Nehammer-Video

Von Wurstsemmerl bis Burger: Österreichs „Marie Antoinette“-Momente

Volksnähe ist eines der wichtigsten Attribute von Politikern. Mit unbedachten Äußerungen können sie ihr Image ramponieren. Bundeskanzler Nehammer steht mit seiner „Hamburger“-Aussage nicht alleine da.

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Karl Nehammer ist gerade in aller Munde. Grund dafür ist ein geleaktes Video, das den Bundeskanzler bei einem Funktionärstreffen in einer Vinothek in Hallein während einer Ansprache zeigt. Dort fragt der Bundeskanzler, warum beispielsweise Frauen Teilzeit arbeiten, obwohl sie keine Betreuungspflichten hätten. Eltern, die sich für ihre Kindern kein warmes Essen leisten können, sollen laut Nehammer zur Fastfoodkette McDonald’s gehen und ihren Kindern Hamburger und kleine Pommes kaufen. Die aufgezeichneten Aussagen sorgen seit ihrer Veröffentlichung für Empörung. Viele Kritiker fühlen sich an das berühmte Zitat erinnert, das Marie Antoinette zugeschrieben wird: „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen.“

Tatsächlich hat die Frau des französischen Königs Ludwig XVI das so nie gesagt, doch im Netz machten schnell Abwandlungen des Zitats die Runde: „Dann sollen sie doch Burger essen.“ Nehammer selbst steht zu seinem Video und ist sich keinem Fehler bewusst. Er ist jedenfalls nicht der erste Politiker, der einen “Marie-Antoinette”-Moment erlebt.

Silvia Grünberger und die teuersten Wurstsemmeln der Welt

2004 sorgte die damalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete Silvia Grünberger (ehemals Fuhrmann) in einem ORF-Interview für Erheiterung: Die damalige ÖVP-geführte Regierung debattierte über eine Pensionskürzung von zehn Euro netto im Monat. Die Diskussion konnte Grünberger nicht nachvollziehen und sagte im Interview: „Um 10 Euro kann man beim BILLA gerade drei Wurstsemmeln kaufen.“ Für diese Aussage erntete sie unter anderem auch von Seiten der ÖVP Kritik. Man warf ihr vor, “abgehoben und weltfremd” zu sein. Außerdem ging ihre Rechnung nicht auf: Selbst im Inflationsjahr 2023 kostet eine Wurstsemmel bei der Supermarktkette BILLA maximal zwei Euro. Vor 19 Jahren war es noch deutlich weniger. Immerhin: Dafür, dass der Eindruck entstanden sei, zehn Euro wären nichts wert, entschuldige sich die Politikerin. Besonders geschadet hat Grünberger die Aussage jedoch nicht. 2006 wurde sie erneut in den Nationalrat gewählt und war bis zu ihrem Wechsel in die Privatwirtschaft 2013 Jugend- und Kultursprecherin der ÖVP

Hartinger-Klein und die 150 Euro

2018 wurde in der türkis-blauen Regierung über die Kürzung der Mindestsicherung debattiert. Beate Hartinger-Klein, zu dieser Zeit Sozialministerin, behauptete in einem Interview mit “oe24”, Bezieher von Mindestsicherung könnten von 150 Euro - sofern die Wohnkosten abgedeckt wären - leben. Die politische Konkurrenz tobte und bezeichnete sie als “blaue Unsozialministerin".

Eugen Freund und die 3000 Euro für Arbeiter

2014 wechselte ORF-Moderator Eugen Freund von der Zeit im Bild zur Sozialdemokratie und wurde EU-Spitzenkandidat. Der Grund für seinen Quereinstieg war seine Vision einer verteilungsgerechteren Gesellschaft - diese könne er bei der SPÖ am ehesten verwirklichen, berichtete er im profil-Interview. Dafür wäre es allerdings hilfreich, wenn sich Freund mit der Einkommenssituation der Österreicher beschäftigt hätte. Hat er aber nicht: Er behauptete in dem Interview, Arbeiter würden in Österreich monatlich 3000 Euro brutto verdienen - die Interviewerin korrigierte ihn und wies darauf hin, dass das durchschnittliche Bruttogehalt von Arbeitern rund 2000 Euro betrage.

Der Lapsus beschädigte Freunds Ansehen, die SPÖ stagnierte bei der EU-Wahl 2014 und erreichte nur Platz zwei.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.