Wer hat das Heer ruiniert? Drei Fragen an fünf Ex-Minister

Von Platter bis Kunasek: Fünf ehemalige Verteidigungsminister stehen Rede und Antwort zum desolaten Zustand des Bundesheeres.

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1. Teilen Sie den dramatischen Befund des neuen Verteidigungsministers Thomas Starlinger zum Bundesheer?

2. Sehen Sie auch bei sich eine Mitschuld am Zustand des Bundesheeres?

3. Warum vernachlässigt die Politik generell das Bundesheer, und welche Maßnahmen zur Rettung des Heeres halten Sie für prioritär?

Günther Platter, ÖVP (2003-2007)

1. Das österreichische Bundesheer ist gerade für uns in Tirol ein Garant für Schutz und Hilfe und ganz allgemein eine Versicherung, dass wir in Frieden leben können. In der Vergangenheit konnten die Aufgaben und Herausforderungen, mit denen das Bundesheer konfrontiert wurde, entsprechend erfüllt werden. Damit das aber auch in Zukunft so bleibt, muss die notwendige Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten auch weiterhin gewährleistet und sichergestellt sein. Insofern weist Verteidigungsminister Thomas Starlinger durchaus auf einen dringend notwendigen Bedarf für die nächsten Jahre hin, vor dem man die Augen nicht verschließen darf.

2. Ich möchte an dieser Stelle überhaupt keine Schuld zuweisen. Allerdings darf ich darauf hinweisen, dass ich während meiner Amtszeit als Verteidigungsminister die Bundesheer-Reformkommission eingerichtet habe und diese ein Bundesheer-Budget in der Größenordnung von einem Prozent des BIP vorgeschlagen hat. Obwohl dieser Vorschlag damals auf breite Zustimmung gestoßen ist, hat man sich bei der Budgetierung in den vergangenen Jahren nie daran orientiert.

3. Ich bin nicht der Meinung, dass die Politik das Bundesheer generell vernachlässigt hat. Problematisch ist mit Sicherheit die seit jeher bestehende Unterdotierung, die sich aus historischen Gründen und budgetären Kompromissen ergibt. Es besteht ein erhöhter Investitionsbedarf vor allem im Bereich der Bauinfrastruktur und der Mobilität, dessen Umsetzung nun angegangen werden muss.

Norbert Darabos, SPÖ (2007-2013)

1. Starlinger war einer der besten Strategen im Ministerium. Ich habe ihn in wichtige Funktionen gebracht. Jetzt nutzt er die Gunst der Stunde für mehr Geld. Ich sehe uns im Katstrophenschutz und im Auslandseinsatz aber nach wie vor nicht so schlecht aufgestellt. Dort habe ich immer die Prioritäten des Heeres gesehen und selbst gesetzt -mit den Missionen im Libanon und Tschad. Die Mission am Golan hätte ich nie abgeschafft, wie kurz nach meiner Zeit geschehen. Was war das für ein Signal an die UN-Partner, sich sofort zurückzuziehen, wenn es brenzlig wird?

2. Wir hatten unter der Regierung Werner Faymann ein Sparprogramm über 500 Millionen Euro zu stemmen. Das war hart. Ich habe es mitgetragen und darauf geschaut, dass die Aufgaben laut Verfassung erfüllt bleiben.

3. Weil das Heer nur beim Katastrophenschutz wirklich wahrnehmbar ist. Und ich verstehe das ein Stück weit. Wir sind eingebettet zwischen europäischen Armeen und neutral. Wir brauchen nicht martialisch aufzutreten. Eine direkte Bedrohung anzunehmen, ist für das Heer intern wichtig, aber politisch nicht mehr zeitgemäß. Und wenn es zu einem direkten Angriff kommen würde, haben wir ohnehin keine Chance -egal ob 0,5 oder 0,7 Prozent des BIP ins Heer fließen.

Gerald Klug, SPÖ (2013-2016)

Der Ex-Verteidigungsminister will die eigene Amtszeit und die aktuelle Politik nicht kommentieren.

Hans Peter Doskozil, SPÖ (2016-2018)

1. Ein Minus von 300 Millionen Euro im Budget muss man erst einmal verkraften. Insofern verstehe ich Starlingers Besorgnis.

2. Als Minister ist es mir gelungen, Bedeutung und Relevanz des Bundesheeres zu erhöhen. Der Fehler ist nach meiner Zeit passiert. In der ÖVP/FPÖ-Regierung lag der Fokus der Sicherheitspolitik eindeutig beim Innenministerium von Herbert Kickl. Verteidigungsminister Mario Kunasek stimmte dem zu und beklagte danach den Zustand. Das ist schon etwas fragwürdig.

3. Dieses Urteil kann ich nicht pauschal unterschreiben. Wir haben gezielt versucht, das Heer budgetär und personell aufzustocken. Das geht nicht von heute auf morgen. Die Einsparungen unter der Regierung Kurz, die folgten, sind für ein modernes Heer nicht tragbar.

Mario Kunasek, FPÖ (2018-2019)

1. Wenn Verteidigungsminister Thomas Starlinger fordert, dass das Bundesheer mehr finanzielle Mittel braucht, hat er in mir einen Unterstützer. Unter rot-schwarzen Bundesregierungen wurde das Verteidigungsministerium systematisch budgetär ausgehungert.

2. Nein, aus voller Überzeugung nicht. Denn ohne eine freiheitliche Regierungsbeteiligung hätte es den finanziellen Kollaps des Bundesheeres bereits im Frühjahr 2018 gegeben. Wir einigten uns mit der ÖVP auf ein Budget für das Jahr 2018 von rund 2,5 Milliarden Euro. Sechs Wochen später wusste die ÖVP davon nichts mehr und nannte ein Heeresbudget von zwei Milliarden als Bedingung. Nach intensiven Verhandlungen wurden es dann 200 Millionen mehr sowie eine verbindliche Zustimmung für ein Hubschrauber-und Mobilitätspaket. Mit der Nachbeschaffung der über 51 Jahre alten Alouette 3-Helikopter hat die FPÖ ein Problem, das SPÖ und ÖVP über 15 Jahre vor sich her geschoben haben, innerhalb von acht Monaten gelöst.

3. SPÖ und ÖVP haben Probleme mit dem Bundesheer an sich. Der Sozialdemokratie waren und sind Migration, Gleichberechtigung oder Diversität wichtiger. Das sicherheitspolitische Interesse der ÖVP fokussiert sich seit jeher auf das Innenministerium, das Machtzentrum der Republik. Das Bundesheer ist für sie ein Katastrophenschutz-Beiwagerl, das bei Hochwasser Sandsäcke füllt und im Winter Dächer vom Schnee befreit. Seit 2003 stellt die ÖVP durchgehend den Finanzminister; wäre ihr das Heer ein Anliegen, hätten die Budgets der letzten Jahrzehnte anders ausgesehen.

Bild: Mario Kunasek (FPÖ) in der Andreas-Hofer-Kaserne in Absam in Tirol

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.