Welche Medien von öffentlicher Werbung besonders profitieren
Dank neuer Regeln sind Inserate der öffentlichen Hand transparenter. Wie viel profil erhielt, wer den Boulevard fütterte und warum sich die gemeldete Werbung im Falter verdoppelte.
Inserate der öffentlichen Hand sollten unparteiisch informieren – meist tun sie dies auch: Wenn es etwa neue Förderungen gibt, eine wichtige Verkehrsader renoviert wird oder vor Entwicklungen wie Krankheiten oder Klimakrise gewarnt werden soll, ist es sinnvoll, dass die Bevölkerung davon erfährt. Das deutlichste Beispiel: Als 2020 die Corona-Pandemie ausbracht, stiegen die Inseraten-Ausgaben der Bundesregierung deutlich an.
Von Daniela Breščaković,
Julian Kern und
Max Miller
Doch mit Werbegeld wird auch Politik gemacht. Im Finanzministerium soll sogar Steuergeld missbraucht worden sein, um mit Inseraten in den Mediengruppen „Österreich“, „Kronen Zeitung“ und „Heute“ den politischen Aufstieg von Ex-Kanzler Sebastian Kurz zu beflügeln, vermutet die WKStA. Eine neue Studie der Universität Wien zeigt, dass nach der mutmaßlichen Bestechung in der Mediengruppe „Österreich“ erheblich öfter über Kurz und deutlich schlechter über seine politische Konkurrenz berichtet wurde.
Die WKStA ermittelt zudem, ob auch die FPÖ 2019 die Gunst der Mediengruppe „Österreich“ mit öffentlichen Inseraten erkauft hatte. Bis auf Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid bestreiten die Beschuldigten von Kurz bis FPÖ-Chef Herbert Kickl die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Um derartige Inseraten-Affären künftig zu erschweren, beschloss die türkis-grüne Bundesregierung transparentere Melderichtlinien für staatliche Werbung. Seit Anfang des Jahres sind sie in Kraft. Und siehe da: Die Inseraten-Ausgaben der öffentlichen Hand schossen einmal mehr in die Höhe – ganz ohne Pandemie. Im 1. Halbjahr 2024 wurden bereits mehr staatliche Werbung (196,5 Millionen Euro) gemeldet als im gesamten Vorjahr (193,1 Millionen).
Die Erklärung dafür? Mittlerweile müssen auch Ausgaben an Medien, die seltener als vier Mal pro Jahr erscheinen, gemeldet werden. Zudem wurden erstmals im großen Ausmaß Aufträge an „Out of Home“-Werbeträger wie die Plakatflächen-Firma „Gewista“ oder die vor allem in Öffis angebrachten Bildschirme von „Infoscreen“ gemeldet. Und die „Bagatellgrenze“ von 5.000 Euro Werbung pro Medium und Quartal wurde aufgehoben.
Der Blick hinter die Zahlen zeigt: ORF, „Google“ und „Krone“ kriegen am meisten. Die Stadt Wien ist unangefochtene Werbe-Königin. Und bisher wurden viele Inseraten-Ausgaben der öffentlichen Hand nicht öffentlich.
Wer wo wirbt
Neben der Bundesregierung (18,68 Millionen Euro) warben im 1. Halbjahr 2024 vor allem die Stadt Wien (11,03 Millionen) sowie Arbeiterkammer (8,44 Millionen) und Wirtschaftskammer (8,35 Millionen) stark. Das öffentliche Geld fließt zu größten Teilen in den ORF (13,29 Millionen). An zweiter Stelle folgt bereits der amerikanische Tech-Riese „Google“ (7,78 Millionen), dann die „Kronen Zeitung“ und ihre Mediengruppe (6,85 Millionen) und der „Facebook“-Mutterkonzern „Meta“ (6,06 Millionen).
Die Transparenz bis in das kleinste Detail sorgt für Tücken in der Übersicht. So zeigt die RTR zwar einzelne Werbe-Sujets an, ordnet aber Landesenergieversorger nicht den Bundesländern zu und berechnet jedes Teil-Unternehmen des ORF einzeln. Addiert man zum Beispiel die Werbeausgaben der Tochterunternehmen der Stadt Wien von Wien Energie über Wiener Linien bis zur Bestattung Wien zu jenen der Stadt, erhält man statt rund 11 Millionen Euro mehr als 22 Millionen Werbeausgaben der Bundeshauptstadt im 1. Halbjahr 2024 - mehr als die Stadt pro Jahr ausgeben will.
