Warum die Landeshauptstädte gegen ihre Bundesländer wählen
Von Gernot Bauer und Max Miller
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Am 7. Februar 2006 lautete eine Schlagzeile der Austria Presse Agentur: „VP stellt in fünf, SP in vier Landeshauptstädten Bürgermeister“. Am 25. März 2024 titelte die APA: „Landeshauptstädte nun mehrheitlich mit SPÖ-Bürgermeistern“. Der dazugehörige Untertitel: „ÖVP stellt nur mehr in Eisenstadt das Stadtoberhaupt.“
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Gern nennt sich die ÖVP die „Bürgermeister-Partei“. Am Land und in den Tälern mag das stimmen. Zwei Drittel der 2093 österreichischen Gemeinden werden schwarz regiert. Die Landeshauptstädte sind für die ÖVP Problemzonen. Mit Salzburg ging bei der Bürgermeisterwahl am 10. März eine weitere verloren. ÖVP-Kandidat Florian Kreibich schaffte es nicht einmal in die Stichwahl, SPÖ-Stadtparteichef Bernhard Auinger gewann deutlich gegen Kay-Michael Dankl, KPÖ plus.
Nach Wien, St. Pölten, Linz und Bregenz amtiert nun auch in Salzburg ein SPÖ-Bürgermeister. Der ÖVP bleibt Eisenstadt, die mit 16.000 Einwohnern kleinste Landeshauptstadt der Republik. Die Hoffnungen ruhen nun auf dem früheren Staatssekretär für Digitalisierung, Florian Tursky, der bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in Innsbruck am 14. April als schwarzer Spitzenkandidat antritt.
Die neun Bürgermeister in den Landeshauptstädten sind eine bunte Schar, außer, was das Geschlecht betrifft: Nur in Graz regiert mit Elke Kahr (KPÖ) eine Frau. Mehr Diversität herrscht bei der politischen Gesinnung. Die Städte sind nicht nur rot und schwarz. In Klagenfurt ist Christian Scheider vom Team Kärnten (ehedem: Team Stronach) Bürgermeister, in Innsbruck der Grüne Georg Willi.
Stadt gegen Land
Salzburg war – Sonderfall Wien nicht berücksichtigt – die letzte Landeshauptstadt, deren Bürgermeister der gleichen Partei angehörte wie der Landeshauptmann. Bernhard Auinger muss nun mit dem schwarzen Landeshauptmann Wilfried Haslauer zusammenarbeiten, so wie sein Linzer Parteifreund Klaus Luger mit ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer. Die beiden gerieten etwa beim Projekt der neuen Digital-Universität
in Linz aneinander. Luger warf Stelzer vor, die Uni als „Marketingtool“ zu missbrauchen. Uneinigkeit herrschte auch über Pläne der Landesregierung, die Museen des Landes Oberösterreich und der Stadt Linz unter einer Holding zusammenzuführen. Streit gab es weiters in Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen und dem Kampf gegen Rechtsextremismus.
In Graz tadelte Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) Bürgermeisterin Elke Kahr wegen deren Kritik an den Russland-Sanktionen der EU. In Bregenz streiten Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Bürgermeister Michael Ritsch (SPÖ) wegen der Renovierung des Bahnhofs. Der Eisenstädter Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) beschwert sich regelmäßig, vom rot regierten Land schlechter behandelt zu werden als andere Gemeinden, etwa bei der Finanzierung des städtischen Hallenbads.
Die parteipolitische Gewaltenteilung zwischen den Gebietskörperschaften entspricht der Idee der „Checks and Balances“, der immer mehr Wählerinnen und Wähler anhängen würden, sagt die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt als Gegengewicht zum Landeshauptmann: eine Rolle, in der sich viele Bürgermeister gefallen, die aber kaum funktioniert, wenn die eigene Partei im Land mitregiert.
Kleinere Parteien und Namenslisten sind hier im Vorteil. Umso mehr, als die Wähler im urbanen Raum experimentierfreudiger und die Möglichkeiten für Kleinparteien größer sind: „In Städten hat man mehr Bühnen“, sagt Stainer-Hämmerle. Auf kleinem Raum lassen sich viele Menschen auch mit wenigen Ressourcen erreichen – und städtische Kultureinrichtungen bieten Mobilisierungspotenzial. In Salzburg ist der bei Studenten beliebte Salzburger Musikclub „Jazzit“ etwa im Volksheim der Bundes-KPÖ eingemietet.
