Wahlkampfkosten: Mit welchen Tricks die Parteien ihre Ausgaben verschleiern
Österreichs Großparteien ignorieren einen Grundsatz des früheren Vizekanzlers Heinz-Christian Strache: „Man kann nicht mehr ausgeben, als man hat. Das weiß jede Hausfrau.“ Die Finanzen von ÖVP, SPÖ und FPÖ sind hochrot.
Ihren exakten aktuellen Schuldenstand verraten die Parteien nicht. Eine Schätzung: Die ÖVP dürfte derzeit mit 17 Millionen Euro in den Miesen sein, die SPÖ mit zwölf Millionen; auch die FPÖ hat Schulden im zumindest siebenstelligen Bereich. Die Neuwahl erwischte die Bundesgeschäftsführer und Finanzreferenten der Parteien kalt. Dennoch müssen die Kampagnen finanziert werden – mittels neuer Kredite, neuer Schulden und einiger Tricks, wie Wahlkampfkosten abgewälzt werden können.
Trick 1: Parlament statt Partei
Wo immer Norbert Hofer und Herbert Kickl dieser Tage wahlkämpfen – ein Team von FPÖ-TV verfolgt sie. Die Clips der blauen Videoabteilung landen später auf YouTube, Facebook und Instagram. Sie zeigen Hofer und Kickl volksnah bei Betriebsbesuchen, Bädertouren und auf Kirtagen. Eigentlich sind die Videos für freiheitliche Sympathisanten gedacht – doch demnächst könnte sich auch der Rechnungshof dafür interessieren. Denn die Wahlkampfclips werden laut profil-Recherchen vor allem von zwei Mitarbeitern des FPÖ-Parlamentsklubs produziert. Und das könnte eine Übertretung des Parteiengesetzes sein.
Auch wenn es absurd klingt: Die FPÖ-Bundespartei darf laut Gesetz keine Spenden des FPÖ-Parlamentsklubs annehmen, auch keine Personalspenden. Das hat einen guten Grund: Die Klubförderung ist ausschließlich für die parlamentarische Arbeit der Partei vorgesehen – Gesetzesinitiativen, Anfragen, Ausschussvorbereitungen und mehr. Deshalb ist es verboten, Wahlkampfkosten und andere Parteiaufwendungen mit Klubgeldern abzurechnen. Für diese Ausgaben ist ein anderer Topf vorgesehen: die Parteienförderung.
Würde der FPÖ-Parlamentsklub einige seiner Mitarbeiter für den FPÖ-Wahlkampf abstellen, wäre das illegal: „Das wäre eine lebende Subvention des Parlamentsklubs an die Partei“, erklärt der auf Parteienfinanzierung spezialisierte Politikwissenschafter Hubert Sickinger: „Doch die Partei darf keine Spende vom Klub annehmen – es sei denn, die Bundespartei würde dem Klub die Personalkosten für den Einsatz im Wahlkampfzeitraum ersetzen.“ Passiert das auch?
Dass die FPÖ ihre Parteikosten Richtung Parlamentsklub verschiebt, könnte System haben. Schon bei der Prüfung des FPÖ-Rechenschaftsberichts für das Jahr 2017 fiel dem Rechnungshof eine Unstimmigkeit auf: Die Facebook-Fanpage des damaligen Parteiobmannes Strache wurde laut Impressum vom FPÖ-Klub betreut. Da auf der Fanpage regelmäßig über Parteievents berichtet wurde, ortete der Rechnungshof „eine unzulässige Spende durch den FPÖ-Parlamentsklub an die Partei“.
Damit nicht genug: profil liegt eine Telefonliste des FPÖ-Parlamentsklubs vor. Darauf scheint auch der Bundesgeschäftsführer der FPÖ auf: Joachim Stampfer. Ein hochrangiger Parteimitarbeiter auf der Payroll des Klubs? Das wäre eine Zweckentfremdung der Klubgelder. Die FPÖ wollte dazu auf profil-Anfrage keine Stellung nehmen. Nur so viel war von Generalsekretär Christian Hafenecker zu erfahren: Für die FPÖ-TV-Mitarbeiter gebe es „selbstverständlich eine Refundierung durch die Bundespartei“. In welcher Höhe diese Kostenerstattung liegt, beantwortete er nicht.
