Wie der Fall Miklautz und der VfGH die Justizreform vorantreiben
„So weit wie heute waren wir noch nie“, freute sich Justizministerin Alma Zadić Anfang des Monats. Die Ministerin hatte zur Diskussion über die „Strafverfolgung in modernen Demokratien“ geladen. De facto sollte die Veranstaltung ihr Ressort mit Argumenten für Dreiersenate an der Spitze der Staatsanwaltschaften aufmunitionieren. Bisher hat die Justizministerin selbst in Fragen von Ermittlungseinstellungen, Anklagen und Co. das letzte Wort. Um dem Anschein der politischen Willkür zu entgehen, hält sich Zadić betont aus Ermittlungsverfahren heraus. Der Fall Miklautz zeigt jedoch, dass sie das rechtlich gar nicht kann.
Die Sicherstellung von Handys, Laptops und anderen elektronischen Datenträgern ist nur ein Konfliktpunkt im türkis-grünen Streit um die Justiz. Schon im März 2021 hatte die Regierung im Ministerrat eine umfangreiche Justizreform angekündigt. Künftig sollen die Staatsanwaltschaften in Österreich politisch unabhängiger agieren, Beschuldigtenrechte gestärkt, Verfahren verkürzt und bei der Einstellung von Ermittlungen ein Kostenersatz ausgezahlt werden. Es wäre die größte Änderung der Strafprozessordnung seit 1945. Wenn sie umgesetzt wird.
Stillgestanden
Denn über eine Absichtserklärung sind Justizministerin Zadić und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) trotz monatelanger Verhandlungen kaum herausgekommen. In fast jedem Punkt spießt es sich: Für die Volkspartei gilt eine Erschwerung der Sicherstellung elektronischer Datenträger als Fixpunkt für die Stärkung der Beschuldigtenrechte, auch ein Zitierverbot aus Ermittlungsakten und eine maximale Verfahrenslänge werden vonseiten der ÖVP angedacht. Die Grünen fürchten, dass ihr Koalitionspartner auch durch Verfahren gegen die türkise Partei und ihre (ehemaligen) Granden motiviert sein könnte.
Wir wissen, was die Konzentration von zu viel Macht in einer Person für Folgen haben kann.
Die Volkspartei sieht hingegen Zadić neue Weisungsspitze kritisch. Im Justizpalast fehlten Vertreter der großen Regierungspartei trotz Einladung. Nur wenige Tage später lud Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Gegenveranstaltung im Parlament. Dort bekräftigte Verfassungsministerin Edtstadler ihre Forderungen nach ausgebauten Beschuldigtenrechten und wiederholte ihre Sorgen über die mangelnde persönliche Verantwortung eines Dreiersenats sowie fehlender parlamentarischer Kontrolle der vom Justizministerium vorgeschlagenen Weisungsspitze.
Lassen wir uns nicht einreden, dass die Einbindung des Parlaments Parteipolitik wäre.
Bisher gab es zwischen ÖVP und Grünen in einem Punkt Einigkeit: Die größte Reform der Strafprozessordnung seit über 70 Jahren sollte als ein großes Paket beschlossen werden. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) könnte die festgefahrenen Verhandlungspositionen nun aufbrechen. Kippen die Höchstrichter die geltende Regelung zur Handy-Sicherstellung, gäbe es eine Deadline bis zu der zumindest dieser Teil repariert werden muss.