In Städten hat man mehr Bühnen.
Allein im Rathaus
Die Möglichkeit zu eigenen Listen nützen auch Vertreter der Großparteien. Mit ein bisschen Persönlichkeit und Kommunikationsfreude ist eine solche rasch aufgestellt. Der frühere Innsbrucker Bürgermeister Herwig van Staa (1995 bis 2002) verselbstständigte sich von der ÖVP und regierte mit seiner Fraktion „Für Innsbruck“. Van Staa war auch einer der wenigen Bürgermeister, der von der Kommunal- in die Landespolitik wechselte. Wer sich daran gewöhnt hat, Nummer 1 in der Stadt zu sein, will diese Position auch im Land innehaben. Van Staa wurde 2002 Tiroler Landeshauptmann.
Unter den Bürgermeistern der Landeshauptstädte gibt es zwei Klassen: Die einen (Salzburg, Innsbruck, Bregenz, Linz, Klagenfurt, Eisenstadt) werden von ihren Bürgern direkt gewählt, die anderen (Graz, St. Pölten, Wien) von einer Mehrheit im Gemeinderat.
Komplikationen sind garantiert, wenn der Bürgermeister keine fixe Mehrheit im Stadtparlament hat. Wie Michael Ritsch: Der Bregenzer Bürgermeister gewann im September 2020 überraschend die Stichwahl gegen seinen ÖVP-Kontrahenten Markus Linhart, im Gemeinderat (in Bregenz: „Stadtvertretung“) ist allerdings die Volkspartei stärkste Fraktion. Es herrscht das freie Spiel der Kräfte.
Dieses ist nicht immer beabsichtigt. Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi agiert seit 2021 im koalitionsfreien Raum, nachdem er das Bündnis mit ÖVP, SPÖ und der Liste „Für Innsbruck“ aufgelöst hat. Auch in Klagenfurt regiert Bürgermeister Christian Scheider gegen eine Mehrheit. Nach einer Anzeige aus dem Rathaus gegen den Investigativjournalisten Franz Miklautz kündigte die SPÖ als mandatsstärkste Partei im Sommer 2023 die Koalition auf.
Wenn in Landeshauptstädten kooperiert wird, dann ohne parteipolitische Kontaktängste. Der designierte Salzburger Bürgermeister Bernhard Auinger – er wird am 8. Mai angelobt – bekennt offen, auch mit den Freiheitlichen zusammenarbeiten zu wollen. Die meisten kommunalen Themen – in Salzburg etwa der Bau einer unterirdischen Lokalbahn – eignen sich nicht zur ideologiegetriebenen Debatte.
Städte unter Druck
Die Bürger hätten dafür wohl auch nur wenig Verständnis. Die Krisen der vergangenen Jahre haben Städter schwerer getroffen als die ländliche Bevölkerung. Die Statistik Austria erhebt seit 2021 viermal jährlich, wie es den Österreicherinnen und Österreichern geht. Dafür werden rund 3200 Personen zwischen 18 und 74 befragt. Ihre Antworten werden nach sozioökonomischen Merkmalen aufgeteilt. So lassen sich auch statistische Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung ermitteln. Die Daten aus dem 4. Quartal 2023 wurden vergangene Woche veröffentlicht.
Darin zeigt sich: Der wirtschaftliche Druck stieg 2022 allgemein an, die Teuerung trifft die Städter aber besonders. In der Stadt empfindet fast jeder vierte Haushalt die eigenen Wohnkosten als schwere Belastung, am Land nur jeder sechste. Jeder fünfte Haushalt in der Stadt kann laufende Ausgaben kaum decken, am Land ist es nur jeder neunte. Und insgesamt sind die Menschen am Land mit ihrem Leben deutlich zufriedener als die Bevölkerung in den Städten. „Da kann eine Gemeinderatswahl auch zum Ventil für Unzufriedenheit gegen die Landespolitik werden“, sagt Politologin Stainer-Hämmerle.