Um besser nachvollziehen zu können, woher einzelne Medien ihre öffentlichen Inserate erhalten, hat profil diese daher nach Untergruppen kategorisiert.
Sechs Cent Werbung
Insgesamt zeigt sich im 1. Halbjahr 2024 bei allen von profil genauer beleuchteten Medien im Vergleich zum 1. Halbjahr 2023 ein signifikanter Anstieg der gemeldeten Inserate aus öffentlichen Quellen – alles andere wäre bei den strengeren Transparenz-Kriterien auch eine Überraschung. Im Medienimperium der „Kronen Zeitung“ warb die öffentliche Hand laut RTR im ersten Halbjahr etwa um 6,85 Millionen Euro. Die RTR weist dabei 694 einzelne Aufträge aus. Im Schnitt vergaben folglich jeden Tag fast vier öffentliche Institutionen einen Werbeauftrag zu je rund 13.000 Euro an die „Kronen Zeitung“ – oder eines ihrer Medien. Die staatlichen Werber inserierten etwa im Radio auf „Kronehit“, online auf „krone.at“ oder (am seltensten) auf „Krone TV“.
Die einzelnen Aufträge reichen von einer sechs-Cent-Einschaltung für das AMA-Gütesiegel auf „kronehit.tv“ bis zu einer 543.523 Euro schweren Zahlung der Stadt Wien an den „Krone“-Verlag. Insgesamt zahlte die Bundeshauptstadt inklusive ihrer direkten Tochterunternehmen mehr als 1,5 Millionen Euro an das „Krone“-Imperium – und stellte damit die lukrativste Inserenten-Gruppe. Zum Vergleich: Die anderen acht Bundesländer inklusive ihrer Beteiligungen warben in der „Krone“ zusammen um rund 1,9 Millionen. Aus der Bundesregierung floss das meiste Geld aus dem Verteidigungsministerium zur „Krone“ (rund 270.000 Euro), dicht gefolgt vom Klimaschutzministerium (rund 250.000 Euro).
Bei „Heute“, „Österreich“ und „Standard“ ist die Stadt Wien mit ihren Beteiligungen noch deutlicher der stärkste Werber. In jedem dieser Medien warb die Stadt um rund eine Million Euro.
Während in den Boulevardmedien „Heute“ und „Österreich“ zudem Arbeiterkammer und Verteidigungsministerium überproportional stark schalteten, dominierten bei der Qualitätszeitung „Standard“ Gelder aus den Bereichen der Wissenschaft und der Kultur.
Auch im profil stiegen die gemeldeten Inseraten-Schaltungen der öffentlichen Hand von rund 250.000 Euro im 1. Halbjahr 2023 auf rund 310.000 Euro im 1. Halbjahr 2024. Der größte öffentliche Inserent ist auch im profil die Stadt Wien mit ihren Töchtern. Danach folgen Verbund, sonstige Stellen wie Asfinag oder AMS und Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen.
Einen besonderen Sprung in den veröffentlichten Inseraten-Einnahmen legte der „Falter“ hin: Im 1. Halbjahr 2024 wurden fast doppelt so viele Werbeeinschaltungen der öffentlichen Hand in der Wiener Stadtzeitung gemeldet (rund 798.000 Euro) als noch im 1. Halbjahr 2023 (rund 392.000 Euro).
Das Beispiel zeigt eine extreme Wirkung der neuen Transparenzregelungen: Rund die Hälfte der öffentlichen Inserenten im Falter warben im 1. Halbjahr um weniger als 5000 Euro. Insgesamt kamen so heuer zumindest rund 177.000 Euro an Werbeeinnahmen zusammen, die 2023 jedenfalls unter die Bagatellgrenze gefallen und daher nicht von der RTR veröffentlicht worden wären. Zudem sei etwa die Wissenschaftsbeilage „HEUREKA“, die das Wissenschaftsministerium heuer laut RTR im 1. Halbjahr mit 37.000 Euro mitfinanziert hat, 2023 erst im zweiten Halbjahr abgerechnet worden, heißt es vom „Falter“ – auch das sorgt für eine Verschiebung.
Nicht hinter jedem Inserat steckt ein Skandal. Aber Transparenz kann Korruption verhindern – wenn man genau hinschaut.
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.