Hofburg-Wahl 2016: Die profil-Entscheidungshilfe
Jetzt haben sie es bald geschafft und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, ebenfalls. Gemeinsam haben wir – Kandidaten, Bürger, Berichterstatter – eine mehrwöchige Tour durch Interviews, Streitgespräche, TV-Auftritte und Elefantenrunden absolviert. Der Vorhang ist fast zu und kaum eine Frage offen. Den immer noch Unentschlossenen bietet profil eine letzte Entscheidungshilfe, warum Kandidat X die richtige oder Kandidat Y die falsche Wahl für Sie sein könnte – und eine Warnung, was Sie sich mit ihrer Stimme vielleicht unwissentlich einhandeln.
Irmgard Griss
Die richtige Wahl Die einzige Unabhängige, die einzige Neueinsteigerin in den Politbetrieb, die einzige Frau: Ihre Alleinstellungsmerkmale verleihen Irmgard Griss den Nimbus der Erneuerung. Dem verstaubtesten Amt der Republik könnte das nur guttun.
Die falsche Wahl Mit 69 Jahren in einen neuen Beruf einzusteigen, führt zu Übermotivation. Griss will Pensions-, Bildungs- und sonstige Miseren lösen – alles löblich, bloß: Die Hofburg ist dafür nicht die richtige Adresse. Die vermeintliche Heilsbringerin kann die überhöhten Erwartungen, auch an sich selbst, nur enttäuschen.
Warnung Griss war Höchstrichterin und daher gewohnt, dass ihre Urteile ehrerbietig ad notam genommen werden. Das höchste Staatsamt birgt die Versuchung, diese gewisse besserwisserische Oberlehrerhaftigkeit erst zur vollen Ausprägung zu bringen.
Norbert Hofer
Die richtige Wahl Der Dritte Nationalratspräsident ist das freundliche Gesicht der besorgten Bürger. Würde ihr Mann in der Hofburg residieren, wären sie plötzlich Teil des Establishments – und vielleicht nicht mehr ganz so besorgt.
Die falsche Wahl In seiner 20-jährigen Politikkarriere stand Norbert Hofer stets in der zweiten Reihe, auf dem internationalen Parkett hat er keine Erfahrung. Reisen in das und Besuche aus dem Ausland böten hohes Konfliktpotenzial – wobei Hofer unter Ausland nicht nur Chile, Lesotho oder Vietnam versteht, sondern auch die EU.
Warnung Charisma hat Hofer allemal. Dahinter verbirgt der schlagende Burschenschafter allerdings eine stramm rechte Gesinnung fernab der politischen Mitte – von Abtreibungsverbot bis Minuszuwanderung.
Rudolf Hundstorfer
Die richtige Wahl Der ehemalige Sozialminister ist der Repräsentant der alten Eliten mit einem ausgeprägten sozialen Gewissen. In einer Regierungskrise würde Hundstorfer die Kontrahenten in die Hofburg zu Kaffee und Gugelhupf bitten und so lange mit ihnen reden, bis ein Kompromiss erzielt wird.
Die falsche Wahl Wer selbst keiner Partei angehört und wer Parteien und Sozialpartnern nicht zutraut, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, wird mit Hundstorfer in der Hofburg keine Freude haben.
Warnung Seine Versprecher („Syrien muss befriedigt werden“) wären ein Einfallstor für Spott und Hohn. Man müsste sich daran gewöhnen, das Gemeinte und nicht das Gesagte zu hören.
Andreas Khol
Die richtige Wahl Würde der Bundespräsident nicht vom Volk gewählt, sondern von einer Personalfindungskommission, wäre Khol wahrscheinlich deren Favorit. Er verfügt über die notwendigen Hard Skills (Erfahrung, Rechtskunde, Netzwerk) und Soft Skills (Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Selbstwirksamkeit).
Die falsche Wahl Da der Bundespräsident vom Volk gewählt wird, kann Khol kein Favorit sein. Das Volk pfeift auf Hard Skills und versteht unter Soft Skills andere als Cool Khol. Wer sich nach einem Bundespräsidenten der Herzen sehnt, sollte Khol eher nicht wählen.
Warnung Mit Andreas Khol würden in die Hofburg einziehen: 15 Enkelkinder, Nazan Eckes, klassische Zitate, Nord- und Südtirolertum, Tarockkarten, rot-weiß-rot gestreifte Krawatten, der Herrgott.
Alexander Van der Bellen
Die richtige Wahl Nach einem Vierteljahrhundert in der Politik gilt der Professor noch immer als netter Typ. Das muss man erst einmal schaffen. Van der Bellen ist besonnen, hat sein Ego im Griff und wäre der erste Hofburg-Hausherr mit Hang zur Ironie. Den Neujahrsansprachen könnte das nur guttun.
Die falsche Wahl Sein zentrales Wahlversprechen ist ein Bluff mit Anlauf. Selbstverständlich wird Van der Bellen im Fall der Fälle eine FPÖ-geführte Regierung angeloben, zur Not mit Präambel und saurer Miene. Aber dieses Theater hatten wir schon einmal.
Warnung Van der Bellen braucht den politischen Alltagsbetrieb, gegenseitige Provokationen inklusive, um auf Trab zu kommen. Die stillen Gangfluchten der Hofburg könnten ihn so sehr entschleunigen, dass man gar nichts mehr von ihm hört.