In der Zusammensetzung der Bevölkerung driften Stadt und Land auseinander – und damit auch die Anforderungen an die jeweiligen Bürgermeister. „Die Wählerschaft in Städten ist jünger, formal höher gebildet und experimentierfreudiger“, sagt Stainer-Hämmerle. Universitäten und andere Ausbildungsmöglichkeiten locken Studierende an und halten Akademikerinnen und Akademiker. Die Folge: In Innsbruck bilden die 25- bis 30-Jährigen etwa die größte Altersgruppe. Der Anteil der Personen mit Hochschulabschluss ist in der Landeshauptstadt doppelt so hoch wie im Tiroler Durchschnitt.
Auch ausländische Staatsbürger leben meist in Österreichs Städten. Auf kommunaler Ebene können sie den Unterschied ausmachen: EU-Bürger dürfen bei EU- und Gemeinderatswahlen mitstimmen, bei Landtags- und Nationalratswahlen nicht. In Innsbruck ist am 14. April mit 20.000 EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern fast ein Fünftel mehr Menschen wahlberechtigt als bei der Landtagswahl 2022.
Porträts der bunten Landeshauptstadtchefs
Die Bürgermeister der Landeshauptstädte sind rot, dunkelrot, schwarz, grün und gelb; politische Stehaufmännchen und Überraschungssieger; Ombudsfrau, Einzelkämpfer und sogar Piefke-Versteher.
profil hat einen Stadtchef pro Partei porträtiert.
Bernhard Auinger, 50, Salzburg: Ein Herz für Piefke und Dosko
Bei seinem ersten Wahlkampf 2017 warb Bernhard Auinger als SPÖ-Bürgermeisterkandidat auf einem seiner Plakate zweifellos mit dem originellsten Slogan: „Sag nicht Piefke zu den Deutschen“. Auch wenn er damit Stimmen von in Salzburg wohnhaften und wahlberechtigten Deutschen gewonnen haben dürfte, reichte es am Ende nicht ganz. Auinger verlor die Stichwahl gegen den ÖVP-Kandidaten Harald Preuner.
Ebenso erging es ihm bei seinem zweiten Versuch. Nun hat es geklappt. Wie sein Bregenzer Amtskollege Michael Ritsch stammt Auinger, gelernter Werkzeugbauer, vom Gewerkschaftsflügel der SPÖ. Bevor er 2017 Vizebürgermeister wurde, war er Vorsitzender des Betriebsrats der Porsche Holding Salzburg. In der Stadtregierung verantwortete er die Bereiche Kultur, Bildung, Wissenschaft und Sport sowie die Städtischen Betriebe. Nun kommen noch die Finanzen und Personalangelegenheiten dazu. Als Bürgermeister ist er jetzt die Nummer eins und könnte in den Wohnungsmarkt – und in andere Politikbereiche – „brutal hineinfahren“, wie er es einmal ankündigte. Denn mit den Stimmen der KPÖ plus verfügt die SPÖ über eine knappe Mehrheit in Gemeinderat. Auinger müsste es nur wagen. Allerdings gilt er als pragmatischer Charakter, der sich um breite Mehrheiten bemühen wird. Im Streit um die Nachfolge von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner unterstützte er Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und nicht Andreas Babler. Das ist vergessen. Am Tag der Stichwahl eilte der SPÖ-Bundesparteivorsitzende zur Siegesteilhabe flugs von Wien nach Salzburg.
Elke Kahr, 62, Graz: Die nette Kommunistin
Dass Elke Kahr in Graz regiert, ist für manche noch immer ein Skandal: Die 62-Jährige ist Kommunistin. Nicht nur die Verbrechen kommunistischer Regime werden ihr vorgehalten, auch eigene Aussagen bringen die Grazer Bürgermeisterin immer wieder in Verlegenheit. Aufgrund ihrer Positionierung gegenüber Israel hatte die Jüdische Gemeinde Graz die KPÖ etwa von den Gedenkfeiern zum 85. Jahrestag der Novemberpogrome ausgeladen.
