Kunasek sieht indes den Ball bei Slowenien, die Eskalation sei „wohl dem Wahlkampf“ vor der Parlamentswahl 2026 geschuldet. Den freundschaftlichen Kontakt habe man „zuletzt beim Aufsteirern gesehen, wo uns unsere slowenischen Freunde in der Grazer Innenstadt musikalisch begeistert haben.“
Zumindest in seiner Außenpolitik unterscheidet sich Kunasek kaum von Kickl.
Auf dem Dokument stand noch die Unterschrift vom früheren Landeshauptmann und ÖVP-Chef Christopher Drexler, der zu diesem Zeitpunkt die Landespartei schon an Manuela Khom übergeben hatte. Dass das Bundesland nun eine neue Vize-Landeshauptfrau hat, musste im Regierungsprogramm noch korrigiert werden.
Der Wahlsieg von Mario Kunasek, 49, hat einiges ins Rollen gebracht. In der Steiermark, wo seit Dezember zum ersten Mal ein Freiheitlicher die Regierung anführt. In der FPÖ, die nach langer Zeit nicht nur Wahlsiege einfahren, sondern sie auch in Führungsverantwortung umwandeln kann. Und in Österreich, wo im Machtgefüge aus Rot und Schwarz plötzlich ein Blauer mitmischt. Die Freiheitlichen regieren zwar in fünf Ländern mit, die Nummer eins sind sie aber nur in der Steiermark. Das hatte seinen Preis: Im Wahlkampf überschritten sie die steirische Obergrenze um 173.000 Euro.
Kunasek ist ein ganz anderer Typ als Herbert Kickl – glücklicherweise.
aus dem Umfeld der Landeshauptleute
Im Kreis der Landeshauptleute lebt sich Kunasek gut ein. „Er ist ein ganz anderer Typ als Herbert Kickl – glücklicherweise“, hört man aus dem Umfeld seiner Amtskollegen. Während Kickl vor allem spalten würde, könne man mit Kunasek unabhängig von allen ideologischen Unterschieden sprechen.
Besonders in der Landeshauptleute-Konferenz ist das wichtig: Im Gremium der neun Landesspitzen herrscht Einstimmigkeit. Würde der einzige Blaue in der Runde auf Kickls Konfrontationskurs setzen, wäre die Gruppe gelähmt. Doch von Kunasek kommen bisher keine Blockaden, er zeige sich kooperativ, und auch auf Mitarbeiterebene sei die Zusammenarbeit „von großer Konstruktivität geprägt“, heißt es aus einem anderen Bundesland: „Kunasek hat sich sehr rasch in dieses von Kickl kritisierte ,System‘ eingefügt und ist nun ein konstruktiver Teil davon.“
Mario Kunasek hat sich gut integriert. Der erste blaue Landeshauptmann außerhalb Kärntens inszeniert sich als bürgernah, fleißig und steirisch. Neun Monate nach seinem Antritt fällt die inhaltliche Bilanz noch dürr aus, doch die Aufschreie aus Opposition, Ausland und Zivilgesellschaft verhallen derzeit. Von außen betrachtet drängt sich die in der FPÖ ketzerische Frage auf: Ist das Modell Kunasek für die Freiheitlichen im Bund womöglich zukunftsträchtiger, als es Herbert Kickls rabiater Stil ist?
Kunasek hat sich sehr rasch in dieses von Kickl kritisierte ,System‘ eingefügt und ist nun ein konstruktiver Teil davon.
aus dem Umfeld der Landeshauptleute
Kunasek ist zugänglicher, auf allen Ebenen. Vereinzelt gibt er auch kritischen Medien Interviews, etwa Mitte August in der „ZIB 2“. Für ein persönliches Gespräch mit profil steht er nicht zur Verfügung, auf eine schriftliche Anfrage antwortet sein Büro aber ausführlich.
Was für alle Parteien selbstverständlich ist, wurde in der Kickl-FPÖ zur Seltenheit. Der Bundesparteichef bevorzugt parteieigene oder befreundete Medien. Doch als Landeshauptmann muss Kunasek über die freiheitliche Basis hinaus wirken. Und dafür braucht er mehr als FPÖ-TV. Eine Erkenntnis, die Kickl auf seinem gescheiterten Weg zur Kanzlerschaft fehlte.
