Wels dürfte einen FPÖ-Bürgermeister bekommen
Der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner hat seine zwei Hauptziele für die Landtags- und Gemeinderatswahlen am 27. September so formuliert: "Nummer zwei im Landtag und den Bürgermeister in Wels.“ Daher erfolgt der blaue Wahlkampfauftakt am 29. August in der Messestadt gemeinsam mit Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache. Tatsächlich wäre ein FPÖ-Bürgermeister in der mit 61.300 Einwohnern achtgrößten Stadt Österreichs eine politische Sensation: Die Messe- und Wirtschaftsstadt liegt seit Jahrzehnten in der Hand der SPÖ. Und seit Alexander Götz mit Unterstützung der ÖVP bis 1983 Bürgermeister von Graz war, wurde nur Klagenfurt von der FPÖ (Christian Scheider) regiert. "Es wäre ein Signal weit über Wels hinaus. Wir könnten beweisen, dass wir erfolgreich regieren können“, sagt Andreas Rabl, blauer FPÖ-Vize-Bürgermeister. Nach Umfragen liegt der 42-jährige Anwalt zumindest gleichauf mit seinem SPÖ-Rivalen Hermann Wimmer (62), der auch dem in Pension gehenden langjährigen SPÖ-Bürgermeister Peter Koits nachfolgen möchte. (Anmerkung: Bei der Wahl lag FPÖ-Kandidat Rabl deutlich vor Wimmer. Es gibt nun eine Stichwahl.)
"Strache und Haimbuchner sehen in Wels das wichtigste Aufmarschgebiet für einen Rechtsruck in Österreich“, erklärt ÖVP-Vizebürgermeister Peter Lehner. Dafür seien Versäumnisse in der Stadtpolitik verantwortlich. "Wels ist vom Kurs abgekommen. Die Welserinnen und Welser haben den Stolz auf ihre Stadt verloren.“ Dabei sei Wels aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke und zentralen Lage durchaus in der Lage, "attraktivste Bezirksstadt Österreichs zu werden“.
Gemeindewohnung nur mit Deutschkenntnissen
Rabl verweist auf eine neue Studie (Brandmeyer Stadtmarken-Monitor), wonach Wels unter den 23 größten Städten Österreichs in vielen Kategorien - Sympathiewerte, Lebensqualität, Sauberkeit und Sicherheit, Attraktivität für Familien - jeweils an letzter Stelle liegt. Der hohe Ausländeranteil unter den Welser Bewohnern (24 Prozent) sei für viele Probleme verantwortlich. "Viel Unmut“ hätten etwa Volksschulklassen mit über 90 Prozent Migrationsanteil ausgelöst. In manchen Parks würden türkische oder tschetschenische Jugendbanden einheimische Teenager verjagen. "So etwas muss gestoppt werden“, so Rabl, der selbst mit einer Russin verheiratet ist und versichert, "mit Rechtsradikalismus nichts am Hut zu haben“. Sein Großvater saß einst wegen kritischer Artikel in Gestapo-Haft. Als zuständiger Politiker hat Rabl angeordnet, dass Gemeindewohnungen nur mehr an Familien mit entsprechenden Deutschkenntnissen vergeben werden. Die FPÖ habe jetzt ein "Sprachenkompetenzzentrum“ durchgesetzt.
Im Noitzmühle-Viertel, wo viele Zuwanderer wohnen, erklären aus der Türkei stammende Arbeiter, dass sie mit den Einheimischen keine Probleme hätten. "Hier sind wir alle Freunde. Aber die Stadt könnte mehr für uns tun“, meint Yussuf, der nach einer Krebserkrankung mit 55 in Frührente gehen musste. Er beklagt, dass ein beliebter Grillplatz ersatzlos geschlossen wurde. Einmal habe er die FPÖ gewählt, "wegen dem höheren Kindergeld“. Sein Freund Yilmaz, der auch seit 29 Jahren hier wohnt, erzählt von seinen Söhnen. Sie hätten zwar einen Job gehabt, seien dann aber auf "dumme Gedanken gekommen“. Beide sitzen derzeit wegen Drogenhandels im Gefängnis.
Wels hat ein sichtbares Drogenproblem. In der Innenstadt rund um den Kaiser-Josefs-Platz wird offen gedealt. 600 Personen gelten offiziell als Süchtige, viele davon erhalten Ersatzmedikamente.