Viele Grazerinnen und Grazer sind dennoch von der ersten Frau und Kommunistin im Grazer Rathaus überzeugt: Die gelernte Sekretärin erarbeitete sich über Jahrzehnte den Ruf einer nahbaren und bescheidenen Berufspolitikerin. Kahr engagierte sich im Mieter-Notruf der KPÖ und spendet einen Großteil ihres Gehalts. Zweimal wöchentlich bietet die Bürgermeisterin der zweitgrößten Stadt Österreichs wie eine Ombudsfrau Sprechstunden an. In ihrem Büro tauschte Kahr die Designermöbel ihres Vorgängers Siegfried Nagl gegen Ikea-Kästen aus. Die selbst ernannte „überzeugte Marxistin“ verzichtet auch im Jahr 2024 auf ein Smartphone und lebt Massenkonsum nur bei Büchern, Pflanzen und CDs aus.
Wie sich Graz verändert hat? 192 Punkte verbuchen die Grazer Kommunisten auf ihrer Website als Erfolge ihrer Stadtregierungsbeteiligung. Darunter finden sich Details wie eine Reduktion der Dienst-BMWs oder die Einführung eines Online-Hundestadtplans, aber auch Leuchtturmprojekte wie die Anstellung pflegender Angehöriger. Die kommunistische Revolution blieb aus, in Graz wird Regionalpolitik gemacht.
2023 kürte die „City Mayors Foundation“ in London Kahr zur „Weltbürgermeisterin des Jahres“ und lobte ihre „Robin-Hood-Politik“. Das Wort „Kommunismus“ kam in der Begründung nicht vor.
Georg Willi, 64, Innsbruck: Der lachende Dritte
2018 lagen die Grünen nicht im Trend. Österreichweit war die Partei gespalten, 2017 flog die Öko-Partei sogar aus dem Nationalrat. Auch Georg Willi musste seinen Platz im Parlament räumen – und lernte aus der Schmach: In Innsbruck setzte der konservative Grüne statt Binnen-I auf Wohnkosten, Sakko und flotte Sprüche („Wo ein Willi, da ein Radweg“). Mit Erfolg: Zu seinem 59. Geburtstag wurde Willi zum bisher einzigen grünen Bürgermeister einer Landeshauptstadt gewählt.
Das ist nicht allein sein Verdienst. Tirol wählt konservativ, die Landeshauptstadt Innsbruck ebenso – allerdings nicht immer die ÖVP. In Innsbruck gründete Langzeit-VP-Chef Herwig van Staa 1994 etwa die Liste „Für Innsbruck“ (FI). Als van Staa sich in die Landespolitik verabschiedete, entwickelte FI ein Eigenleben. 2012 kam es zum Tabubruch: FI-Chefin Christine Oppitz-Plörer ging eine Koalition ohne Volkspartei ein. Erstmals seit 1945 fand sich die ÖVP in der Tiroler Landeshauptstadt in der Opposition wieder.
Bei der folgenden Wahl 2018 fand sich der Grüne Georg Willi als lachender Dritter wieder: Der gemäßigte Grüne kam auch im konservativen Lager an. Und mit seiner Abgrenzung zur FPÖ drängte er Konkurrentin Oppitz-Plörer erst ins rechte Eck und dann aus dem Amt.
Sechs Jahre später ist Willi angezählt: Die Koalition aus Grünen, ÖVP, SPÖ und FI platzte 2021 aufgrund der Wahl von FPÖ-Stadtchef Markus Lassenberger zum Vizebürgermeister. Ende 2022 spaltete sich der grüne Gemeinderatsklub. Und 2023 wurde wegen umstrittener Sonderverträge für die ehemalige Innsbrucker Personalamtsleiterin gegen den Bürgermeister ermittelt. Das Verfahren wurde eingestellt, der schlechte Ruf blieb.
Vor der Wahl am 14. April sieht sich Willi einem zu großen Teilen wiedervereinten konservativen Lager und einer erstarkten FPÖ gegenübergestellt. Er hofft, dass derselbe Trick ein zweites Mal funktioniert und will seine Wählerschaft erneut mit dem blau-schwarzen Drohszenario mobilisieren.
