Das Förder-Füllhorn der Klimaministerin
Bei Förderungen für Photovoltaik-Anlagen geht es mitunter um Sekunden: Nur die Schnellsten können einen Antrag stellen. Auch vor dem letzten Förderaufruf am 23. August tauschten sich Förderwillige daher untereinander aus: Welche Daten brauche ich? Kann ich ein paar Minuten früher ins System? Dabei ist die Verunsicherung seit Sommer kaum mehr berechtigt, denn waren die Fördertöpfe für die begehrten privaten PV-Anlagen letztes Jahr rasch aufgebraucht, sind sie mittlerweile ausreichend dotiert. 70 Millionen Euro stehen bis 6. September zur Verfügung, in der ersten halben Stunde des neuen Calls wurden letzte Woche 22.000 Tickets ausgestellt.
Österreichs Regierung setzt im Kampf gegen die Klimakrise neben CO2-Steuer und Klimaticket auf jede Menge Förderungen: Allein das Klimaschutzministerium stellte mehr als zwei Milliarden Euro für Privatpersonen zur Verfügung. Mit Unterstützung des Staates sollen die Menschen in Österreich energieunabhängiger, klimaneutraler und nachhaltiger leben. Doch die finanziellen Anreize reichen nicht immer aus. Und nicht alle Maßnahmen wirken zielgerichtet.
Sanieren gegen die Krise
Die größten Fördertöpfe gebe es schon seit Jahren, sagt Christoph Streissler, Experte für Klimapolitik bei der Arbeiterkammer Wien: „Neu sind die großen Volumina, die eigentlich erst diese Regierung ausgelöst hat. Die Regierungsbeteiligung der Grünen ist sicher ein Grund dafür.“ Für die Sanierungsoffensive des Bundes ist mit Abstand am meisten Geld reserviert. 940 Millionen Euro sollen bis nächstes Jahr dafür sorgen, dass Österreichs Häuser nachhaltiger werden. Das wird allein heuer mit 3,25 Millionen Euro beworben. Der Werbespruch „Österreich ist nicht ganz dicht“ soll wohl bewusst provozieren, kann in Sachen öffentlicher Empörung aber nicht mit einzelnen PR-Aktionen wie den Klimaticket-Tattoos am „Frequency“-Festival mithalten.
Dichtere Fenster
„Österreich ist nicht ganz dicht“, informiert das Klimaschutzministerium – zumindest, was Wände, Fenster, Türen und Dächer betrifft. Allein um für die Sanierungsoffensive zu werben, stehen heuer 3,25 Millionen Euro zur Verfügung. Dass die Förderung im mehrgeschossigen Wohnbau anteilsmäßig geringer ist, findet Förder-Berater Walter Pehn nicht ideal. Immerhin sei die Sanierung dort deutlich herausfordernder.
Fördersumme: Im Einfamilien-, Zweifamilien- oder Reihenhaus bis zu 50 Prozent der Kosten, maximal 14.000 Euro
Im mehrgeschossigen Wohnbau bis zu 30 Prozent der Kosten, maximal 100 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzungsfläche, Fenster bis zu 50 Prozent der Kosten oder pauschal 3000 Euro
Antrag: umweltfoerderung.at/privatpersonen
Dabei sind gut gedämmte Häuser elementar, um die Klimaziele zu erreichen, denn rund ein Drittel des österreichischen Energieverbrauchs kommt aus dem Gebäudesektor. Laut „Nationalem Energie- und Klimaplan“ (NEKP) soll die Sanierungsoffensive den Energiebedarf jedes Jahr um ein weiteres Petajoule reduzieren – das ist genug, um 60.000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. Bis 2030 sollen so kumulativ 61 Petajoule eingespart werden. Das ist nur ein Viertel weniger, als die „Ökosoziale Steuerreform“ inklusive CO2-Bepreisung (77 Petajoule) im selben Zeitraum bringen soll.
