Die ÖVP will diesen Trend umkehren. Rund 500.000 zusätzliche Haushalte sollen künftig das eigene Zuhause besitzen. Dafür sollen Steuern und Gebühren auf das erste Eigenheim wegfallen, Wohnbaukredite gefördert und Kaufmieten ermöglicht werden. Doch gerade in den Städten mangelt es an leistbarem Wohnraum. 70 Quadratmeter Wohnfläche in Wien kosteten 2022 im Schnitt fast 430.000 Euro. 2015 hätte dieselbe Wohnung noch 255.000 Euro gekostet, das ist eine Steigerung um 68 Prozent. Das durchschnittliche Nettogehalt stieg im selben Zeitraum indes nur um 20 Prozent. Eine derart große Kluft kann der Staat nicht durch geförderte Kredite und Steuererleichterungen wettmachen.
Kein Platz zwischen den Bergen
Besonders dramatisch ist die Situation im Westen Österreichs: Wer in der Stadt Salzburg bauen will, zahlt für den Quadratmeter Bauland fast ein Viertel mehr als in Wien. Das wirkt sich auch auf die Wohnungspreise aus. Zwischen den Bergen sei Bauland ohnehin knapp, zusätzlich sei in Salzburg zu wenig gewidmet worden, sagt Michael Klien, Wohnbauexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo. Die Alternative? „Man müsste sich trauen, höher zu bauen“, so IIBW-Experte Amann. Doch gerade in Salzburg sei die Sorge groß, dass hohe Häuser die Ästhetik stören könnten. Die Folge: In keiner Landeshauptstadt stieg die Bevölkerung in den letzten zwei Jahrzehnten so langsam an wie in Salzburg.
Wien wächst schneller. So schnell, dass neue Viertel wie die Seestadt Aspern aus dem Boden und innerstädtische Wohntürme nicht reichen werden, um den Bedarf zu stillen, glaubt Wohnbauexperte Amann: „Wien bräuchte 15.000 bis 18.000 neue Wohnungen pro Jahr.“ Doch hohe Zinsen sowie teure Grund- und Baukosten sorgen für einen Baustopp privater Bauträger. Heuer werden nur 13.200 Wohneinheiten fertiggestellt, heißt es im Wiener Wohnungsbericht der Baufirmen Buwog und EHL. Das ist fast um die Hälfte weniger als 2023 und der niedrigste Wert seit sieben Jahren. In den nächsten Jahren wird ein weiterer Rückgang erwartet. „Es rechnet sich derzeit einfach nicht“, erklärte Daniel Riedl, Vorstandsmitglied der deutschen Buwog-Mutter Vonovia, den Einbruch. Ab 2025 dürfte es daher am Wiener Wohnungsmarkt eng werden.
„Jetzt wäre die Stunde der Gemeinnützigen Bauträger gekommen“, findet Wifo-Experte Klien. Die am Gemeinwohl statt an Gewinn interessierten Bauvereinigungen könnten dort einspringen, wo die Privaten auslassen – wenn sie das Budget dafür bekommen. Das würde die Bauwirtschaft stabilisieren und künftige Wohnungen leistbarer machen. SPÖ-Chef Babler fordert, die Hälfte des neuen Baulandes für sozialen Wohnbau zu reservieren. Damit nehme sich Babler ein Beispiel am roten Wien, sagt Amann: In der Bundeshauptstadt müssen schon heute zwei Drittel von neuem Bauland geförderter Wohnbau sein. Um die Wirkung dieses Modells zu beurteilen, sei es aber noch zu früh.
Die Preise herabbauen
Ohnehin gehe es nicht darum, Eigentum gegen sozialen Wohnbau auszuspielen, sind sich die Experten einig: „Die Kombination aus sozialem Wohnbau und Wohnbauförderung sorgt für leistbares Wohnen und hohe Quantitäten – um dieses Modell beneidet uns fast die ganze Welt“, sagt Amann. Daher sollte auch in die Wohnbauförderung der Länder investiert werden, findet Klien, „eine finanzielle Unterstützung des Bundes wäre wohnungspolitisch und wirtschaftspolitisch sinnvoll“.
Die türkis-grüne Regierung verhandelt derzeit über ein Wohnbaupaket auf Bundesebene. Konkret sollen Mittel in Richtung gemeinnützigem Wohnbau „losgeeist“ werden und die mehr Gebäude saniert werden, erklärte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in der „Presse“. Die bereits beschlossene Mietpreisbremse soll zu hohe Miet-Steigerungen zudem künftig verhindern, Unterstützungen beim Heizungstausch die Abhängigkeit von Öl und Gas senken.
Kurzfristig versuchen die Bundesländer mit erhöhten Wohnbeihilfen, die Teuerung abzufedern. Derartige staatliche Unterstützungen dürften sich allerdings tatsächlich an Bedürftige nur richten – und müssten zeitlich begrenzt sein, sagt Wohnbauexperte Klien. Ansonsten könnten sie sich zu einer indirekten Förderung für Vermieter entwickeln, und: „Eine nachhaltige Lösung gibt es nur durch einen entspannten Wohnungsmarkt.“
Klar ist: Wohnungspolitik wirkt langfristig – und bringt kurzfristig kaum politischen Erfolg. So sind etwa die Wohnungspreise in Graz seit 2015 am geringsten gestiegen. Europaweit können sich die Grazerinnen und Grazer zudem die größten Mietwohnungen leisten, berechnete die Immobilienberatung Catella.
An den Wahlurnen blieb der Dank aus: Die „verfehlte Wohnpolitik“ war sogar ein Grund für die Abwahl von Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP). Kurzzeit-Wohnbaustadträtin Elke Kahr wurde die erste kommunistische Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt. Anders als ihr Parteikollege Dankl muss sie die Wohnpolitik nicht mehr „wachküssen“.