Wer erbt die blauen Serben?
Ein Urlaub „unten“ fällt für viele Austro-Serben ins Wasser. Wegen Corona wird von Reisen auf den Westbalkan abgeraten. Das durchkreuzt auch die Pläne Von Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp: Er wollte am 20. Juli den Belgrader Bürgermeister besuchen. Auf dem Programm stand eine Bezirkspartnerschaft zwischen dem FPÖ-regierten Simmering und dem großen Bezirk Voždovac in der serbischen Hauptstadt.
Bessere Chancen auf Verwirklichung hat ein Besuch von Heinz-Christian Strache beim serbischen Honorarkonsul in Wien. Strache soll vom Profi-Boxer „Gogi“ Knežević und dessen Bruder Petar begleitet werden, der für die Liste Strache kandidiert. Beide Events und Partnerschaften sollen Signale an serbischstämmige Wiener senden. Rund 75.000 sind wahlberechtigt (von insgesamt 1,1 Millionen Wienern). Halten sie zu Strache, oder bleibt die FPÖ für sie auch ohne ihn wählbar?
"Mit Strache reichte uns der erste Politiker die Hand"
Als Chef der FPÖ hatte Strache es geschafft, Serben an die Partei zu binden. Er sprach sich gegen die Anerkennung des Kosovo aus, trug das Freundschaftsband Brojanica mit dem Kreuz der serbisch-orthodoxen Kirche, holte Wiener mit serbischen Wurzeln in die Gemeindepolitik. „In den Kriegsjahren waren wir an allem schuld. Mit Strache reichte uns der erste Politiker die Hand. Das hat uns gefehlt“, erinnert sich der frühere FPÖ-Bezirksrat Luca Marković, der später zur SPÖ wechselte.
Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2015 hat rund die Hälfte der Wiener mit serbischen Wurzeln FPÖ, die andere SPÖ gewählt, erhob der Meinungsforscher Peter Hajek damals. Auch der Boxer Knežević schwankte zwischen den beiden Parteien. Im Wahlkampf 2010 unterstützte er zuerst die FPÖ, gegen Ende die SPÖ. 2015 hielt er sich zurück. Dieses Mal kündigt er an: „Ich kandidiere zwar nicht, stehe aber voll hinter meinem Bruder. Wenn mein Bruder antritt, werden auch meine Fans hinter HC stehen.“
Petar Knežević wird in mehreren Bezirken für Strache kandidieren, bestätigt die Partei. Er ist „Turbofolk“-Sänger und organisiert Demonstrationen gegen die „Corona-Lügen-Pandemie“. Hinter den Corona-Maßnahmen sieht er ein Komplott zur „Versklavung“ der Bürger.
Fast bieder wirkt dagegen Nemanja Damnjanović. Der 48-jährige Versicherungsvertreter gründete 2011 das „Integrationsteam FPÖ und Serben“, seit 2015 ist er Landtagsabgeordneter.
Profitiert am Ende die ÖVP?
Er bleibt der Partei treu, nicht Strache, seinem früheren Förderer. Er rechnet nicht mit einem Exodus zur Liste Strache: „Die Leute wissen, dass ich mich für sie eingesetzt habe, auch wenn keine Wahlen waren.“
Strache ist durch Ibiza diskreditiert, FPÖ-Chef Nepp in der Community weitgehend unbekannt. Gut möglich also, dass keiner der beiden punktet, serbischstämmige Wähler mehrheitlich SPÖ wählen, zu Hause bleiben oder der ÖVP ihre Stimme geben. Die Freundschaft von Kanzler Sebastian Kurz mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić wird jedenfalls aufmerksam registriert.
Laut Meinungsforscher Peter Filzmaier hat Strache durchaus Chancen auf den Einzug in den Gemeinderat. Zünglein an der Waage werden serbischstämmige Wähler seiner Analyse nach nur dann sein, wenn viele Serben zur Wahl gehen und Strache einen guten Teil ihrer Stimmen einsammelt.