Trick 2: Getarnte Gewerkschafter
Wie bedeutend die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) für die SPÖ ist, zeigt die Kandidatenliste für die Nationalratswahl: FSG-Chef Rainer Wimmer ist direkt hinter Parteichefin Pamela Rendi-Wagner auf Platz zwei der Bundesliste gereiht. In Niederösterreich führt mit Rudolf Silvan ein – weitgehend unbekannter – Gewerkschafter sogar die Liste an. Für ihn musste die durchaus prominente Ex-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid Platz machen, die 2017 noch Listenerste gewesen war. Wahlkampffotos aus Niederösterreich zeigen: Die SPÖ-Gewerkschafter finanzieren im Bundesland mit den meisten Wahl- berechtigten (1,3 Millionen) den SPÖ-Wahlkampf fleißig mit: Flyer, Events, Giveaways. Doch wie läuft die rot-rote Quersubventionierung? profil vorliegende Statuten zeigen die trickreiche Konstruktion.
Zur Erinnerung: Um zu vermeiden, dass die Finanzen der FSG im Rechenschaftsbericht der SPÖ aufscheinen, strich die Partei die FSG vor Jahren von der offiziellen Liste der roten Vorfeldorganisationen. Spenden, Sponsorings und Inserate an die FSG bleiben daher geheim. Würde die FSG nun den Wahlkampf der SPÖ mitfinanzieren, wäre dies als Spende an die Partei zu bewerten. Doch die SPÖ hat im Nationalrat mit FPÖ und Liste Jetzt eine Spendenobergrenze von 7500 Euro pro Jahr und Spender beschlossen. Wie kann die FSG dennoch den SPÖ-Wahlkampf mit viel größeren Beträgen subventionieren, ohne dass die Finanzspritze als Spende gilt?
Die Antwort: über den Verein „GewerkschafterInnen in der SPÖ“. Der Vorstand dieses Vereinsvehikels ist ident mit jenem der FSG. Ein Blick in die Statuten von „GewerkschafterInnen in der SPÖ“ zeigt, wie sich der Verein finanziert. Als Mitglieder werden keine Personen aufgenommen, sondern nur Gewerkschaftsfraktionen. Das heißt: Die FSG-Teilgewerkschaften in der GPA, in der Gewerkschaft younion etc. sind als juristische Personen Mitglieder im Verein „GewerkschafterInnen in der SPÖ“. Und als solche zahlen sie Mitgliedsbeitrag.
Vereinfacht zusammengefasst: Die FSG finanziert „GewerkschafterInnen in der SPÖ“, die wiederum den SPÖ-Wahlkampf unterstützen. Anders als für Spenden gilt für Mitgliedsbeiträge keine Obergrenze von 7500 Euro. Politikwissenschafter Sickinger: „Das ist eine klare Umgehungskonstruktion. In Wirklichkeit ist das die FSG in der Verkleidung als SPÖ-naher Verein.“ Bleibt die Frage: Wie viel sponsern die SPÖ-Gewerkschafter für den Wahlkampf 2019? 300.000 Euro, wie auf profil-Anfrage bestätigt wurde.
Trick 3: Fremde Feiern
Wenn Sebastian Kurz für einen Pressetermin nach dem Ministerrat gestylt wurde oder im Privatjet von Klagenfurt zu einem Papsttermin nach Rom flog, betraf es ihn als Regierungschef. Die Kosten sollte somit eigentlich das Kanzleramt – also der Staat – tragen. Allerdings bezahlte dies laut einem Bericht des „Falter“ die ÖVP – wahrscheinlich, um Anfragen der Opposition zu den Spesen des Kanzlers zu verhindern. Dass die Volkspartei kleinere Feiern für Mitarbeiter sowie größere Sommerfeste für Promis aller Art (inklusive Journalisten) veranstaltet, ist auch nicht ungewöhnlich. Die SPÖ als Kanzlerpartei agierte genauso. Politisch relevanter als die Kosten für Styling, Repräsentationen und PR-Events sind die Parteischulden. Wer Geld braucht, macht sich unter Umständen von externen Spendern abhängig. Darauf gibt es zwar im Falle der ÖVP keinen Hinweis, aber die Thematisierung ist durchaus legitim. Insgesamt hatte die ÖVP zu Jahresende 2017 laut einem „Falter“-Bericht Bankverbindlichkeiten in Höhe von 18,5 Millionen Euro. Mittlerweile soll der Betrag geringer sein. Laut profil-Informationen existiert bereits ein konkreter Plan, die Schulden bis Jahresende 2024 komplett abzubauen. Haupteinnahmequelle der ÖVP ist die Parteienförderung, die im Falle eines Wahlergebnisses im Bereich von 35 Prozent etwa zehn Millionen Euro jährlich ausmachen würde.
