Wer ist Reinhard Teufel, Herbert Kickls rechte Hand?
Von Gernot Bauer und Iris Bonavida
Schriftgröße
Am Abend des 20. September, kurz nach 21 Uhr, sitzt Reinhard Teufel unter – wie er es abschätzig nennen würde – Altparteien und Systemmedien. Der Freiheitliche hat im Atrium im ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg Platz genommen, in seinem Rücken ein Tisch mit Sozialdemokraten, neben ihm ein kleines FPÖ-Team. Das Wichtigste findet aber vor ihm statt: Auf einem großen Bildschirm wird das TV-Wahlduell seines Chefs, Herbert Kickl, mit dem SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler übertragen. Für Medien und Parteimitarbeiter hat der ORF ein kleines Public Viewing organisiert. Die beiden Obmänner haben das wichtigste Personal für einen Abend wie diesen mitgenommen: Pressesprecher, Social-Media-Mitarbeiter, Fahrer. Herbert Kickl kann aber auf eine andere Person auch nicht verzichten: seinen engsten Vertrauten und wichtigsten Ideologen, Reinhard Teufel.
SPÖ-Kanzler Werner Faymann hatte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, der ihm den Rücken freihielt, ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz setzte auf den akribischen Arbeiter Bernhard Bonelli. Für Heinz-Christian Strache schrieb Herbert Kickl Reden, reimte provokante Plakatsprüche und brütete Strategien aus. „Straches rechte Hand“, sogar „Straches Gehirn“ wurde Kickl genannt. Aber selbst Kickl braucht einen Kickl, und das ist Reinhard Teufel.
Wenn sein Chef im TV-Gespräch punktet, nickt Teufel anerkennend, wenn Babler Kritik äußert, wirft Teufel einen strengen Blick zum SPÖ-Tisch. Er fühlt mit Herbert Kickl mit, in guten wie in schlechten Zeiten.
Und jetzt gerade sind es für sie besonders gute Zeiten.
Gemeinsam in der Hofburg
Vergangenen Montag war Kickl wieder mit einem kleinen Team unterwegs: Pressesprecher, Social-Media-Mitarbeiter und – Reinhard Teufel. Gemeinsam begab man sich in den Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg, zum Sitz des Bundespräsidenten. Die rote Tapetentür zu Alexander Van der Bellens Büro öffnete sich aber nur für den Parteiobmann und seinen Vertrauten. Gespräche in der Hofburg finden unter besonderer Verschwiegenheit statt. Aber selbst wenn der Präsident der FPÖ die Freigabe zum Ausplaudern gäbe, würde Teufel vermutlich schweigen. Er bevorzugt – wie einst Herbert Kickl – die zweite Reihe, schätzt sein Privatleben und ist auf Freiräume bedacht. Die helle Bühne ist nicht sein Lieblingsfeld. Vermutlich ist auch das ein Grund, warum Kickl ihm so sehr vertraut. Gleich und gleich gesellt sich gern.
Zusammengeschweißt hat die beiden die Zeit in Regierungsverantwortung. Bis 2017 war Teufel noch für Heinz-Christian Strache tätig, jahrelang als sein parlamentarischer Mitarbeiter, später als Büroleiter. Als Kickl ins Innenministerium zog, wurde Teufel dessen Kabinettschef. Alles, woran sich die Volkspartei mit Schaudern aus der gemeinsamen Koalition erinnert, passierte auch unter der Leitung Teufels, wie die Razzia im damaligen Amt für Verfassungsschutz oder das Anbringen des Schildes „Ausreisezentrum“ am Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Wegen seiner besonderen Affinität zu Südtirol initiierte Teufel die Pläne mit, eine Doppelstaatsbürgerschaft für die deutschsprachige Bevölkerung in der Provinz Bozen zu ermöglichen. Die Vorbereitungen dafür waren so gut wie abgeschlossen, zum Beschluss kam es nie. Als die Koalition im Mai 2019 wegen des Ibiza-Videos zerbrach und Norbert Hofer FPÖ-Chef wurde, blieb Teufel Kickl, der nun Klubobmann war, treu.
ÖVP-Ansprechpartner in St. Pölten
Seit 2018 sitzt Teufel im niederösterreichischen Landtag, bei seiner ersten Rede wachte der heutige Innenminister Gerhard Karner als Zweiter Landtagspräsident über ihn. Heute ist Teufel Klubobmann. Dass ÖVP und FPÖ 2023 in einer Koalition zueinanderfanden, lag auch an ihm. In St. Pölten gilt Teufel als heimlicher FPÖ-Chef, der die Regierungsgeschäfte steuert. Wann immer es Probleme gibt, agiert er als Ansprechpartner der ÖVP, nicht unbedingt Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer. Bei ÖVP-Vertretern ist Teufel wohlgelitten. Allgemein wird seine Handschlagqualität gelobt.
Will er Minister werden, ist er gesetzt. Das Innenministerium kennt er schon, allerdings wäre er in dieser prominenten Position von Anfang an im öffentlichen Fokus. Eine Option wäre auch das Landwirtschaftsressort, immerhin hat Teufel 2013 den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern in Lackenhof übernommen. Bonuspunkt aus FPÖ-Sicht: Ein blauer Agrarminister würde die ÖVP und ihren Bauernbund besonders schmerzen. Weniger Prominenz, aber intern mehr Einfluss hätte Teufel als Kanzleramtsminister. Schon der frühere SPÖ-Kanzler Werner Faymann hatte seinen Kabinettschef Josef Ostermayer zum Minister im Kanzleramt gemacht, wo dieser für seinen Chef das Tagesgeschäft mitbetreute.
Als Kanzleramtsminister hätte Teufel auch genug Zeit, um für Kickl die blau-schwarze Koordinierungsarbeit in der Regierung zu leisten. Theoretisch könnte Alexander Van der Bellen eine Angelobung verweigern, wie er es in einigen Fällen schon bei Türkis-Blau gemacht hat, allerdings müsste er diese Entscheidung gut argumentieren. Was gegen Teufel spricht: Er stand fallweise mit dem früheren Chef der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, via Kurznachrichten in Kontakt. Seine schlagende Burschenschaft Brixia in Innsbruck ist weit rechts zu verorten.
Im Vergleich zu polternden Vertretern der FPÖ-Niederösterreich wie Generalsekretär Michael Schnedlitz ist Teufel zurückhaltend. Er gibt lieber den belesenen Rechtsintellektuellen. Wobei ihm der Wahlsieg bei der Nationalratswahl einen Selbstbewusstseinsschub gegeben haben dürfte. Gegenüber Gesprächspartnern aus ÖVP und Wirtschaft soll er – wie Herbert Kickl – bisweilen herrisch und belehrend aufgetreten sein.
Teufel ist wohl der einzige FPÖ-Politiker, der sich als persönlicher Freund von Herbert Kickl bezeichnen kann. Wenn Kickl jemanden in sein Privathaus in Purkersdorf lässt, ist es Teufel. Der Niederösterreicher ist auch der Einzige, der dem Bundesparteiobmann widerspricht – und auf den Kickl dann auch hört.
Die Verhandlungen mit der ÖVP sollen in sehr kleinem Kreis stattfinden. Teufel wird wieder dabei sein.
Gernot Bauer
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.
Iris Bonavida
ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.