Warum steigen die Energiekosten?
Mit 2025 ändert sich einiges im Energiebereich, und das nicht unbedingt zum Besseren: Die Strompreisbremse läuft aus, das Ende der russischen Gaslieferungen ist für viele Konsumenten und Konsumentinnen mit Angst vor höheren Preisen verbunden und die Netzkosten steigen und steigen.
In der Tageszeitung „heute“ kündigt der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil „einen neuen Preis-Hammer“ an. Damit meint er den bevorstehenden Anstieg der Energiekosten für Haushalte und Betriebe. Schuld an dieser Misere trägt laut dem wahlkämpfenden Landeschef die türkis-grüne Bundesregierung. Ganz so einfach ist aber es nicht.
Für einen Großteil der Österreicherinnen und Österreicher steigen die Energierechnungen 2025. Schuld daran ist ausgerechnet die Energiewende und die veränderte Energienutzung seit Russlands Krieg in der Ukraine. Erneuerbare, nicht fossile Energie, die im Land erzeugt wird und nicht teuer importiert werden muss, sollte eigentlich allen im Land billigen und sauberen Strom liefern. Warum steigen die Preise aber? Und versagt die Politik gerade bei der Energiewende?
Netzkosten werde nicht nach Netznutzung verrechnet
Im Gegensatz zum Stromanbieter, kann man sich den Netzbetreiber in Österreich nicht aussuchen. Es gibt insgesamt 122 regionale Netzbetreiber – allesamt Monopole auf ihrem Wirkungsgebiet –, die über die Übertragungsnetze der Austrian Power Grid (APG) miteinander verbunden sind. Kontrolliert werden sie vom Energieregulator E-Control, weil auch Monopolisten ihren Kunden nicht jeden beliebigen Preis verrechnen dürfen.
Dass jetzt deutlich höhere Vorschreibungen bei ganz vielen Kunden eintrudeln, hat sehr viel mit eben diesen Netzkosten zu tun. Sie steigen wegen der wachsenden Personal- und Materialkosten, weil das Netz ausgebaut und bestehende Infrastruktur modernisiert wird, meint Christoph Dolna-Gruber von der österreichischen Energieagentur.
„Die Erhöhung der Netzentgelte ist also keineswegs willkürlich, sondern folgt einer genau geregelten Methodik, die durch die Regulierungsbehörde umgesetzt wird“, so Dolna-Gruber.
Abhängig sind die Netzkosten auch von der Zahl der Nutzerinnen und Nutzer: Mit zunehmender Anzahl der Photovoltaikanlagen (PV) sinkt die Zahl der Personen, die das Netz zur Stromversorgung brauchen. Wer seinen Strom selbst produziert, zahlt keine Netzgebühren und auch für Energiegemeinschaften gelten reduzierte Netzentgelte. Weil die Netzkosten aber in Summe gleich bleiben, zahlen die übrigen Verbraucher mehr.
Und diese Kosten werden weiter steigen – immer mehr große Unternehmen investieren in PV-Anlagen, somit verringert sich auch ihr Nutzungsanteil am Stromnetz. Theoretisch müsste dann der letzte Nutzer Kunde Österreichs, der seinen Strom nicht selbst produziert oder bei einer Energiegenossenschaft ist, die gesamten Netzkosten alleine bezahlen.
In der Praxis zahlen die Kosten für Österreichs Stromnetz ausgerechnet jene, die sich den Ausstieg aus klassischen Energieträgern nicht leisten können oder wollen. Bei Haushaltskunden findet in der Regel auch keine Leistungsmessung der Netznutzung statt – das heißt, es macht keinen Unterschied, ob das Stromnetz durch eine Wärmepumpe oder ein Elektroauto mit 11 Kilowatt beansprucht wird oder durch Herd und Geschirrspüler mit zwei bis vier Kilowatt.
Aber: Wie viel Leistung bezogen wird, beeinflusst, wie das Netz auszusehen hat: Je mehr Leistung zur selben Zeit abgerufen wird, desto dicker müssen die Stromkabel sein. Somit werden die Kosten für den Erhalt und Ausbau des Energienetzes eher von jenen getragen, die es weniger stark belasten.
Repariert werden sollte diese Verteilung mithilfe des von der türkis-grünen Regierung geplanten neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (EIWG). Der Gesetzesentwurf liegt seit Februar vor, profil berichtete. Mit dem Gesetz sollte sich die Energiewirtschaft auf die neue Realität umstellen. So sind Änderungen des E-Control-Gesetzes vorgesehen, es sollte aber auch der Grundstein für die Erfassung von Energiearmut gelegt werden. Beschlossen ist das Gesetzt aber nicht und nichts deutet darauf hin, dass das in der auslaufenden Legislaturperiode passieren wird. Die Grünen werfen der ÖVP Blockade vor, letztere stand von Anfang an auf der Bremse.
Die Senkung der Abgaben läuft aus
Als Reaktion auf die steigenden Energiepreise 2022 hat der Bund, wie auch einige Bundesländer, versucht, die Energiepreise zu dämpfen. Diese Maßnahmen laufen mit Ende des Jahres aus. Auch, weil sie das ohnehin marode Budget belasten.
Mit 1. Mai 2022 senkte die Bundesregierung die Elektrizitätsabgabe auf 0,1 Cent pro Kilowattstunde Energie. Das entspricht dem EU-weit vorgeschriebenen Minimum. Davor betrug sie ungefähr 1,5 Cent pro Kilowattstunde. Auch die Erdgasabgabe wurde befristet reduziert.
