Hanna Hansen, Marcel Krass, Pierre Vogel
Österreich

„Inshallah, bin ich bald ganz bedeckt“

Immer mehr junge Frauen in Österreich konvertieren zum Islam. Salafistische Influencerinnen und Influencer machen daraus ein Geschäftsmodell.

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Sophie heißt jetzt Safiya. Es ist gut ein Jahr her, dass sie zum Islam konvertiert ist. „Alhamdulillah“, „Gott sei Dank“, schreibt sie, „schon ein Jahr, wie die Zeit vergeht.“ In einer Telegram-Gruppe für Konvertitinnen erzählt die 22-Jährige über ihre Konversion. Sie kommt aus Linz und ist katholisch aufgewachsen. Ihre Mutter ist gläubig, geht sonntags regelmäßig in die Kirche. Ihr Bruder hält nicht sonderlich viel von Religion. Beide können nicht verstehen, was Sophie am Islam so fasziniert. Warum sie plötzlich ein Kopftuch trägt, fünfmal am Tag betet, im Ramadan fastet. Warum sie ihr Leben nach strengen Regeln führt, die eine Religion vorgibt. Sie hingegen kann die Skepsis ihrer Familie nicht nachvollziehen. „Man ist doch immer noch dieselbe Person“, sagt sie, „alles bleibt beim Alten.“

Und doch wird Sophie anders. Erst ändert sie ihren Namen, mit der Zeit auch ihre Überzeugungen, ihre Sprache und ihr Aussehen. Safiya feiert kein Weihnachten und Ostern mehr, sie trinkt auch keinen Alkohol, wenn sie mit ihren Freundinnen unterwegs ist, aber sie ging ohnehin nie so gern aus. Beim Rauchen ist es anders, „aber ich habe es schon viel reduziert und inshallah kann ich bald ganz aufhören.“ Safiya geht nicht mehr zur Maniküre, „das fehlt mir schon sehr, dass ich mir meine Nägel nicht mehr schön machen kann“, weil es ihr der Glaube nicht erlaubt. Sie trägt einen Hijab und eine Abaya, aber nicht jeden Tag: „Ich glaube, dass ich noch nicht bereit dafür bin, aber inshallah bin ich bald ganz bedeckt.“

Wie bei vielen jungen Mädchen führt auch Sophies Weg zu Allah über TikTok. Am Anfang scrollt sie noch durch Schminktipps und Hautpflegeroutinen, doch dann tauchen die ersten Videos auf, in denen Influencerinnen religiöse Botschaften verkünden. Und der Algorithmus lernt schnell. Je mehr Videos Sophie anschaut, desto mehr solcher Inhalte bekommt sie ausgespielt. Bald geht es nur noch um die Vorzüge des Hijabs, um das Leben als gläubige Muslimin. Sie fängt an, sich immer mehr für den Islam zu interessieren und merkt: Sie ist damit nicht allein.

Faszination Islam

„In den letzten drei Jahren haben 194 Menschen die Beratungsstelle Extremismus kontaktiert, weil jemand aus ihrem Umfeld zum Islam konvertiert ist. Das ist ein spürbarer Anstieg. In den meisten Fällen sind es Eltern, die sich Sorgen um ihre Tochter oder ihren Sohn machen, weil ihr Kind einen anderen Glauben angenommen hat“, sagt Verena Fabris, Leiterin der Beratungsstelle. Wie viele Jugendliche in den vergangenen Jahren

konvertiert sind, ist unklar. Selbst die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) führt dazu keine verlässlichen Zahlen, weil nur Konversionen, die in Moscheen stattfinden, erfasst werden. In Österreich gibt es rund 400 muslimische Gebetshäuser, etwa 280 davon gehören zur IGGÖ. Bis zum 1. April wurden in den Moscheen der Glaubensgemeinschaft zehn konvertierte Personen registriert – sechs davon sind Frauen ohne Migrationshintergrund.

Für viele Eltern kommt die Veränderung unerwartet, fast über Nacht. Noch vor Kurzem stand die Tochter im Crop Top vor dem Spiegel, jetzt trägt sie weite Kleider und einen Hijab. Der Sohn, der nie Interesse an Religion gezeigt hat, wirft den Eltern vor, Schweinefleisch zu essen. Sie sind noch keine 18, sprechen von Halal und Haram und leben ihr Leben nach den Geboten des Korans.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.

Daniela Breščaković

Daniela Breščaković

ist seit April 2024 Innenpolitik-Redakteurin bei profil. War davor bei der „Kleinen Zeitung“.