Warum die ORF-Wahl „erbärmlich“ ist
Es ist eine Wahl mit speziellen Spielregeln: Kommende Woche wird die Führung des ORF gekürt, die aussichtsreichsten Bewerber sind Amtsinhaber Alexander Wrabetz, ORF-1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, Vizefinanzdirektor Roland Weißmann und Online-Direktor Thomas Prantner. Weißmann gilt als Wunschkandidat der türkisen ÖVP und damit als Favorit.
In der Theorie ist der ORF laut Bundesverfassungsgesetz aus dem Jahr 1974 unabhängig – in der Praxis bestimmen Parteien. Die 35 Mitglieder des ORF-Aufsichtsgremiums Stiftungsrat werden von Bundesregierung, Parlamentsparteien und Bundesländern beschickt und sind in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert. Erstmals hat eine Partei – die ÖVP – die Mehrheit im Stiftungsrat. Am 10. August stellen sich die Kandidaten einem Hearing, dann stimmen die Stiftungsräte ab. Bekommt kein Kandidat im ersten Wahlgang 18 der 35 Stimmen, wird über die zwei stimmenstärksten Bewerber erneut abgestimmt – wohlgemerkt in offener Abstimmung, damit man Abweichler besser erkennt.
Allein die offene Abstimmung hält der renommierte Verfassungsrechtler Heinz Mayer im profil-Gespräch für falsch: „Ich kenne keinen Kegelverein, wo offen über den Vorsitz abgestimmt wird.“ Er hält es für „erbärmlich, dass die 37-Prozent-Partei ÖVP sich den ORF-Generaldirektor aussuchen kann“. Und er erinnert die Stiftungsräte daran, dass sie nicht nach Vorgaben einer Partei entscheiden können. Sondern: „Sie haben die Verpflichtung, für den ORF die beste Entscheidung zu treffen. Sie müssen prüfen, wer am besten geeignet ist und die Ausschreibungskriterien am besten erfüllt.“ Und: „Stiftungsräte sind haftbar, auch zivilrechtlich, wenn nicht der beste Bewerber, die beste Bewerberin gewählt wird. Das kann teuer werden, wenn eine Klage kommt. Dann haften Stiftungsräte, die sich für weniger gut geeignete Kandidaten entschieden haben.“