Nationalratswahl: Kern und Strache reden "Klartext"
Bei der "Klartext"-Diskussion im ORF-Radiokulturhaus warf Strache der Regierung vor, nicht nur die Flüchtlingskrise übersehen zu haben, sondern auch die - jetzt von der FPÖ plakatierte - "Fairnesskrise". Kern konterte mit guten Wirtschaftsdaten und warf Strache vor, mit seiner Wirtschaftspolitik nicht die Interessen der kleinen Leute zu vertreten. Seitenhiebe gab es auch gegen den abwesenden ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
Hier finden Sie die Analyse mit profil-Herausgeber Christian Rainer (ORF III).
Hier die Aussagen der Spitzenkandidaten zu:
Wechsel der SPÖ in die Opposition
Christian Kern: "Ich beschäftige mich bis zum 15. Oktober ausschließlich mit der Frage, wie kann die Sozialdemokratische Partei Erster werden."
Heinz-Christian Strache: "Da müssen wir wieder auf den Realismus zurückkommen. Sollten Sie nicht stärkste Kraft werden, sondern zweit- oder drittstärkste Kraft, ja dann werden Sie Geschichte sein, Herr Kern. ... Wenn Sie da nicht bestehen und eine Niederlage erleben sollten, natürlich wird die SPÖ die Konsequenzen ziehen."
Migration und Sozialstaat
Strache: „Wenn man ein System hat, wo Menschen 40 bis 45 Jahre lang hart arbeiten und ein Pensionist am Ende nur 940 Euro monatlich erhält und dabei sehen muss, dass es eine Mindestsicherung gibt, die für nicht österreichische Staatsbürger – Wirtschaftsflüchtlinge, Asylanten – die auch keine Stunde gearbeitet haben, dann 840 Euro Mindestsicherung bekommen, ist das nicht fair.“
Kern: „Wir müssen uns fragen, in welcher Welt wollen wir eigentlich leben. Mein Ziel ist es, für den sozialen Zusammenhalt zu sorgen. In einem Punkt gebe ich dem Herrn Strache Recht. Der Unterschied zwischen Arbeitseinkommen und Mindestsicherung ist zu gering. Deshalb haben wir eine Strategie entwickelt und sagen: Stärken wir doch die Einkommen, erhöhen wir die Mindestlöhne, sorgen wir dafür, dass diese Löhne von Steuern befreit werden, sorgen wir bei Mindestpensionen dafür, dass die Kindererziehungszeiten angerechnet werden.“
Abwesenheit von Sebastian Kurz
Strache: "Es ist schade, dass der ÖVP-Parteichef wieder einmal abgesagt hat. Das ist schon irgendwo bezeichnend, wenn man sich dieser Diskussion nicht stellt. Da hat man fast den Eindruck, er ist der teuerste Flüchtling Österreichs. Ich hab kein Problem, dass Kurz heute nicht da ist. Kern ist ja der Repräsentant dieser rot-schwarzen Regierung, er wird Kurz sicherlich gut vertreten."
Kern: "Wir haben uns seit dem Gespräch (Anm.: Klartext-Gespräch im November mit Heinz-Christian Strache) das eine oder andere Mal getroffen und über politische Inhalte und Fragen diskutiert... Wir haben damals gesagt, wir trinken ein Bier, dazu kam es aber nicht. Das macht aber nichts. Der Strache hat sicherlich ganz viele Fässer Bier mit der ÖVP getrunken. Daher macht es keinen Unterschied, dass der Außenminister nicht da ist. Diese Beziehung hat wohl dazu geführt, dass die ÖVP der FPÖ in der Flüchtlingspolitik alles nachgemacht hat."
Koalitionsfrage bei "Klartext"
Aktuellen Umfrageergebnissen
Kern: "Wenn wir diesen Umfragen glauben würden, dann dürfte der Brexit nie passiert sein, Donald Trump in Amerika nicht Präsident sein. Natürlich ist man in den Umfragen lieber vorne als hinten, das ist keine Frage."
Strache: "Ich kenne seit zwölf Jahren die diversen Umfrageergebnisse. Ich möchte keine Umfrage gewinnen, sondern die Wahl. … Die Karten werden völlig neu gemischt: Wir haben jetzt ein Duell zwischen der Freiheitlichen Partei Österreichs, gegenüber einer verantwortlichen rot-schwarzen Regierung."
