Betrugsvorwurf

Warum gegen Ex-Kanzler Christian Kern ermittelt wird

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Ex-Kanzler Kern wegen schweren Betrugsverdachts. Kern bestreitet den Vorwurf.

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Ex-Kanzler Christian Kern drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft Wien führt den früheren SPÖ-Chef, zwei weitere Personen und zwei Firmen als Beschuldigte wegen schweren Betrugsverdacht. Es geht um ein gescheitertes Immobilienprojekt, ausgebliebene Zahlungen und fehlende Bauteile. Kern bestreitet die Vorwürfe, diese seien nicht substanziell und „verleumderisch“, heißt es von seinem Anwalt Paul Kessler.

Grundlage ist eine Anzeige eines früheren Geschäftspartners des Ex-Kanzlers. Die Wiener Sveta Group von Avial Yosopov und ihr Anwalt Volkert Sackmann stellen in der Sachverhaltsdarstellung vom 12. Februar 2023, die profil vorliegt, Kern als Drahtzieher eines Millionenbetrugs dar: Der Immobilienhändler will auf Empfehlung des Ex-Kanzlers mehr als eine Million Euro für modulare Fertigteil-Immobilien gezahlt haben, die nie geliefert oder errichtet wurden. Die Sveta fühlt sich dadurch vom früheren SPÖ-Chef und zwei seiner Geschäftspartner getäuscht und betrogen. Da der angezeigte Schaden 300.000 Euro übersteigt, liegt das Strafmaß bei bis zu zehn Jahren Haft.

Entscheidende Bekanntschaften

Die Vorwürfe reichen in den Herbst 2020 zurück. Kern soll den Immobilienhändler Yosopov damals von den Fertigteil-Immobilien überzeugt haben. Man einigte sich, gemeinsam 27 Wohneinheiten auf einer Liegenschaft der Sveta zu errichten. Das Unternehmen des Ex-Kanzlers, ECO SMART HOME GmbH (später: Blue Minds Living GmbH), trat dabei allerdings nur als Zahlstelle für die slowakische Firma ECO SMART HOME s.r.o. der anderen beiden Beschuldigten auf. Noch vor der ersten Tranche zog sich Kern im November 2020 als Geschäftsführer zurück, blieb aber an der Firma finanziell beteiligt. Da seine Firma eine Optionsvereinbarung auf 45 Prozent der Projektgesellschaft hatte, musste er am Erfolg des Vorhabens interessiert gewesen sein.

Sodann passierte gar nichts.

Die Sveta GmbH

wollte die Fertigbauteile rasch erhalten.

Genau dadurch sieht sich Yosopov getäuscht: Zwischen Mitte März und Ende April 2021 überwies die Sveta 500.000 Euro an die "Blue Minds Living GmbH", zeigen Zahlungsbelege. „Sodann passierte gar nichts“, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung, es wurde nichts geliefert. Nach Druck auf den Produzenten sei es zu einem Besuch im Werk der Baufirma gekommen. Dort sei „kein einziges Bauteil vorhanden [gewesen], das für das gegenständliche Projekt gekennzeichnet war, es gab lediglich die mündliche Zusicherung, dass diese vorhanden seien“.

Da Yosopov jedoch weiterhin „von der Integrität des Mag. Christian Kern und seiner Empfehlung überzeugt“ gewesen sei, habe er zwischen Mitte Mai und Ende Juni 2021 weitere 504.106,89 Euro überwiesen. Er hätte „niemals vorab eine Million Euro ohne Gegenleistung an diese Personen überwiesen, wäre nicht Mag. Christian Kern für das Projekt gestanden“, heißt es in der Anzeige. Der Ex-Kanzler habe die Zusammenarbeit zwischen Yosopov und dem slowakischen Unternehmen aber gar nicht eingeleitet, sagt Kerns Verteidiger Kessler: „Das ist einfach falsch. Wir sind dazugekommen, da haben die sich schon gekannt.“

Trockener Geldfluss

Eine letzte Rechnung über 100.000 Euro am 21. Juli 2021 ließ die Sveta liegen. Immerhin sei „bis heute […] keine einzige vereinbarte Leistung erbracht“ worden, argumentiert die Sveta in der Sachverhaltsdarstellung. Ohne das Geld hätte aber nicht produziert werden können, heißt es hingegen vonseiten der Beschuldigten. Das Projekt scheiterte.

Ich kann mir nicht den prominentesten Namen heraussuchen und an den Pranger stellen.

Anwalt Paul Kessler

verteidigt Ex-Kanzler Christian Kern gegen die Vorwürfe

Daher habe Kerns ehemalige Firma auch auf ihre Option verzichtet und selbst Verluste zwischen 200.000 und 300.000 Euro zu verkraften, sagt Kerns Verteidiger Kessler: „Durch die Nichteinhaltung der Verträge hat die Sveta die Gesellschaft meines Mandanten geschädigt.“ Kessler kritisiert auch die juristische Vorgangsweise: So habe die Sveta zuvor keine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche geltend gemacht, und zwar Kern, aber nicht den späteren Geschäftsführer der Blue Minds angezeigt: „Ich kann mir nicht den prominentesten Namen heraussuchen und an den Pranger stellen.“

Auch die anderen Beschuldigten sehen sich selbst geschädigt und prüfen nun selbst Ansprüche gegen den Immobilienträger: „Wir können meines Erachtens lückenlos nachweisen, dass das bezahlte Geld für die Herstellung der Fertigteile verwendet wurde“, sagt Verteidiger Bono Mamuzic. Er sieht „kein Substrat für diese Anzeige“, seine Mandanten aber auch Ex-Kanzler Kern würden „vollkommen zu Unrecht in diese Sachverhaltsdarstellung hineingezogen“. Nun ist die Staatsanwaltschaft am Zug. Bereits im Mai wurde Kern einvernommen, am Montag soll der zuständige Beamte der Kriminalpolizei aus dem Urlaub zurückkehren. Kessler hofft, dass sein Bericht zu einer raschen Einstellung des Verfahrens gegen den früheren Kanzler Christian Kern führen wird.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.