© APA/GERT EGGENBERGER
KÄRNTEN-WAHLEN: BÜRGERMEISTER-STICHWAHLEN IN 28 GEMEINDEN / SCHEIDER (TEAM KÄRNTEN)
Christian Scheider, 60, Klagenfurt: Wechselnde Teams
Die Medien nennen ihn das „Stehaufmännchen“. Von allen Bürgermeistern der Landeshauptstädte hat Christian Scheider die – politisch – bunteste Biografie.
Jörg Haider machte seinen Tennislehrer Anfang der 1990er-Jahre zu seinem Sekretär. In der Folge wurde Scheider Landesparteisekretär und FPÖ-Stadtparteiobmann in Klagenfurt, 2009 erstmals Bürgermeister. 2015 verlor er sein Amt, blieb aber als Zweiter Vizebürgermeister in der Stadtregierung, zerstritt sich mit seiner Partei und wechselte schließlich zum Team Kärnten, dem ehemaligen Team Stronach.
Bei der Wahl 2021 glückte das Comeback. In der Stichwahl siegte Scheider über die SPÖ-Kandidatin Maria-Luise Mathiaschitz. Im Gemeinderat von Klagenfurt ist aber nicht das Team Kärnten, sondern die SPÖ stärkste Fraktion, die Mehrheiten gegen den Bürgermeister organisieren kann. Mit etwas Neid blickt Scheider daher nach Villach, wo sich sein Amtskollege Günther Albel, SPÖ, auf eine absolute Mehrheit im Gemeinderat stützt. Unter Druck geriet Schieder im Vorjahr, als bekannt wurde, dass sein Magistratsdirektor Peter Jost dank üppiger Überstundenzahlungen in manchen Monaten mehr verdiente als der Landeshauptmann.
Als Bürgermeister sei er zwar nicht offiziell, aber aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger für alles zuständig, sagt Scheider. Komme ein Bus fünf Minuten zu spät, werde er dafür verantwortlich gemacht. Die anderen Parteien seien nicht immer kooperativ: „Als Bürgermeister bist du immer der Gejagte.“
Thomas Steiner, 57, Eisenstadt: Der letzte Türkise
In Eisenstadt gibt es keine Universität, Industrie oder Kinos, und auch sonst unterscheidet sich die kleinste Landeshauptstadt strukturell kaum vom Rest ihres Bundeslandes. Nur politisch ist alles anders: Während die SPÖ das Burgenland mit absoluter Macht beherrscht, regiert in Eisenstadt die ÖVP. Und das schon immer.
Bürgermeister Thomas Steiner (57) ist studierter Jurist mit schwarzer Bilderbuchkarriere: Anfang der 1990er-Jahre war er Klubsekretär des ÖVP-Landtagsklubs, von 1996 bis 2010 arbeitete er im Büro des schwarzen Landeshauptmann-Stellvertreters. 2010 wurde er selbst in den burgenländischen Landtag gewählt, 2011 übernahm er das Bürgermeisteramt in Eisenstadt.
Doch der letzte ÖVP-Bürgermeister einer Landeshauptstadt ist kein Schwarzer. Als die SPÖ nach der Landtagswahl 2015 die Koalition mit der ÖVP platzen ließ und sich mit der FPÖ zusammentat, übernahm Steiner die Landespartei – und bald die Doktrin von Sebastian Kurz. Außerhalb von Wien färbten sich nur die Volksparteien in Kärnten und im Burgenland türkis. Beide behielten die neue Farbe bis heute. Mit türkisem Rückenwind lag die ÖVP im Burgenland bei der Europawahl 2019 erstmals seit 1964 vor der SPÖ, bei der Nationalratswahl wenige Monate später ebenfalls. Und auch bei den vorgezogenen Landtagswahlen 2020 stand ein leichtes Plus vor dem türkisen Ergebnis.
Dennoch hat die Volkspartei im Burgenland nichts zu melden. Die SPÖ regiert das Land seit 2020 allein. Steiner zog sich nach Eisenstadt zurück, wo die ÖVP offenbar nicht verlieren kann: Der Kandidat oder die Kandidatin der Volkspartei setzte sich bisher bei allen demokratischen Wahlen in Eisenstadt durch.
Gernot Bauer
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.
Max Miller
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.