„Es ist hoch an der Zeit, dass sexuelle Belästigung, nicht nur am Arbeitsplatz, sanktioniert wird“, findet Frauenministerin Gabriele Heinisch-
Hosek

Weibchenschema: Die Entmündigung der Frauen durch die Politik

Weibchenschema: Die Entmündigung der Frauen durch die Politik

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Am Marketing könnte man vielleicht noch feilen. Der Slogan „Wir schau’n drauf, dass Frauen technische Berufe ergreifen“ hat nicht direkt das Zeug zum Ohrwurm. Eine Werbeagentur wurde dafür hoffentlich nicht bezahlt. Aber zweifellos ist die aktuelle Kampagne der SPÖ-Frauen gut gemeint: Weil sich die Berufswahl junger Frauen nach wie vor auf ein paar wenige Branchen konzentriert (in denen wegen des weiblichen Personals, so weit die Verdachtslage, schlecht bezahlt wird), möchte die Politik gegensteuern. Auf der SPÖ-Website berichten Feinmechanikerinnen, Tunnelbauerinnen und Architektinnen über ihre Karrieren. Fast alle erklären sinngemäß, dass Gesellschaft und Erziehung hauptsächlich schuld am Frauenmangel in der Technik seien. Würde man den Mädchen nicht schon in der Krabbelstube Puppen in die Hand drücken, lautet der Tenor, gäbe es viel mehr Frauen, die einen Gabelstapler oder eine Präzisionsfräse bedienen wollen.

Kann sein. Oder auch nicht. Wissenschafter sind da uneins. Aber ein bisschen Werbung für berufliche Alternativen zum Friseursalon wird wohl nicht schaden – zumal Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ausnahmsweise darauf verzichtete, ihre Initiative mit der Forderung nach gesetzlichen Maßnahmen zu flankieren. Erwerb und Verschleiß von pinkfarbenen Barbiehäusern dürften bis auf Weiteres sanktionslos bleiben. Eine gute Nachricht. Es hätte schlimmer kommen können.

"Falsches Schönheitsideal aus der Modeindustrie"

Heinisch-Hosek ist als Bildungsministerin nicht rasend erfolgreich. Beim Thema Frauen, ihrem zweiten Standbein, macht sie dafür umso mehr Wirbel. Kaum ein Monat vergeht ohne neue Ideen aus ihrem Ressort – auch wenn einige dieser Ideen geklaut sind, wie etwa Heinisch-Hoseks jüngster Vorstoß, Magermodels in der Werbung zu verbieten. In Frankreich gibt es bereits eine entsprechende Regelung. Also warum nicht auch in Österreich? „Ein falsches Schönheitsideal aus der Modeindustrie kann krank machen“, findet die Ministerin und plädiert für eine Bestrafung von Modelagenturen, die besonders dünnes Personal beschäftigen. Nebenbei fand Heinisch-Hosek in den vergangenen Wochen noch Gelegenheit, wieder einmal die frühere Angleichung des Pensionsalters zu verhindern (dies wäre „verantwortungslos“, weil Frauen den Großteil der unbezahlten Familienarbeit leisten) und ihre Vorstellung von einer moralisch einwandfreien Gehaltsverhandlung zu skizzieren: Arbeitgeber sollten Bewerberinnen nicht weniger zahlen, nur weil diese „bescheidener“ seien und weniger verlangten, erklärte die Ministerin in der ORF-„Pressestunde“. „Das ist nicht in Ordnung, das ist Diskriminierung.“

Sie will nur unser Bestes

Als Frau kann man sich leicht verpflichtet fühlen, Heinisch-Hoseks Bemühungen zu würdigen. Sie tut es ja für uns. Sie will nur unser Bestes. Doch das Würdigen fällt immer schwerer. Was heutzutage als Frauenpolitik durchgeht, ist, bei Licht betrachtet, eine intellektuelle Beleidigung der Zielgruppe. Das typische Frauenleben scheint aus Sicht der eigenen Interessensvertretung nur aus Bedrohungen, Benachteiligungen und stupender Hilflosigkeit zu bestehen. Die Opferrolle ist sinnstiftend geworden, fortwährendes Scheitern oberste Pflicht. Nichts darf sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert haben, nichts darf besser geworden sein. Eine Hälfte der Bevölkerung definiert sich von Amts wegen fast ausschließlich über Betroffenheitsfolklore. Es ist kein Trost, dass es woanders genauso läuft: Der Feminismus sei „eine Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden, nur noch Symptom einer Empörungskultur“, schrieb eine Kolumnistin der deutschen Tageszeitung „Die Welt“ Anfang April. Ja, das stimmt leider.

Verschärfung des Sexualstrafrechts

Zum internationalen Vorreiter wird Österreich, wenn ein Gesetzesentwurf in Kraft tritt, den das Justizministerium vor ein paar Wochen zur Begutachtung verschickt hat. Er beinhaltet neben einer umfassenden Reform des Strafgesetzbuches auch eine Verschärfung des Sexualstrafrechts. Paragraph 218 (sexuelle Belästigung) bezog sich bisher nur auf eindeutig geschlechtliche Handlungen. Künftig soll er auch für „eine der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung“ gelten, heißt es im Entwurf. Ein Griff an den Hintern, vulgo Po-Grapschen, könnte im Extremfall mit sechs Monaten Zuchthaus geahndet werden. Außerdem wird der Tatbestand der Vergewaltigung weiter gefasst. Körperliche Gewalt muss nicht mehr im Spiel sein. In Zukunft wird es reichen, wenn der Geschlechtsverkehr ohne Konsens stattfand. Ein schlichtes Nein genügt. Ähnlich rigide sind die Bestimmungen nur in Schweden und England.