Im laufenden Wahlkampf werden die Kosten aufgeteilt. Tritt Kurz in Salzburg oder Tirol auf, legen Bundes- und Landesparteien zusammen. Fremdfinanzierte Events sind klarerweise angenehmer. Was den Sozialdemokraten die Gewerkschafter, sind der Volkspartei die Bauern. Vorvergangenes Wochenende beging die ÖVP ein Mega-Event im Wiener Augarten. Beim Erntedankfest der Jungbauernschaft traten auch prominente Kandidaten für die Nationalratswahl auf wie die früheren Minister Gernot Blümel (Ehrenmitglied der Österreichischen Jungbauernschaft) und Elisabeth Köstinger (ehemalige Bundesobfrau der Jungbauern). Sebastian Kurz war nicht anwesend. Organisiert wurde die rurale Feier im urbanen Raum von einer 2012 von der Jungbauernschaft extra gegründeten Bäuerliches Leben GmbH. Finanziert wurde das Fest durch die Beiträge von Ausstellern, die zu Werbezwecken Stände betreiben, darunter prominente Unternehmen wie die „Kronen Zeitung“ und die Bundesforste. Da das Erntedankfest jährlich stattfindet (heuer bereits zum 19. Mal), gilt es nicht als Wahlkampfveranstaltung.
Trick 4: Inseratenzahlung
Eine der gängigen, weil leicht praktikablen Methoden der Parteienfinanzierung bietet das Inseratenwesen. Laut Parteiengesetz dürfen politische Parteien und ihre Teilorganisationen keine Spenden von „öffentlich-rechtlichen Körperschaften“ wie den Kammern oder (teil)staatlichen Unternehmen annehmen. Dies gilt allerdings nicht für Inserate. Wer die Publikationen von Parteien genau studiert, wird regelmäßig auf Inserate aus dem öffentlichen Bereich treffen. In der Juni-Ausgabe des SPÖ-nahen Pensionistenverband-Magazins „Unsere Generation“ findet sich etwa ein ÖBB-Inserat. Im Magazin „Freiheit“ des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB schalteten heuer schon Energie Burgenland und die AUVA.
Im Juli berichtete profil (siehe Ausgabe 29/2019) über Vorwürfe der Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, einzelne ÖVP-dominierte Landes-Wirtschaftskammern (Burgenland, Kärnten, Vorarlberg) würden bevorzugt in Publikationen des jeweiligen Landesverbands des ÖVP-Wirtschaftsbundes inserieren. Demnach schalteten Einrichtungen der Wirtschaftskammern Burgenland und Vorarlberg von 2015 bis Ende des ersten Halbjahres 2019 um knapp 200.000 Euro in Wirtschaftsbund-Medien. Im Burgenland inserierte die Wirtschaftskammer auch in Publikationen des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes. In Kärnten wurden auch die Freiheitlichen mit Kammer-Einschaltungen bedacht. Die Bundeswirtschaftskammer (WKO) inseriert nach eigenen Angaben weder in Fraktionsmedien noch in Publikationen von Parteiorganisationen.
Der Wirtschaftsbund ist der Krösus unter den Teilorganisationen der Volkspartei. Noch jeder ÖVP-Bundesfinanzreferent musste die Parteifreunde auf Arbeitgeberseite anschnorren. Laut „Falter“ überwies der Wirtschaftsbund der Partei die von 2019 bis 2023 anfallenden Mitgliedsbeiträge in Höhe von 1,5 Millionen Euro bereits vorab.