Spurensuche

Was wurde eigentlich aus Philippa Beck, vormals Strache?

Philippa Beck, vormals Strache, sitzt seit fünf Jahren ohne Klub im Parlament. Was macht sie daraus?

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Sitz Nummer 6/1 ist das Einzige, was Philippa Beck noch von ihrem völligen Rückzug aus der Öffentlichkeit trennt.

In den vergangenen fünf Jahren verschwand ihr Facebook-Profil, die Freiheitlichen schlossen sie aus der Partei aus. Nach der Scheidung von ihrem Ehemann legte sie ihren prominenten Namen, Strache, wieder ab. Selbst Anfragen per E-Mail oder Nachricht beantwortet sie nicht.

Es wäre, zumindest in dieser Hinsicht, also nur konsequent gewesen, auch Sitz Nummer 6/1 aufzugeben. Aber Philippa Beck hat ihn behalten.

Es ist ein unscheinbarer Platz, aber einer mit Verantwortung: im Plenarsaal des Parlaments, letzte Reihe, linke Ecke, mit etwas Abstand zu den anderen Pulten. Selbst wenn man Philippa Becks Vorgeschichte nicht kennen würde, wüsste man, dass sie nicht so ganz dazugehört. Aber dennoch: Es ist ein Sitz unter 183 Abgeordneten zum Nationalrat, und darum geht es ihr immerhin. Oder?

Bei ihrer ersten Rede im Parlament im Jänner 2020 erklärte Philippa Beck ihr Ziel noch öffentlich. „Ich möchte mich als freie Abgeordnete dafür einsetzen, dass die Menschen sehen, dass wir ihre Anliegen ernst nehmen.“ Sie witzelte über Ibiza („Ich war nicht dabei, dafür gibt es schließlich auch Videobeweise“) und bedankte sich bei allen, die unvoreingenommen auf sie zugegangen waren. Es war eine versöhnliche Geste nach den Vorwürfen gegen ihren damaligen Ehemann. Aber auch eine Rechtfertigung, weil sie das Mandat angenommen hatte, obwohl die FPÖ es ihr nicht mehr zugestehen wollte.

Hat Philippa Beck ihr Ziel fünf Jahre später erreicht? Hat sie den Menschen die Politik, das Parlament nähergebracht? Als Ein-Frau-Fraktion?

Als profil ins Parlament kommt, um sie danach zu fragen, ist Sitz Nummer 6/1 leer. Im Parlament gibt es keine Anwesenheitslisten, keine Statistik darüber, wie oft und wie lange jemand hier ist. Philippa Beck sei aber nicht seltener oder öfter da als der durchschnittliche Abgeordnete, erzählen Kollegen. Gesichert ist, dass sie sich nur an drei Plenartagen seit Beginn der Legislaturperiode entschuldigen ließ.

Die Arbeit von freien Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit lässt sich allgemein schwer messen. Sie haben kein Stimmrecht in Ausschüssen, können allein nicht schriftliche Anträge stellen oder Dringliche Anfragen einbringen. Dafür bekommen sie Personal, in Philippa Becks Fall eine Mitarbeiterin, und ein Büro, ihres ist in der Bartensteingasse. Das Instrument, das freie Abgeordnete aber vor allem bleibt, ist: reden, und zwar länger als andere Mandatare, die ihre Zeit im Klub aufteilen müssen.

Freiheitliche Familie

Das (damalige) Ehepaar Strache beim Wahlkampfauftakt 2017, zwei Jahre vor dem Bruch mit der FPÖ 

Die letzte Rede, die Philippa Beck bisher gehalten hat, war am 6. Juli 2023, als Sitz Nummer 6/1 im Plenarsaal gar nicht aufgebaut war, weil das Parlament noch in seinem Ausweichquartier in der Hofburg tagte. Philippa Beck sprach über Mängel an Schulen und den dringenden Investitionsbedarf, „weil es um jedes Kind geht. Egal aus welcher Familie es kommt, egal welchen finanziellen Hintergrund es hat.“

31 Reden im Parlament

Wenn sich Philippa Beck zu Wort meldet, bisher 31 Mal, dann meistens zu sozialen Themen. Schwer zu glauben, dass hier jemand spricht, der für die FPÖ kandidiert hat. Philippa Beck gendert immer wieder, spricht über Gewalt an Frauen, ohne diese mit Migrationshintergrund zu verbinden, und sagt Sätze wie: „Gewalt kennt keinegesellschaftlichen Schichten.“ Oder: „Die meistverbreiteten Tatmotive sind patriarchales Besitzdenken, Eifersucht, Kontrolle, Macht.“ Sie stellte die Frage, ob Sanktionen gegen Putin eine Wirkung zeigen, und antwortete: „Ja, es gibt eine Chance, diesen Krieg wirtschaftlich zu schlagen.“ Sie hielt eine Rede gegen die Impfpflicht, stimmte aber dafür und warnte vor der politischen Polarisierung, denn „sowohl Identitätspolitik als auch ideologische Feindschaften nehmen zu“. Einen Ordnungsruf erhielt sie nie, auch nicht, als sie nach dem Attentat in Wien einen viralen Spruch samt Kraftausdruck wiederholte und zu Zusammenhalt aufrief. Das Protokoll hielt die Szene so fest: „Man darf es so sagen, wie es ist (Abg. Rendi-Wagner – die Daumen-rauf-Geste mit beiden Händen ausführend –: Sag es!), und mein Wienerisch reicht leider nicht dafür aus, deswegen sage ich es so, wie ich es sagen würde: Schleich dich, du Arschloch! (Ruf bei der SPÖ: Woohoo! – Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)“