Im privaten Bereich wird meist der Heizungstausch gefördert. „Raus aus Öl“ bedeutete 2022 in mehr als der Hälfte der 40.000 Förderfälle einen Umstieg auf eine Holzzentralheizung. Rund ein Drittel wechselte 2022 auf Fernwärme, nur jeder zehnte Haushalt ließ sich eine Wärmepumpe installieren. Einkommensschwache Haushalte können aus einer Kombination von Bundes- und Landeshilfen sogar den ganzen Heizungstausch finanziert bekommen. Eine Maßnahme, die 2022 allerdings nur von rund 1400 Haushalten genutzt wurde.
Neue Heizungen für alle
Spätestens mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas deutlich. Die Aktion „Raus aus Öl und Gas“ soll den Heizungstausch zusätzlich attraktiveren. Laut Klimaschutzministerium sorgt dies für rund 40.000 Kesseltäusche im Jahr. Einkommensschwache Haushalte können mit Unterstützung des jeweiligen Bundeslandes den gesamten Heizungstausch finanziert bekommen.
Fördersumme: Im Einfamilien-, Zweifamilien- oder Reihenhaus bis zu 50 Prozent der Kosten, maximal 11.000 Euro
Im mehrgeschossigen Wohnbau bis zu 50 Prozent der Kosten, maximal 90.000 Euro plus bis zu 3600 Euro pro Einzelwohnung
Antrag: umweltfoerderung.at/privatpersonen
Hilfen für Eigentümer
Viele einkommensschwache Haushalte können einen Heizungstausch aber erst gar nicht beantragen, denn sie wohnen in Mietwohnungen: „Die Förderungen sind stark auf Ein- und Zweifamilienhäuser ausgerichtet – und dort herrscht das Eigentum vor“, kritisiert AK-Experte Streissler. In den Flächenbundesländern Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark wurden 2022 zwei Drittel aller Sanierungsschecks von Privaten in Anspruch genommen. Die Millionenmetropole Wien lag im Bundesländervergleich auf dem letzten Platz – und das, obwohl im urbanen Raum mit Abstand die meisten Gasthermen hängen, nämlich rund 600.000. In ganz Österreich heizen derzeit knapp 900.000 Haushalte mit dem fossilen Brennstoff.
Im Bereich der Mietwohnungen würden die Förderungen schwerer ankommen, da Vermieterinnen und Vermieter weniger Interesse an niedrigeren Heizkosten hätten, mutmaßt Streissler. Nur bei bestimmten Maßnahmen wie dem Fenstertausch können Mieterinnen und Mieter selbst Förderungen in Anspruch nehmen. Das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG) könnte ihnen mehr Mitspracherecht bieten. Doch dafür müsste die Regierung die SPÖ im Nationalrat überzeugen. Die rote Blockade von Zweidrittelmehrheiten wurde zwar aufgehoben, eine Einigung scheint aber nicht anzustehen: „Beim EWG gibt es seit März keinen einzigen Verhandlungstermin“, kritisierte SPÖ-Klimasprecherin Julia Herr zuletzt und attestierte „völliges Regierungsversagen der Grünen“.
Spar-Beratung
Einkommensschwache Personen können kostenlose Energiesparberatung in Anspruch nehmen. Wird dabei der Tausch eines Elektrogeräts empfohlen, weil etwa der alte Kühlschrank zu viel Strom frisst, übernimmt der Staat die Kosten für das neue Gerät, dessen Montage und die Entsorgung des Vorgängers. Anspruchsberechtigt sind alle, die von der GIS befreit sind oder andere Unterstützungen wie Heizkostenzuschuss, Wohnbeihilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichshilfe in Anspruch nehmen.
