Warum die Stadt Wien ein Haus in bester Lage verfallen lässt
Von außen sieht es eigentlich ganz schick aus. Orange Ziegel, gelbe Verzierungen um die Fenster - ein Frühwerk des Architekten Otto Wagner. Dazu kommt die gute Lage, keine zehn Minuten vom Schottentor entfernt, mitten im neunten Wiener Gemeindebezirk. Wenn man an der Harmoniegasse 10 vorbeispaziert, würde einem nie einfallen, dass das Gebäude innen nicht mindestens genauso nobel aussieht wie die Fassade draußen. Man würde denken, dass man sich um die hiesigen Altbauwohnungen sicherlich streiten muss, um den Fischgrätenboden und die hohen Wände.
Nun, ganz so ist es nicht. Die Harmoniegasse 10 steht seit geraumer Zeit größtenteils leer. Nur drei der insgesamt 16 Wohnungen sind bewohnt, der Rest mit großen, goldenen Schlössern von außen abgesperrt. Das Haus ist „sanierungsbedürftig“ – so nennt es zumindest die Magistratsabteilung 40 auf profil-Nachfrage. Und genau an diesem Punkt wird es ein wenig kompliziert. Denn eigentlich befindet sich das Gebäude im Eigentum der Dr. Eduard Kaufmann'schen Armenstiftung, gegründet 1907, damals noch via Bescheid der kaiserlich-königlichen Niederösterreichischen Statthalterei. Der Zweck: „Fürsorge für hilfsbedürftige Familien, die an oder unter der Armutsgefährdungsgrenze leben und von Obdach- oder Wohnungslosigkeit bedroht sind.“ Mehr als hundert Jahre später ist nun die Stadt Wien für die Vertretung der Stiftung verantwortlich, genauer gesagt Personen der Magistratsabteilung 40. Und da schließt sich der Kreis. Und ein ganz neuer macht sich auf.
Außen hui, Innen pfui
Schon 2005 wurde die Dr. Eduard Kaufmann'sche Armenstiftung in einem Bericht des Wiener Stadtrechnungshof aufgelistet - sie war eine von elf Stiftungen, „deren finanzielle Situation in den Jahren 2000 bis 2004 keinerlei Zuwendungen zuließ.“ Der Stiftungszweck konnte dementsprechend nicht erfüllt werden. Die Thematik ist also nicht neu, renoviert wurde offenbar trotzdem nichts: im Jahr 2023 finden sich in der Harmoniegasse Löcher unter Fensterrahmen, verdreckte Klos am Flur, angeschwärzte Tapeten. Warum? „Weil eine umfassende bauliche Weiterentwicklung des Gebäudes die finanziellen Mittel der Stiftung übersteigen würde“, so die Magistratsabteilung 40. Außerdem fügt sie an, habe der Stadtrechnungshof 2005 lediglich festgestellt, dass es bei Erbschaften dieser Art häufig in der Natur der Sache liege, dass der Stiftungszweck schwer zu erfüllen sei, weil die jeweils dazugehörigen Stiftungen selten über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Klar sei jedenfalls, dass eine „Weiterentwicklung der Immobilie“ notwendig wäre. „Derzeit wird die bestmögliche Verwertung der Liegenschaft der Stiftung im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit eruiert, um den Stiftungszweck zu erfüllen”, heißt es von der Magistratsabteilung 40. Das könnte bis zu einem Verkauf der Immobilie gehen. Die erzielten Einnahmen würden dann dem Stiftungszweck zugutekommen.
Kritik von Opposition
Nun, ganz so gelassen sieht das die grüne Opposition nicht, allen voran die Wiener Parteivorsitzende der Grünen, Judith Pühringer: „Jeder Leerstand raubt jungen Menschen oder einer Familie eine leistbare Wohnung. Wenn ein solcher Wohnraub über Jahrzehnte in einem Gebäude im Eigentum der Stadt Wien passiert, dann ist das ein besonderer Skandal.“ Man fordere die Verantwortlichen der Stadt auf, „diesen Missstand“ so rasch wie möglich zu beseitigen. Ein Verkauf von der Harmoniegasse zehn kommt für sie allerdings nicht infrage. „Es muss jedenfalls im Verwaltungsbereich der Stadt bleiben.”