien bereit sein, der Ministerin die notwendigen Stimmen für ihren großen Plan zu verschaffen – zumindest nicht ohne harte Verhandlungen. 

Selbst bei einer relativ kleinen Neuregelung wird Tanner die Unterstützung von SPÖ, FPÖ und NEOS unter Umständen verwehrt bleiben. Die Reform sieht vor, dass das Heeres-Personalamt in das BMLV eingegliedert wird. Auch dafür benötigt Tanner eine Verfassungsmehrheit im Nationalrat. 

Aus dem BMLV heißt es gegenüber profil zur verfassungsrechtlichen Problematik der Reform, „die rechtlichen Grundlagen“ dazu seien „noch in Ausarbeitung“. NEOS-Wehrsprecher Douglas Hoyos ist kritisch: „Dieser Plan des Ministeriums ist rechtlich sehr gewagt und könnte dem Bundesheer letztlich schaden.“

Mastermind der Reform ist der höchste Beamte im BMLV, Generalsekretär Dieter Kandlhofer. Dessen Wirken wird in der Generalität insgesamt skeptisch gesehen, da Kandlhofer angetreten ist, um im Heer Sparmaßnahmen zu setzen. Jüngst machte er auch an einer Nebenfront auf sich aufmerksam. Für das BMLV betreute Kandlhofer das Großprojekt einer neuen Kaserne am Klagenfurter Flughafen. Als bekannt wurde, dass der Spitzenbeamte mit einem involvierten Unternehmer privat geschäftliche Verbindungen pflegt, wurde er von Tanner – nach einigem Zögern – vom Projekt abgezogen. 

An neuen Sparplänen muss Kandlhofer wohl nicht mehr arbeiten. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine änderte sich die Einstellung der Politik zum seit Jahrzehnten unterdotierten Heer schlagartig. Der Investitionsrückstau beträgt zehn Milliarden Euro. Rasch einigte sich die Koalition mit der Opposition darauf, das Heeresbudget ab 2023 auf ein Prozent des BIP, und damit von derzeit 2,7 auf über vier Milliarden Euro anzuheben. Allerdings sollen die türkis-grünen Gespräche stocken. Eigentlich hätte die Erhöhung längst den Ministerrat passieren sollen.

Manche in der ÖVP munkeln, die Grünen würden für ihre Zustimmung eine Gegenleistung erwarten. Stimmt nicht, sagt Grünen-Wehrsprecher David Stögmüller: „Wir Grüne stehen zu diesem Beschluss und verhandeln mit dem Koalitionspartner über eine entsprechende Dotierung des Wehrbudgets. Dazu braucht es aber einen längerfristigen Plan, wofür das zusätzliche Geld benötigt wird.“ 

Aufgrund der Verzögerungen wird im Generalstab bereits befürchtet, dass die Erhöhung am Ende doch nicht kommt. Um das Budget in Höhe von einem Prozent jährlich auch für die Zukunft zu fixieren, schlagen Militärs vor, den Wert in einem Streitkräfteentwicklungsgesetz festzuschreiben.

Die Debatte über die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik verweigert auch die zuständige Verteidigungsministerin. Denn die Österreicher würden, so Klaudia Tanner, die Neutralität „im Herzen tragen“. Die frühere Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) kommentierte dies bei einer Veranstaltung jüngst trocken. Für eine vernünftige Sicherheitspolitik, so Plassnik, sollte auch „der Kopf“ nicht fehlen. Denn: „Kopflos macht es auch nicht besser.“  

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.