Der Bund lässt Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten und der Inflation nun mit Ende 2024 auslaufen. Eigentlich hätte das schon Ende letzten Jahres passieren sollen, aber der Nationalrat hat die Maßnahme im Wahljahr verlängert.
„Angesichts budgetärer Restriktionen ist das nachvollziehbar, trotzdem wären Anreize in Richtung Elektrifizierung beziehungsweise Erneuerbare weiterhin empfehlenswert“, sagt Dolna-Gruber.
Energiekosten sind orts- und modellabhängig
Wie hoch die Stromkosten sind, das hängt auch vom Bezugsort ab. Dabei geht es um die Netzebene – sie kann bundesweit, regional oder lokal geregelt sein. Wird Strom auf der regionalen Ebene verteilt, dann reduzieren sich die Netzkosten um 28 Prozent; wird nur der Ortstrafo beansprucht, dann entfallen 56 Prozent der Netzkosten.
Darin liegt auch einer der großen Vorteile von Energiegemeinschaften. Diese sind ein Modell, mit dem Wahlkämpfer Doskozil im Burgenland den steigenden Netzkosten entgegenhalten will. Wird Energie über diese lokalen Netze bezogen, dann sind die Kosten im Vergleich zu den Abgaben im bundesweiten Netz niedriger.
Mit dem Aufkommen von lokaler Energieproduktion, wie PV-Anlagen oder Windenergie, verlieren große Energieanbieter an Bedeutung. Der Landesenergieversorger Burgenland Energie bringt sich ins Spiel, indem die Energiegemeinschaft „Fanclub Burgenland Energieunabhängig“ von ihm PV- und Windkraftanlagen auf 20 Jahre pachtet. Weil die Menge der produzierten Energie und der Pachtpreis bekannt sind, lässt sich hier eine Preisgarantie abgeben.
Mit dem Fanclub an den Netzkosten vorbei
Von den Aussagen Doskozils sollte man sich aber nicht täuschen lassen, die Netzkosten steigen auch im Burgenland und auch die Elektrizitätsabgabe wird hier ab 2025 wieder fällig.
Die Energiegemeinschaft Burgenland wirbt mit einem fixen Betrag von zehn 10 Cent pro Kilowattstunde Energie. Ob das ein „guter Preis“ ist, das lässt sich erst im Nachhinein beurteilen, erklärt Dolna-Gruber.
Die Energielieferung über die Gemeinschaft reicht zudem nicht aus, um einen durchschnittlichen Haushalt voll zu versorgen. Ungefähr 30 Prozent des Verbrauchs werden durch das Angebot der Energiegemeinschaft gedeckt. Werden die Abnahmezeiten optimiert, dann ist es maximal die Hälfte. Das bedeutet, wer hier Mitglied ist, ist trotzdem auch Kunde eines Energieversorgers.
„Wenn die in die Gemeinschaft eingebrachte Menge an Wind- und PV-Strom den Verbrauch nicht decken kann, muss man den Reststrom von einem Lieferanten beziehen“, sagt Dolna-Gruber. Außerdem hat der burgenländische „Fanclub“ einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von vier oder acht Euro, der erst durch die günstigen Strompreise “hereingespielt” werden muss.
Die zu 100 Prozent dem Land gehörende Energie Burgenland prahlte zuletzt damit, dass die Stromkosten im Burgenland um zwei Drittel billiger sind, als im Rest Österreichs. Aus dem Strompreismonitor der E-Control geht das nicht hervor: So ist der Preis der Burgenland Energie teilweise höher als der anderer Lokalanbieter in Österreich.
Unklar ist auch, wie sich der Gasmarkt entwickelt. „Es ist davon auszugehen, dass der Markt den Gas-Ausstieg aus russischem Gas schon eingepreist hat. Und mit dem Wegfall der deutschen Gasspeicherumlage wird nicht-russisches Gas um 2,5 Euro pro Megawattstunde günstiger nach Österreich kommen, ungeachtet anderer Effekte auf den Gaspreis“, so Dolna-Gruber. Die Krux dabei ist, dass Österreich noch relativ viel Gas für die Stromerzeugung braucht. Und wegen der sogenannten Merit-Order - dem Preisbildungsmechanismus am Strommarkt – bestimmt jener Energieträger, der zuletzt bei der Stromerzeugung angezapft wird, den Strompreis. Und das ist in Österreich eben oft Gas.
Und was macht die Inflation?
Mit den Energiekosten steigt auch die Inflation. Wifo-Ökonom Josef Baumgartner rechnet mit einem „deutlichen Inflationsschub“ im Jänner, wie er zuletzt im ORF sagte. Die Teuerung könnte wieder auf 2,5 bis 2,75 Prozent steigen. Zuletzt lag sie laut Schnellschätzung der Statistik Austria bei 1,9 Prozent. Auch IHS-Ökonom und Inflationsexperte Sebastian Koch prognostizierte einen Anstieg der Kosten für Jänner – er plädierte dennoch dafür, die „sehr teure“ Strompreisbremse auslaufen zu lassen.
Beide Ökonomen sprechen sich gegen ein pauschales Fortführen der Maßnahmen aus. Nicht zuletzt, weil die Staatskassen Förderungen mit der Gießkanne schlicht nicht mehr hergeben. Einkommensschwache Haushalte sollten dennoch unterstützt werden, denn sie sind von den steigenden Kosten am stärksten betroffen – und tragen nicht unwesentlich zur Finanzierung der Netzkosten bei. Keine leichte Aufgabe für die neue Regierung, wann immer sie auch fertig verhandelt hat.