Zuständig für die Gesetzesnovelle ist zwar der Justizminister, die neuerliche Reform des erst vor zwei Jahren reformierten Sexualstraftrechts geht aber hauptsächlich auf die Frauenministerin zurück. „Sie wollte das jetzt einmal so haben, damit es zur Freigabe des Entwurfs kommen konnte“, erklärte Wolfgang Brandstetter vor Kurzem in der Tageszeitung „Die Presse“. Mit anderen Worten: Ohne seine Zustimmung in diesem Punkt hätte er den Rest des Reformprojekts bis auf Weiteres vergessen können.

Aber Hauptsache, die Frauenministerin freut sich

Strafrechtsexperten warnen seit Monaten vor den geplanten Änderungen. Vor allem der Grapsch-Paragraf passt nach Meinung vieler Experten nicht in ein zeitgemäßes Justizsystem. „Aufgabe des Strafrechts ist es, gravierend sozial störende Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen, die das Zusammenleben so schwer beeinträchtigen, dass andere rechtliche Konsequenzen unzulänglich erscheinen“, schrieb der Innsbrucker Universitätsprofessor Klaus Schwaighofer in einem Kommentar. „Die angeführten Handlungen erfüllen diese Voraussetzung nicht.“ Von der Beweisbarkeit vor Gericht einmal ganz abgesehen.

Aber Hauptsache, die Frauenministerin freut sich. „Es ist hoch an der Zeit, dass sexuelle Belästigung, nicht nur am Arbeitsplatz, sanktioniert wird“, erklärte sie. Weiß sie wirklich nicht, dass der Terminus Belästigung für jeden etwas anderes bedeutet? Können erwachsene Menschen allfällige Missverständnisse nicht ohne Staatsanwalt klären? Das Argument, es gehe um die Schwachen, Wehrlosen, die sich nicht alleine helfen können, führt ins Leere. Wer es nicht schafft, Zudringlichkeiten abzustellen, hat erst recht nicht den Mumm für ein Gerichtsverfahren.

Letztlich befördern solche Initiativen eine vorgestrige Prüderie, die den Körper zum heiligen Gral erklärt. Die infrage kommenden Täter sind, das ist praktisch, fast ausschließlich Männer. Den Frauen bleibt die Rolle als armes Hascherl. Darin sind wir bekanntlich gut.

Was der Gesetzgeber für die Gleichberechtigung der Geschlechter tun konnte, ist längst geschehen

Das größte Problem der Frauenpolitik ist ihr eigener Erfolg. Was der Gesetzgeber für die Gleichberechtigung der Geschlechter tun konnte, ist längst geschehen. Der Vorrat an sinnvollen Maßnahmen hat sich erschöpft. Heinisch-Hoseks Vorgängerinnen und der Zeitgeist leisteten ganze Arbeit. Es gibt kein einziges Gesetz mehr, das Frauen direkt diskriminiert. Es gibt im Gegenteil einige Gesetze, die Frauen bevorzugen. Die Frauenministerin hat also ein Legitimationsproblem. Eigentlich braucht man sie nicht mehr, das Ressort könnte ersatzlos gestrichen werden. Den fehlenden Rest auf das Halbe-halbe-Ideal müssen sich die Bürger untereinander ausmachen. Eine perfekte Gesellschaft lässt sich nicht von Amts wegen dekretieren.

Doch genau dieser Wandel von Rollenbildern wird erschwert durch eine Politik, die einen großen Teil der Bevölkerung betüttelt, als handle es sich um unmündige Kinder. Zur (berechtigten) Forderung nach mehr Frauen in den Chefetagen passt das ganz schlecht. Und mitunter schafft die Politik erst jene Probleme, die sie anschließend wortreich beklagt. Vor Kurzem kritisierte Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice, in einem profil-Interview, dass junge Eltern nach der Karenz zu häufig in der Arbeitslosigkeit landen. Der Grund: Sie müssen nur 16 Stunden pro Woche verfügbar sein – und solche Jobs gebe es kaum. „Also erfinden wir 16-Stunden-Arbeitsmarktkurse und bezahlen den Müttern Arbeitslosengeld. Das ist doch absurd“, sagte Kopf. Aber wenigstens können Frauenbeauftragte bei jeder Gelegenheit über das hohe Armutsrisiko ihrer Klientel jammern. Schuld sind zur Not halt die Männer.

Zum Glück braut sich gerade ein größerer Knatsch zwischen der Regierung und den Lehrern zusammen. Heinisch-Hosek wird in nächster Zeit wohl hauptsächlich mit ihren Agenden als Unterrichtsministerin beschäftigt sein. Das ist gut. Besonders für die Frauen.

Rosemarie Schwaiger