Kern: "Also die Umfragen sind nicht besonders relevant, was ich in den 15 Monaten gelernt habe in der Politik ist, dass manche so reden und ganz anders handeln. Das Ziel war mit Reinhold Mitterlehner eine Regierungsvereinbarung zu machen, die Österreich trägt über die nächsten Jahre. Wir sehen das wir damit wirklich eine Trendwende geschaffen haben. Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit geht zurück, Rekordbeschäftigung, Investitionen sind auf Rekordniveau. Ich könnte eine Reihe von weiteren Indikatoren aufzeigen, die das zeigen."
Kammermitgliedschaften:
Strache: "Die Kammern soll es geben aber die sollen eine gute Serviceleistung sicherstellen. Dann ist auch jeder gerne Mitglied, zahlt auch gerne Mitgliedsbeiträge aber Kammerzwang hat dort nichts verloren. Es kann nur ein Minimalkompromiss sein, diese Kammerbeiträge beispielsweise zu halbieren.“
Kern und Strache "weniger amikal"
Kern: "Wenn die Kassiererin im Supermarkt ein arbeitsrechtliches Problem hat, braucht sie jemanden, der ihre Interessen vertritt. Deshalb bin ich der Meinung, man sollte die Kammern reformieren aber mit Sicherheit nicht reduzieren oder abschaffen. Dasselbe gilt für die Wirtschaftskammer, weil das ist der Kollektivvertragspartner. Ich möchte hier auch nicht die Möglichkeit geben aus dem System auszubüxen, weil dann unser gesamtes Kollektivvertragssystem nicht passt. Das ist eine Frage des sozialen Zusammenhalts, der sozialen Sicherheit und einer gewissen Balance im Staatsgefüge.“
Erbschaftssteuer:
Kern: "Dass Herr Strache plakatiert, er ist gegen eine Erbschaftssteuer für Millionäre: Seien Sie mir nicht böse, was muss er für ein Bild vom kleinen Mann haben? Die Wahrheit ist, Sie sind die Vertreter von Großgrundbesitzern und großen Hausherren. Das ist wunderbar in Ihrem Wirtschaftsprogramm nachlesbar!“
Strache: "Wenn wir ein Höchststeuersystem haben, dann muss man ehrlich sein. Schauen wir in die Schweiz: Bei einer 30%-Steuerquote können wir gerne über eine Erbschaftssteuer reden. Die Menschen haben das Geld ja nicht gestohlen. Die arbeiten für ihre Kinder und Kindeskinder und dann wollen Sie, wenn die Menschen sterben, die Kinder und Enkelkinder ausräumen, bei einem Höchststeuerentwicklungsland, das wir sind. Das ist nicht fair. Bei 30% Abgabenquote wäre ich gerne bereit mit Ihnen über eine Erbschaftssteuer zu reden. Dann wäre es fair. Abseits eines direkten Verwandtschaftsverhältnisses kann man aber sehr wohl darüber diskutieren.“
Ausstieg aus Dieselmotoren/Verbrennungsmotoren:
Kern: "Österreich ist ein Autoland und unser Ziel muss es sein, dieser Industrie in die nächste Technologiestufe zu verhelfen. Früher oder später stehen die Verbrennungsmotoren vor der Ablöse. Wir gehen davon aus, dass 2030 ein guter Zeitpunkt ist, wo man so etwas angehen kann. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass ab 2030 die Umstellung Schritt für Schritt passiert.“
Strache: "Da werden wir mit Sicherheit nicht dabei sein, ab 2030 keine Neuzulassungen zuzulassen. Denn in Wahrheit ist das eine Enteignung. Es kauft ja niemand mehr das vorherige Auto.“
Maßnahmen gegen den Klimawandel:
Kern: "Ich denke es ist entscheidend dafür zu sorgen, dass wir bis zum Jahr 2030 100% Strom aus österreichischer Produktion beziehen und gleichzeitig den Energieverbrauch massiv reduzieren und CO2 auch."
Strache: "Wir wollen genau in dem Bereich der erneuerbaren Energien ansetzen, da gibt es wahnsinnig viel Zukunftspotenzial, tausende neu zu schaffende Arbeitsplätze. Der Klimawandel ist Realität und zwar seit es diesen Planeten gibt. Wie groß der Anteil des Menschen daran ist, darüber kann man trefflich streiten.“