Was hilft: Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht mehr, ob Kunasek im Rahmen seines privaten Hausbaus Parteigelder veruntreut hat. Auch ein Vorwurf der Nötigung gegen den blauen Landeschef wurde eingestellt. Die Ermittlungen wegen falscher Zeugenaussage im Finanzskandal der FPÖ-Graz laufen aber weiter. „Ich bin positiver Dinge, dass auch die anderen Verfahrensstränge eingestellt werden, da ich mir nichts vorzuwerfen habe“, sagt Kunasek dazu.
Zusammengetroffen waren sie im blauen Nationalratsklub, in der türkis-blauen Regierung dienten beide als Minister: Kickl für Inneres, Kunasek für Verteidigung. Schon damals war klar, dass der Steirer irgendwann in seine Heimat zurückkehren wird. Doch während Kunasek heuer zum Landeshauptmann aufstieg, blieb Kickl auf der Oppositionsbank sitzen. Was macht den Unterschied aus?
Anders als Kickl hatte Kunasek sogar zwei Optionen für einen Koalitionspartner, entschied sich aber für die geschwächte ÖVP. Zum ersten freiheitlichen Landeschef gab es eine weitere Premiere: Noch nie zuvor musste die steirische Sozialdemokratie in die Opposition wechseln.
Die Eingewöhnungsphase war kurz, findet SPÖ-Chef Max Lercher, nicht nur bei seiner Partei. „Auch Kunasek hat sehr schnell in die Landeshauptmann-Rolle gefunden, das muss man ihm lassen. Er inszeniert sich als FPÖ light, spielt den verbindenden Landesvater und Streng-Konservativen.“ Andere Beobachter, die Kunasek noch aus seiner Zeit im Landtag kennen, haben ihn nie als harten, rechten Ideologen wahrgenommen: „Kunasek ist eher das freundliche Gesicht nach außen.“
Und die Inhalte? „Kunasek nimmt sich im Moment aus dem Bereich Industrie und Wirtschaft komplett raus. Aber die Steiermark ist ein Industrie-, Forschungs- und Wirtschaftsbundesland, man muss sich mit diesen Politikfeldern befassen“, sagt Lercher. Auch dass die Gemeinde-Agenden nicht im Verantwortungsbereich des Landeshauptmannes liegen, sei „sehr unüblich“. Noch könne sich Kunasek als Verbindender geben und sich auf das Moderieren der Landespolitik konzentrieren.
VERANSTALTUNG "24. AUFLAGE DES BRAUCHTUMSFESTIVALS AUFSTEIRERN": KUNASEK / SCHWENTNER
Ob das nach dem Budgetbeschluss so bleibt, ist fraglich. „Beim kommenden Landesbudget muss die FPÖ erstmals Farbe bekennen – da geht es dann an die Substanz.“ Das Budget 2026 bezeichnet Kunasek selbst als seine größte offene Aufgabe bis Jahresende.
Erste Aufschreie gab es schon, den erbittertsten nach der Amok-Tat in Graz. Nur wenige Tage danach wurde publik, wo FPÖ-Soziallandesrat Hannes Amesbauer sparen würde, unter anderem bei einem Gewaltschutzprojekt. Insgesamt sollen 2,5 Millionen an Förderungen im Sozialbereich gekürzt werden. Die Freiheitlichen versuchten zu beruhigen. Mit Zahlen, wie zum Beispiel, dass die Einsparungen nur 0,25 Prozent des Sozialbudgets ausmachen, aber auch mit polemischen Aussagen: Es werde eben nicht mehr „jedes Kaffeekränzchen mit drei Zuwanderern und einem Sozialarbeiter“ gefördert.
Kulturkampf von oben
Plötzlich muss die FPÖ selbst Sparmaßnahmen verteidigen. Im Gesundheitsbereich könnte es noch heikler werden. Nach einem der wichtigsten Wahlversprechen verdoppelten sich in Rottenmann die Stimmen für die FPÖ: Kunasek hatte das Ende der Pläne angekündigt, drei kleinere Spitäler durch ein Leitspital im Bezirk Liezen zu ersetzen. Doch auch seine Alternative, die drei Standorte beizubehalten, sorgt für Empörung, zum Beispiel beim früheren Rektor der Med Uni Graz Hellmut Samonigg. Das sei ein „Grabgesang für eine hochqualitative Spitalsversorgung“.
„Der Kulturkampf ist ihnen das liebste“, sagt Max Lercher über die FPÖ, „wir wollen aber über Gesundheit, Industrie und Sicherheit diskutieren“.