Man weiß wenig über Philippa Beck als Abgeordnete von Sitz 6/1, aber viel über ihr Leben bis dahin, und das will nicht so ganz zusammenpassen. Sie arbeitete zu Beginn im Backoffice des SPÖ-Klubs (nicht, wie oft behauptet, als parlamentarische Mitarbeiterin von Josef Cap), war Moderatorin für „Österreich“, Pressesprecherin für das Team Stronach und stellte sich 2016 am Jägerball als neue Freundin von Heinz-Christian Strache vor. Als er gegen Ausländer hetzte und Populismus predigte, war sie an seiner Seite.

Für die FPÖ arbeitete sie als Tierschutz-beauftragte und Social-Media-Mitarbeiterin. Ihr damaliges Gehalt, 9500 Euro, lag vergleichsweise knapp unter den 10.350 Euro, die sie heute als Abgeordnete verdient. Kurz vor der Wahl 2019 sorgten aber andere Spesen für Aufruhr. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien wurden bekannt. Heinz-Christian Strache soll private Kosten der Wiener Partei verrechnet haben. Auch Philippa Beck ist Beschuldigte und wird mehrmals einvernommen. Schon damals wies ihre Anwältin die Vorwürfe zurück, ihre Mandantin habe „weder die Anschaffung von Kleidungsstücken noch von Mode-Accessoires aus Geldmitteln der FPÖ finanzieren lassen“.

Hochbezahlte FPÖ-Mitarbeiterin

Philippa Becks Kandidatur war damals bereits beschlossen. Heinz-Christian Strache verzichtete auf das EU-Mandat, das ihm wegen 45.000 Vorzugsstimmen zugestanden wäre, dafür erhielt sie den dritten Platz auf der Wiener Liste. Kurz danach zerstritt sich das Ehepaar Strache endgültig mit der freiheitlichen Familie. Daher sitzt Beck als fraktionslose Abgeordnete im Parlament.

Sitz Nummer 6/1 ist eher ungemütlich, weil er direkt vor den Türen ist, die in den Plenarsaal führen. Wenn es Platz gibt, rückt Philippa Beck deswegen gerne ein paar Meter weiter nach links, in die SPÖ-Reihen. Dort, ganz hinten, sitzen die Abgeordneten, die zuletzt in den Nationalrat gekommen sind. Das verbindet. Man steckt einander Süßigkeiten in die Schublade, plaudert in den Pausen und fragt nach einem guten Arzt. Philippa Beck bemerke auch, erzählt man, wenn es jemandem privat nicht gut gehe, und versuche zu helfen. Sie sei „unaufgeregt und immer hilfsbereit“, sagt SPÖ-Forschungssprecherin Petra Oberrauner, „sehr gut vorbereitet und reflektiert“. Wenn sie eine Rede von Philippa Beck verpasse, frage sie schon einmal nach, ob sie sie lesen dürfe. Und auch in den Ausschüssen sei Beck immer wieder anzutreffen. Was ihre Anliegen dort sind, ist von außen schwer nachzuzeichnen. Wortmeldungen sind nicht dokumentiert, ein Rederecht für freie Mandatare gibt es nur, wenn es der Ausschuss beschließt.

Auch Alois Schroll, Energiesprecher der SPÖ, ist von ihrem Engagement beeindruckt. „Obwohl sie ja keinen Klub im Hintergrund hat, hat sie immer Mappen mit Unterlagen zu jedem Tagesordnungspunkt. Sie war immer bestens vorbereitet.“

Je weiter entfernt von Sitz 6/1 man fragt, desto weniger wissen die Abgeordneten von Philippa Beck und ihrer politischen Arbeit zu erzählen.

Was sie nach der Wahl machen werde, wurde Philippa Beck unlängst in ihrem Umfeld in den hinteren Bänken gefragt. Das wisse sie noch nicht, antwortete sie.

Sitz 6/1 ist nach der Nationalratswahl wieder zu haben.

Korr.: In einer ursprünglichen Version des Artikels wurde das Abgeordnetengehalt fälschlicherweise mit 10.830 Euro beziffert, aber es sind (nach einer Bezügeanpassung) 10.350 Euro. Der Fehler wurde korrigiert. 

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.