"Wels hat ein Drogenproblem wie jede größere Stadt in Österreich“, beschwichtigt SPÖ-Spitzenkandidat Hermann Wimmer: "Rabl von der FPÖ tut alles, um Wels schlechtzumachen, weil er nur ein Thema hat, die Ausländer.“ Die SPÖ-Fraktion im Gemeinderat habe viel für die Integration getan. Und auch für Jugendliche sei die Stadt attraktiv. Beliebt seien Konzerte im alten Schlachthof oder Angebote im Medienkulturhaus.
Probleme mit Aufarbeitung der Vergangenheit
Wirbel gab es rund um die "braunen Flecken“ der Stadt. Denn erst spät stellte sich Wels seiner Vergangenheit. Das Bürgertum in Wels war lange vor 1938 deutschnational. Und nach 1945 gab es weiterhin nach NS-Größen benannte Turnhallen oder Straßen. 2009 wollte ein bekannter Rechtsextremer mit einer neuen Partei an den Gemeinderatswahlen teilnehmen, was ihm die SPÖ mit Verweis auf das Verbotsgesetz vereitelte, wie Wimmer augenzwinkernd erzählt.
Stolz verweist Wimmer als der für Finanzen zuständige Stadtpolitiker auf Kommunalsteuer-Einnahmen von 36 Millionen Euro pro Jahr. Dass diese von den Unternehmen bezahlte Abgabe selbst in der Finanzkrise nicht gesunken sei, beweise, "dass Wels nach wie vor ein attraktiver Wirtschaftsstandort“ sei. Das "Mitmach-Museum Welios“ musste zwar von der Stadt vor der Pleite bewahrt werden, aber jetzt erhalten Schulklassen hier Technik und Energie leicht verständlich vermittelt. Das Städtische Freibad "Welldorado“ ist Schauplatz eines heuer aufgeflogenen Betrugs, bei dem über zehn Jahre lang Eintrittsgelder in der Höhe von über 300.000 Euro veruntreut wurden.
Wels beherbergt zahlreiche Unternehmen, die auch auf dem Weltmarkt mitmischen: die Solartechnik Fronius, den Stempelerzeuger Trodat, die Kabelfirma Teufelberger, den Metallhärtungsbetrieb Rübig, den Lacke-Produzenten Tiger, das Transportlogistikunternehmen Felbermayr oder das Möbelhaus Lutz, wo der heutige Finanzminister Hans Jörg Schelling Geschäftsführer war.
"Wilder Westen von Linz"
"Wels war immer der wilde Westen von Linz“, so ein Textilunternehmer. Hier gab es Lederfabriken oder Gießereien und das erste Kino, als Linz noch eine brave Beamten-Hauptstadt war, in die erst Hitler die Schwerindustrie ansiedeln sollte. Die Konkurrenz besteht bis heute. Die Linzer blicken auf die Welser gerne hinab. So wird derzeit die Absiedlung der renommierten Kardiologie-Abteilung vom Klinikum Wels nach Linz überlegt. Denn dort steht die medizinische Fakultät im Aufbau. Wels hat nur eine Fachhochschule, die aber für die Bereiche Technik und Energie schon in der Europaliga mitspielt.
Das Industrieviertel im Osten der Stadt ist schon lange viel zu klein. Die Unternehmensgruppe Felbermayr hatte mit der Stadtregierung und dem Bund als Grundeigentümer ein neues Betriebsareal über 20 Hektar auf dem 130 Hektar großen Flughafen-Gelände vereinbart. Dort hätte es eine direkte Autobahn- und Eisenbahnanbindung gegeben und keine Einschränkung des Flugbetriebs.
Doch die Betriebsgenehmigung der Stadt Wels wurde zwei Mal vom Land mit Hinweis auf die EU-Vogelschutzrichtlinie aufgehoben. Denn auf dem Gelände wurden acht brütende Brachvogel-Paare geortet. "Wir hatten 1400 neue Arbeitsplätze gemeinsam mit den Firmen, die sich auf unserem alten Gelände ausbreiten wollten, geplant. Sind die paar Vögel wirklich wichtiger?“, meint Seniorchef Horst Felbermayr.
An den Rändern der Stadt wird der hässliche Teil von Wels unübersehbar: Fliesenmärkte und Einkaufscenter ohne Ende, dazu viele der sich rapide vermehrenden Wett- und Spiellokale samt den für eine Messestadt typischen Sexclubs.
Wels ist ein Verkehrsknotenpunkt, auch für die Bahn. Nur die ÖBB erkennen Wels trotz eines modernen Bahnhofs nicht als prioritäres Ziel an. Denn der Railjet braust hier ohne Halt durch.