Tatsächlich bekamen die ersten großen Einsparungen neben den NGOs auch Kulturbetriebe zu spüren. Die Regierung besetzte das Kulturkuratorium des Landes völlig neu: Von 15 Aufsichtsräten durften nur zwei bleiben – obwohl das alte Kuratorium noch bis Ende 2026 im Amt gewesen wäre. Neu dazu kam für die FPÖ etwa Franz Koiner, Marketingleiter des rechtsextremen Leopold Stocker Verlages. Auch ein Steuerberater, der in der Finanzaffäre der FPÖ-Graz eine Rolle spielt, sowie ein Bauingenieur, der sich selbst als „hinterfragender Querdenker“ bezeichnet, überwachen nun die Vergabe von Kulturförderungen in der Steiermark.
Die angekündigte Abschaffung des Landes-Zuschlages zur ORF-Haushaltsabgabe – mit 4,70 Euro im Monat der höchste in ganz Österreich – hat Kunasek noch nicht umgesetzt. Wohl auch, weil das Land vor einem riesigen Budgetloch von 6,4 Milliarden Euro steht. So waren Kunaseks erste neun Monate von raschen Symbolmaßnahmen geprägt, wie das Gender-Verbot für Beamtinnen und Beamten in amtlichen Schriftstücken.
Ein erstes Deregulierungspaket haben FPÖ und ÖVP bereits vorgelegt. Es erleichtert Verfahren für Photovoltaik- und Solaranlagen (ein für einen freiheitlichen Politiker unüblicher Fokus) und erlaubt mehr digitale Amtswege. Daneben werden Kleinigkeiten verändert: So soll es künftig weniger Meldepflichten für Hoteliers geben, stattdessen aber eine Aufzeichnungspflicht – und eine Übermittlungspflicht auf Verlangen der Behörde. Für die Firmen wohl kaum eine Entlastung. Gröbere Einschnitte gibt es bei öffentlicher Kontrolle: Bodenschutzberichte sollen nicht mehr jährlich, sondern alle fünf Jahre veröffentlicht werden. Der Sozialbericht soll gänzlich gestrichen werden. 2026 will Kunasek weiter deregulieren.
Die größte Empörungswelle schwappte aber aus dem Ausland über.
Proteste aus Slowenien
Marko Štucin hat sein Büro in der Wiener Ringstraße erst vor Kurzem bezogen, der neue Botschafter von Slowenien hat einen vollen Terminkalender. Ein Besuch in Graz bei Kunasek steht nicht am Programm, sagt er profil. „Ich habe nicht vor, in meiner Amtsperiode Kontakte zur steirischen Landesregierung zu pflegen.“ Štucin erwartet nicht, dass Kunasek ihn zu einem Gespräch bittet. „Aber falls eine Einladung kommt, werde ich mir ansehen, welche anderen Termine ich an diesem Tag habe, und dann entscheiden.“
Schuld daran ist der Plan der Regierung, das „Dachsteinlied“ als Landeshymne in die Verfassung zu schreiben. Damit wäre ein Text rechtlich aufgewertet worden, der heutiges slowenisches Staatsgebiet (bis zu Save und Drau) besingt, das schon seit mehr als 100 Jahren nicht mehr Teil der Steiermark ist. Der Plan von Blau-Schwarz scheiterte, allerdings schrieben sie das Dachsteinlied im Landessymbolgesetz fest.
Ich habe nicht vor, in meiner Amtsperiode Kontakte zur steirischen Landesregierung zu pflegen.
Marko Štucin
Botschafter von Slowenien in Österreich
„Wir verstehen vollkommen, dass es Texte wie diesen gibt, die in einem anderen historischen Kontext geschrieben wurden“, sagt Botschafter Štucin. „Es ist also keine große Sache, wenn jemand diese Lieder singen möchte.“ Aber: „Wenn die steirische Landesregierung diesen Text in einem Gesetz festschreibt, verliert er den historischen Kontext und wird aktuell. Das ist für uns völlig inakzeptabel.“
Der Botschafter wählt scharfe Worte: „Ich kenne ein Land, das vor Kurzem seine Gesetze so geändert hat, dass es nun Gebiete außerhalb seiner international anerkannten Grenzen inkludiert – Russland.“ Er wisse, dass der Gesetzesbeschluss nicht bedeute, dass die Steiermark slowenisches Gebiet beansprucht. „Aber es ist dennoch ein symbolischer Akt, den wir einfach nicht nachvollziehen können. Damit haben sie die Tür zu bilateralen Beziehungen geschlossen.“ Dabei sei es gerade in Zeiten wie diesen wichtig, international zusammenzuhalten.