Fördersumme: Kostenlose Energieberatung und, wenn nötig, kostenloser Gerätetausch
Antrag: caritas.at/energiesparberatung oder 05 17 76 300 (Mo-Fr von 9 bis 13 Uhr)
Kraftwerk am Dach
Der parlamentarische Prozess bremst immer wieder: Die Nachfrage nach geförderten Photovoltaik (PV)-Anlagen war letztes Jahr etwa so groß, dass der gesamte Fördertopf noch vor Jahresende aufgebraucht war. Nach Verzögerungen beim Beschluss der Investitionsförderungsverordnung konnten erst Ende März dieses Jahres neue Fördergelder beantragt werden. Seit Mitte Juli sind auch die aufgestauten Anträge aus den vorangegangenen Calls fertig abgebaut.
Strom vom Dach
Wer das eigene Dach zum Kleinstkraftwerk machen will, wird dabei finanziell unterstützt. Die Art der Förderabwicklung hat in der Vergangenheit aber immer wieder für Ärger gesorgt: Binnen weniger Minuten waren die Fördertöpfe teils aufgebraucht. Wer zu spät kam, ging leer aus. Auch kam es immer wieder zu Verzögerungen. Heuer wurden bereits 120.000 Anträge für private PV-Anlagen genehmigt.
Fördersumme: Maximal 30 Prozent der Brutto-Kosten bis zu 285 Euro pro Kilowattstunde peak (kWp) für Anlagen bis 10 kWp, bis zu 250 Euro pro kWp für Anlagen zwischen 10 und 20 kWp
Antrag: oem-ag.at, aktueller Call bis 6. September
Der große Andrang ist wenig verwunderlich: „Es gibt momentan fast keine bessere Investition als eine PV-Anlage“, sagt der Energiespar- und Förderungsberater Walter Pehn. Je nach Strompreisentwicklung würde sich die Anschaffung eines kleinen Kraftwerks am Dach in wenigen Jahre rechnen. Neben dem wirtschaftlichen Faktor zähle bei Haushalten auch der Gedanke, mit Solarstrom ein Stück Unabhängigkeit zu erreichen, sagt AK-Experte Streissler. Mit rund 600 Millionen Euro sollte der Fördertopf nun ausreichend dotiert sein, und: „Wir haben in einem Jahr so viele Photovoltaikanlagen genehmigt und gefördert wie die zwanzig Jahre davor“, ist Gewessler stolz.
Luft nach oben
Dennoch sind viele PV-tauglichen Flächen noch nicht erschlossen. In Wien liefern Solarstromanlagen zurzeit etwa bis zu 130 MWp. Theoretisch könnte die Stadt wohl mehr als das Zehnfache an Sonnenenergie gewinnen – und so rund ein Fünftel des derzeitigen Stromverbrauches der Hauptstadt decken. Um mehr verbaute Flächen zu nutzen, zeigt der „Solarpotenzialkataster“, wo PV-Anlagen auf Dächern besonders viel Licht bekommen würden. Doch wer die eigenen vier Wände mietet, kann kaum eine eigene Anlage am Dach errichten. In anderen Städten wird Solarstrom auch von Zellen an der Fassade gewonnen, das ist in Wien noch wenig genützt.
Mit Photovoltaik-Anlagen allein kriegen wir die Energiewende nicht hin.
Solarstrom ist dem mitunter wenig effizient: Die meiste Energie wird zu Hause in der Früh und am Abend verbraucht – also dann, wenn die Sonne wenig scheint, erinnert Pehn. Und die Kombination von Solarstrom mit Wärmepumpen, die eher in den dunklen Wintermonaten zum Heizen benötigt werden, ist wenig effizient. Noch mangelt es an ausreichend Speicherkapazität für die volatile Sonnenenergie. Der PV-Ausbau müsse daher in ein gesamtheitliches System der Energiespeicherung eingebettet werden, sagt AK-Experte Streissler: „Mit Photovoltaik-Anlagen allein kriegen wir die Energiewende nicht hin.“
Bis zum erhofften Technologiesprung bei Stromspeichern könnte man Synergieeffekte nutzen: Klimaanlagen können etwa recht gut mit Sonnenenergie betrieben werden. Energiespar-Experte Pehn schlägt daher vor, den Kauf von Klimaanlagen an die Errichtung von PV-Anlagen zu koppeln – wenn nicht auf dem eigenen Dach, dann auf einer anderen Fläche, etwa über einem Parkplatz.
Reparaturbonus in Reparatur
Damit weniger Elektrogeräte am Müll landen, unterstützt der Staat ihre Reparatur. Dabei sind die Reparaturbons nicht pro Person beschränkt: Sobald ein Bon eingelöst wurde, kann ein neuer beantragt werden. Aktuell muss allerdings gewartet werden. Denn seit dem Start der Aktion im April 2022 kam es zu Betrugsfällen. 56 Firmen – der Großteil davon Handyshops – sollen das Angebot missbraucht haben. Daher wird der Reparaturbonus vorerst selbst repariert.
Fördersumme: Bis zu 50 Prozent der Brutto-Kosten, maximal 200 Euro
Antrag: Ab 25. September auf reparaturbonus.at
Erste Schritte
Schon jetzt sind die Klima-Förderungen an bestimmte Bedingungen geknüpft: Konkrete Förderhürden würden etwa dazu führen, dass besser saniert werde, sagt Pehn. Und die Förderung für Bahn-taugliche Falträder erhält nur, wer auch ein Jahresticket für die öffentlichen Verkehrsmittel besitzt. Dass dies laut Klimaschutzministerium vor allem in Wien angenommen wird, zeugt allerdings von wenig Treffsicherheit – und dass bisher nur rund 2000 Anträge gestellt wurden, von geringem Interesse. Hinzu kommt, dass sich E-, Falt- und Transporträder trotz staatlicher Unterstützung im gehobenen Preissegment befinden.
Elektrisches Fahren
Um mehr Personen vom Verbrennungs- auf den E-Motor umsteigen zu lassen, wird Benzin und Diesel teurer, das elektrische Fahren gefördert und die Anschaffung passender Ladestationen unterstützt. Wer auf zwei Rädern in die Arbeit will, kann sich (elektrische) Fahrräder fördern lassen. Der verkaufende Fachhandel muss den Preis zusätzlich um 150 Euro reduzieren. Auch für Lasten- und Falträder gibt es Zuschüsse.
Fördersumme: Bis zu 50 Prozent der Kosten, maximal: Bei E-Autos 3000 Euro, Ladestationen 1800 Euro, E-Fahrrädern 250 Euro, (E-)Falträdern 450 Euro, (E-)Transporträdern 850 Euro
Antrag: umweltfoerderung.at/privatpersonen
E-Autos scheinen beliebter zu sein: Im ersten Halbjahr 2023 fuhr bereits mehr als jedes sechste neu zugelassene Auto mit elektrischem Motor. Das liege aber auch am Entfall der NoVA, der motorbezogenen Versicherungssteuer und dem Umstieg der Produzenten, meint AK-Experte Streissler. Überhaupt würden die gewünschten Förder-Effekte zu oft nicht überprüft werden, findet der AK-Experte: „Tiefergreifende Analysen muss man immer wieder einfordern. In einem Land, das Förderungen als primäres Instrument der Klima- und Energiepolitik setzt, ist das schwierig.“
Doch trotz Milliarden-Förderungen und ersten Schritten in die richtige Richtung wird Österreich ohne zusätzliche Maßnahmen das selbstgesteckte Reduktionsziel bis 2030 um 8 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß deutlich verfehlen. Der 272-Seiten starke Nationale Energie- und Klimaplan muss daher entsprechend angepasst werden. Noch bis 30. August können Vorschläge zur Treibhausgasreduktion beigesteuert werden. Im Juni 2024 muss der fertige Plan dann bei der EU-Kommission abgesegnet werden. Dann steht fest, wohin künftig die Milliarden im Kampf gegen die Klimaziele fließen.